Tätlichkeit, Schlägerei, Donald Trump – Die Kritiker*innen der FIFA-Klub-WM kamen beim großen Finale des Wettbewerbs gestern noch einmal voll auf ihre Kosten. Insgesamt war das Turnier eine Katastrophe. Immerhin: Das hat kaum jemand mitbekommen, weil das Zuschauerinteresse an Infantinos Lieblingsprojekt so gering war, wie der FIFA-Chef es auch verdient.
Beginnen wir aber beim Sport. Der Fußball, der in den letzten Wochen bei der Klub-WM angeboten wurde, blieb in den meisten Fällen weit hinter den Erwartungen zurück. Kein Wunder: Damit die Spiele weltweit, insbesondere aber in Europa, für Fernsehsender und Streamingdienste gut vermarktet werden konnten, fanden sie am Austragungsort, den USA, oft in der prallen Mittagssonne oder bei heftiger Nachmittagshitze statt. Über 36 Grad und Sonne – wer an die Gesundheit der Spieler denkt, sagt: Ein Glück, dass da keine schnellen Spiele aufkamen. Positiv überrascht haben vor allem die brasilianischen Teams, die in den meisten Fällen selbst mit den finanziell weit überlegenen Europäern mithalten konnten. Auch manche Außenseiter wie die Mamelodi Sundowns wussten zu begeistern. Trotzdem: Dass am Ende der europäische Champions-League-Sieger Paris St. Germain gegen den Sieger der European Conference League Chelsea London im Finale aufeinandertraf, war schon erwartbar. Immerhin: Dass Chelsea Paris im Finale derart deutlich besiegen würde, nicht.

Cole Palmer war dabei der sportliche Star des Abends: Er traf in der 22. und 30. Minute jeweils mit flachen Schüssen ins untere Eck und legte mit einer mustergültigen Flanke auch das 3:0 durch João Pedro (43.) auf. Die Blues waren vor allem in der ersten Halbzeit taktisch souverän, kontrollierten das Spiel und ließen PSG kaum Chancen zu. In der zweiten Hälfte verlagerte sich das Spiel dann zunehmend in den physischen Bereich. Allerdings nicht nur fußballerisch. In der 86. Minute sah PSG-Profi João Neves nach einem groben Haarziehen gegen Marc Cucurella die Rote Karte. Und nach dem Abpfiff eskalierte die Situation noch weiter: Bereits unmittelbar nach dem Abpfiff lieferten sich Spieler beider Mannschaften wilde Rangeleien, in die auch PSG-Trainer Luis Enrique, Torwart Gianluigi Donnarumma und Verteidiger Achraf Hakimi verwickelt waren. Mitten in der Rudelbildung ist Enrique zu Stürmer João Pedro gegangen und hat diesem unter anderem ins Gesicht geschlagen, woraufhin Pedro zu Boden ging. Kurios: Der spanische Trainer erklärte später, er habe eingreifen wollen, um weitere Eskalationen zu verhindern. Ihm droht nun eine lange Sperre.
Apropos Eskalation – und damit zurück zur Systemkritik: Die Siegerehrung führte Gianni Infantino dann nämlich natürlich nicht alleine durch, sondern gemeinsam mit US-Präsident Donald Trump. Trump, der in den USA seit seinem erneuten Amtsantritt systematisch demokratische Strukturen angreift, konnte sich so inszenieren. Und Infantino suchte einmal mehr die Nähe zu einem Autokraten – nach Katar und Saudi-Arabien.
Die Kritik an der Klub-WM zusammengefasst
Kurz vor Beginn der Klub-WM ist nämlich der Staatsfonds Saudi-Arabiens überraschend beim Streamingdienst DAZN eingestiegen. Unmittelbar darauf sicherte sich DAZN die lang feststeckenden TV-Rechte für das Turnier. DAZN übertrug daraufhin alle Spiele kostenfrei, wohl um der FIFA zu imponieren und gleichzeitig das Image der Investoren zu verbessern. Hintergrund ist hier das strategische Interesse Saudi-Arabiens, seine Rolle im internationalen Fußball weiter auszubauen. Beobachter*innen werten das Engagement darum auch als Teil der Soft-Power-Strategie des Landes im Vorfeld der erwarteten Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien. Wenn eine Fußball-Weltmeisterschaft quasi auf offener Bühne verkauft wird, um ein anderes Prestigeprojekt zu retten, hat das mit Integrität und der eigentlich doch demokratischen Konstitution des Fußballweltverbandes jedenfalls nichts mehr zu tun.
