In der DEL, Deutschlands höchster Eishockeyliga, hat jeder, wirklich jeder, Verein einen externen Geldgeber, der die Spielbetriebsgesellschaft kontrolliert. Darunter sind – wie bei den Iserlohn Roosters oder den Straubing Tigers – oft immerhin lokale Unternehmer*innen, aber auch globale Sportunternehmen wie Anschatz Entertainment bei den Eisbären Berlin, die dem ehemaligen Dynamo-Club eine komplett neue Identität (und sogar einen neuen Stammverein) gegeben haben. Immer wieder protestieren die Berlin-Fans gegen steigende Ticketpreise und mangelnde Einflussmöglichkeiten. Übrigens ist auch Frank Gotthardt, Gründer und Besitzer der rechtsradikalen News-Plattform NIUS, im Eishockey investiert: Ihm gehören die Kölner Haie. Die Beteiligung der Stammvereine am Profispielbetrieb ist im professionellen Eishockey die Ausnahme – in der letzten DEL-Saison hatte der Stammverein der Düsseldorfer EG mit knapp 26% die mit weitem Abstand größte Beteiligung an „seiner“ Kapitalgesellschaft.
In der DEL2 sieht es nicht so viel anders aus. Auch hier gehören die meisten Mannschaften komplett externen Investoren, vor allem lokalen Geschäftsleuten, aber auch US-Sportunternehmen. Professionelles Eishockey ist kostenintensiv und kaufmännisch schwer zu organisieren: Der Betrieb der Eishallen kostet viel Geld, auch die Spieler verdienen gut und auch wenn immer nur sechs von ihnen gleichzeitig auf dem Eis stehen, stehen doch immer mindestens 22 Profis pro Verein unter Vertrag. Jedes Jahr müssen Bürgschaften hinterlegt werden, planen DEL2-Vereine den Aufstieg in die DEL, sogar in Millionenhöhe. Die Mitglieder der Bietigheim Steelers wollen trotzdem die Kontrolle über ihren Verein behalten: Als sie sich 2022 zur Ausgliederung des Profispielbetriebs aus dem Stammverein entschieden, schrieben sie in die Satzung, dass mindestens 51% der Anteile beim Verein verbleiben müssen. 50+1 – fast wie im Fußball.
Doch es gibt eine noch krassere Ausnahme: Die Starbulls Rosenheim, ein Eishockey-Traditionsverein, der heute nur als eingetragener Verein organisiert ist. Dieser Bruch mit der Eishockey-Konvention ist dabei die logische Konsequenz aus der Rosenheimer Eishockey-Geschichte.
Und die beginnt 1928. Seitdem wird in Rosenheim nämlich Eishockey gespielt. 1972 dann spielte ein Vorgängerverein der Starbulls erstmals erstklassig. Doch mit dem Bundesliga-Kader und einem neugebauten Eisstadion, das übrigens heute noch bespielt wird, übernahm der Klub sich – 1978 folgte die erste Insolvenz. Der neugegründete Nachfolgeverein durfte jedoch in der Bundesliga bleiben und fand einen lokalen Unternehmer als Mäzen. Josef März – einen Freund von Franz-Josef Strauß. Das führte zu einer beachtlichen sportlichen Entwicklung: 1981 gelang mit Platz sechs die beste Platzierung der Vereinsgeschichte. Ein Jahr später gelang dem Club dann sogar schon sein erster Meistertitel. In den Folgejahren wechselten Eishockeygrößen wie Ernst Höfner und Franz Reindl an die Mangfall, und Rosenheim spielte konsequenz oben mit, sicherte sich 1985 sogar die zweite Meisterschaft. Die größten Konkurrenten der Rosenheimer waren in dieser Zeit übrigens unter anderem die Kölner Haie und die Düsseldorfer EG, mit denen sie sich packende Play-off-Duelle lieferten. In den folgenden Jahren gehörte Rosenheim nämlich stets zu den Spitzenklubs in Deutschland, in den Spielzeiten 1987/88, 1988/89, 1989/90 und 1991/92 erreichte man immer die Finalrunde der Play-offs. 1989 wurde man sogar zum dritten – und bislang letzten – Mal deutscher Meister.
Doch schon 1988 war Mäzen März gestorben. Seine Erben und die Stadt Rosenheim lagen über Kreuz. Streitpunkt: Ein neues Eisstadion, wir wissen: Das wurde bis heute nicht gebaut, weil der Klub zum Training eine zweite Eisfläche gebraucht hätte. Stadt und Erben stellten im Streit irgendwann beide ihre Unterstützung ein, trotzdem war der Verein noch bis zum Jahr 2000 in der DEL dabei. In dieser Zeit wurde sogar eine Spielbetriebs-GmbH gegründet und an Investoren vermarktet. Noch machte man die Kapitalisierung des Eishockeys also voll mit. Dennoch erschien Erstliga-Eishockey in Rosenheim nicht (mehr) finanzierbar.

Die Konsequenz: Die Spielbetriebs-GmbH wurde im Jahr 2000 ins Sauerland verkauft, seitdem sind die Iserlohn Roosters ein DEL-Club. Und in Rosenheim begann man eine neue Geschichte, gründete einen neuen Stammverein – aber bewusst ohne neue GmbH. Deswegen musste der Seniorenspielbetrieb in der untersten bayerischen Liga – der Bezirksliga Bayern – wieder von vorne begonnen werden. Bis 2004 arbeitete man sich ohne Investor immerhin in die dritte Liga zurück. Dort blieb man bis 2010, dann ging es in die zweite Liga. 2011 schaffte man es als Underdog dann sogar bis ins Halbfinale des Deutschen Eishockey Pokals. Und 2013 gehörte man zu den Gründungsmitgliedern der DEL2, aus der man 2017 jedoch zurück in die Drittklassigabstieg und erst 2023 in die DEL2 zurückkehren konnte. Dabei blieb der Verein dieses Mal stets unabhängig, getragen nur von seinen Mitgliedern. Das verhindert alte Streitigkeiten und vor allem Abhängigkeiten. Die Gemeinschaft steht im Mittelpunkt – nicht der vierte Titel um litterly jeden Preis.
In der DEL2 haben die Starbulls heute einen der höchsten Zuschauerschnitte, oft ist ihr über 60 Jahre altes Eisstadion ausverkauft. Unter Gästefans genießt es darum längst Kultstatus. Auch zu den Mitgliederstärksten Klubs gehört ihr Stammverein – kein Wunder, hier macht die Stimme der Fans ja auch tatsächlich noch einen Unterschied. Hier schreibt man so gemeinsam Eishockey-Geschichte.
Und diese Geschichte erzählt sich so: Spitzeneishockey ist ohne die Unterstützung von Investoren in Deutschland gerade zwar kaum möglich. Aber erfolgreiches Eishockey eben schon.
Die Erinnerung an die großen Finalspiele in den 80ern kann den Rosenheimern niemand nehmen. Den Stolz darauf, heute aus eigener Kraft, sympathisch und gleichzeitig mit Platz 5 in der DEL2 letzte Saison auch wieder unter den 20 besten deutschen Eishockeymannschaften zu sein, erst Recht nicht.