Hinzu kommt, dass die sportliche Integrität der Klub-WM noch vor dem ersten Anstoß – und damit vor dem ersten Einlauf-Fail und Countdown-Irrsinn – in Zweifel gezogen werden muss. Die tatsächlichen Einladungskriterien, nach denen entschieden wurde, welche Mannschaften final am Turnier teilnehmen dürfen, hat die FIFA nämlich nie wirklich offengelegt. Bestes Spiel: Warum ausgerechnet Inter Miami an der Klub-WM teilnehmen darf (und dann auch noch als offiziell gastgebendes Team), ist sportlich eigentlich nicht zu begründen. Und so halten sich die Gerüchte, dass Miami nur deswegen dabei ist, weil die FIFA nicht auf das Marketing-Zugpferd Lionel Messi auf dem Rasen verzichten wollte. Auch Cristiano Ronaldo wollte Infantino ja auf den Platz bringen, doch Al-Nassr, das nicht bei der Klub-WM dabei ist und für das es auch keine Gastgeber-Ausrede geben konnte, bot Ronaldo einfach zu viel Geld für seinen Verbleib.
Auch ist es unverantwortlich, dass es für die Klub-WM keinen Ausgleich im Spieltagskalender gibt. Zwar findet die Klub-WM nur alle vier Jahre statt, aber die Spieler der Klubs kommen in einem Klub-WM-Jahr dann locker auf bis zu 60 Pflichtspiele oder sogar mehr. Das ist verletzungsfördernd. Über eine Milliarde Euro werden bei der Klub-WM alleine als Preisgeld ausgeschüttet, 250 Millionen Euro sollen darüber hinaus als weitere Subventionen an den organisierten Vereinsfußball gehen – aber ebenfalls nur an Topteams, was die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert. Besser wäre es darum, die Einnahmen der Klub-WM zu nutzen, um den Wettbewerbskalender an anderer Stelle mal etwas zu entzerren. Denn die Gesundheit der Spieler muss an erster Stelle stehen. Zudem droht sonst selbst bei den treuesten Fußballfans ja irgendwann eine Übersättigung. All das übrigens, während die Auslastung der Stadien in den USA bei kaum mehr als 50 % lag und auch die TV-Quoten der Klub-WM in Deutschland im Vergleich zu anderen Wettbewerben deutlich unterm Durchschnitt waren. Was gut ist, weil es zeigt, dass Fußball-Fans sensibel zwischen spannenden Spielen und Völkerverständigung einerseits und Autokraten-Nähe und Kommerzialisierung andererseits unterscheiden, eine weltweit starke Community sind.
Sportlich hat sich Infantino mit seiner Klub-WM also eindeutig verzockt. Und auch auf der Einnahmeseite wäre die Nummer ohne die Intervention Saudi-Arabiens ziemlich in die Hose gegangen. Sein materielles Netzwerk hingegen dürfte der FIFA-Boss – mal wieder – verbessert haben. Und auch das Trump-Regime sowie die Machthaber in Saudi-Arabien gehören zu den Gewinnern des neuen Wettbewerbs. Da passt es gut ins Bild, dass die beiden kommerzialisierten Teams Europas gestern das Finale bestritten – und was für ein schlechtes Bild sie dabei abgegeben haben. Was nach dem Aus von Sepp Blatter eigentlich unvorstellbar schien, ist unter Infantino Realität geworden: Die FIFA ist noch unseriöser, ja, noch bösartiger geworden. Infantino und seiner Organisation geht es nicht um den Fußball und was ihn ausmacht, es geht ihnen nur um sich selbst.
Hat die Klub-WM eine Zukunft? Bitte! Aber bitte ganz anders!
Und das ist richtig bitter. Denn per se war die Klub-WM ja keine schlechte Idee, auch wenn Gianni Infantino die Umsetzung aus den offensichtlich völlig falschen Motiven entwickelte. Aber eine Vereins-Weltmeisterschaft, bei der sich die besten Mannschaften aller Kontinente messen, ist eigentlich ein unglaublich spannendes Format. Und eines, das Fußballfans das Herz höherschlagen lässt. Boca Juniors, Botafogo, die Mamelodi Sundowns, die Urawa Red Diamonds und Benfica Lissabon in einem Wettbewerb mit den Bayern und Borussia Dortmund.
Würde dieses Turnier in einem fußballaffinen Land ausgetragen statt aus PR-Gründen in den USA zu scheitern (übrigens ja auch noch, während in den USA eine faschistische Regierung die Politik bestimmt und deren Vertreter sich in den Stadien inszenieren können), es könnte ein einzigartiges Fußballfest der Völkerverständigung werden.
Würden die Spiele dieses Turniers dann noch zu angemessenen Zeiten vor Ort angepfiffen statt aus Übertragungsgründen für den europäischen Markt in der prallen Mittagssonne, wir könnten richtig spektakuläre Spiele bestaunen und eine Menge über den Weltfußball lernen, während die Gesundheit der Spieler geschützt würde.
In vier Jahren findet die nächste Klub-WM statt – also außer, Gianni Infantino findet beim Kassensturz zwischendurch heraus, dass sich das Ganze auch für ihn doch nicht gerechnet hat (was irgendwie ja gut wäre, weil es dafürsprechen würde, dass bei der FIFA doch noch nicht alles von Korruption zerfressen ist). Anlass zur Hoffnung, dass es dann besser wird, gibt es eigentlich nicht. Aber etwas Besseres bleiben tut uns Fans auch nicht.