Den bekanntesten Tiroler Fußballverein, den FC Wacker, einen Traditionsverein zu nennen, erscheint angemessen. Und das gleich mehrfach: Einerseits reicht die Fußballtradition in Innsbruck bis ins Jahr 1913 zurück und umfasst immerhin, je nach Zählweise, stolze sieben oder zehn nationale Meistertitel, anderseits aber haben auch Neugründungen, Umbenennungen und – nennen wir es mal – kreative Partnerschaften in Tirol Tradition. Ein Blick in die Geschichte dieses Vereins lohnt sich.

Starten wir aber mit der Geschichte des historischen Traditionsverein FC Wacker Innsbruck. Die Gründung des Vereins erfolgte 1913, das erste bekannte Spiel fand am 19. Juli 1914 gegen Rapid Innsbruck statt und endete mit einem 4:1-Sieg für den FC Wacker. Der Vereinsbetrieb musste dann aber direkt unterbrochen werden – aufgrund des ersten Weltkrieges. Nach dem ersten Weltkrieg spielte Wacker Innsbruck vor allem auf regionaler Ebene. Das blieb auch bis nach dem zweiten Weltkrieg so. Über die Zeit zwischen 1938 und 1945 ist dabei ebenfalls wenig bekannt, was dafür spricht, dass Wacker sich dem NS-Regime fügte.

Erst nach dem gesellschaftlichen und sportlichen Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg beginnt damit die erfolgreiche Zeit von Wacker Innsbruck. 1960 wurde Wacker Innsbruck erstmals Tiroler Landesmeister, 1961 und 1962 konnte man den Titel verteidigen. 1964 sicherte man ihn sich nach einjähriger Unterbrechung erneut – dieses Mal verbunden mit dem Aufstieg in die damals höchste gesamtösterreichische Spielklasse, der Staatsliga A. 1967 wurde man dort punktgleich mit dem SK Rapid Wien erstmals Vizemeister. 1970 gewann man zum ersten Mal den österreichischen Pokal. 1971 wurde Wacker Innsbruck dann zum ersten Mal österreichischer Meister.

Das erste Neubeginn: Die Swarovski-Spielgemeinschaft

Ein Jahr später dann wählte Innsbruck zum ersten Mal einen ungewöhnlichen Weg: Am 20. Juli 1971 gaben die Verantwortlichen des FC Wacker Innsbruck und der ebenfalls erstklassigen WSG Wattens eine richtungsweisende Entscheidung bekannt: Zur Bündelung der Fußballstärke Tirols – und auf Drängen des gemeinsamen Hauptsponsors Swarovski – gründeten sie die Spielgemeinschaft SpG Swarovski Wattens-Wacker Innsbruck. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: In den Jahren 1972, 1973, 1975 und 1977 sicherten sich die Tiroler jeweils den österreichischen Meistertitel. Dazu kamen vier Cupsiege (1973, 1975, 1978 und 1979), die die Dominanz der Spielgemeinschaft unterstrichen. Besonders herausragend war auch die Leistung auf internationalem Parkett: 1975 feierte die SSW Innsbruck den Gewinn des Mitropapokals. Im Finale setzte sich die Mannschaft souverän gegen den ungarischen Klub Budapesti Honvéd durch – mit einem 3:1-Erfolg vor heimischem Publikum und einem 2:1-Auswärtssieg. 1976 konnte der Titel verteidigt werden. Die Idee einer Spielgemeinschaft der beiden stärksten Klubs einer Region, um auch unter zunehmenden Druck konkurrenzfähig zu bleiben, machte dabei Schule: 1992 legten der 1873 gegründete Kjøbenhavns Boldklub und Boldklubben 1903 aus Kopenhagen ihre ersten Mannschaften zusammen und gründeten so den FC Kopenhagen, der damit international wettbewerbsfähig werden sollte. Auch hier blieben die Stammvereine im Nachwuchs- und Amateuerbereich eigenständig.

Im Juni 1986 trotzdem dann das Ende: Die WSG Wattens und der FC Wacker Innsbruck lösten ihre Spielgemeinschaft auf. Zeitgleich gründete Gernot Langes-Swarovski mit dem FC Swarovski Tirol einen eigenen Klub, der die Bundesligalizenz der ehemaligen Spielgemeinschaft übernahm – ebenso wie den Großteil der Mannschaft. Für den FC Wacker Innsbruck ging es hingegen mit einem komplett neu formierten Team tief im Fußball-Unterbau, in der 2. Klasse Mitte bei den Amateuren, weiter. Das erklärte Ziel war der sofortige Aufstieg in die nächsthöhere Liga. Langfristig setzte man sich sogar ambitioniert das Ziel, wieder den Weg zurück in die Bundesliga zu finden. Das gelang dabei schneller als gedacht: Denn Gernot Landes-Swarovski verlor 1992 das Interesse an seinem Bundesliga-Spielzeug und gab Wacker die Bundesliga-Lizenz zurück. 1993 gab es für Rückkehrer Wacker da direkt den fünften Platz und einen weiteren Pokalsieg. Die WSG Wattens spielt heute, gesponsort von Namensgeber Swarovski, übrigens als WSG Tirol wieder erstklassig – und trägt ihre Heimspiele dabei meist in Innsbruck aus, was den Wacker-Fans allerdings nicht wirklich passt.

Der zweite Neubeginn: Ausgliederung des Profifußballs als kickendes Werbegeschäft

Und das liegt unter anderem an dem Kapitel Wacker-Geschichte, das nun folgte: Denn statt Konstanz einkehren zu lassen, kam es auch hier wieder zu einem Neubeginn. Tirol und speziell Innsbruck wollten ihre Position als sportliches und wirtschaftliches Zentrum in Österreich stärken. Landespolitiker*innen und lokale Entscheidungsträger*innen waren darum daran interessiert, den Profifußball in Innsbruck auf eine möglichst stabile wirtschaftliche Basis zu stellen, um Image, Tourismus und Sponsoringmöglichkeiten in ganz Tirol zu verbessern. Die kommunalen und regionalen Behörden unterstützten deshalb Initiativen, die Professionalisierung und wirtschaftliche Unabhängigkeit des Klubs zu fördern. Das Ergebnis: Der FC Wacker Innsbruck, ein mitgliedergeführter Verein, gab dem externen Druck stand und seine Profifußballabteilung auf. Es wurde ein neuer Verein gegründet, der FC Tirol, der die Bundesliga-Lizenz übernahm, aber eben nicht allen Fans, sondern nur politischen Entscheidungsträger*innen und Sponsoren offenstand. 2000, 2001, 2002 wurde der FC Tirol Meister – während Wacker Innsbruck als Amateurverein weiter bestand. Daher die Sache mit der Zählweise bei den Meistertiteln. Zwei Funfacts: Statt Swarovski trat beim FC Tirol lange das Unternehmen Tirol Milch als Hauptsponsor auf, der FC Tirol trat damit als FC Tirol Milch Innsbruck an – und damit schon Jahre vor Red Bull Salzburg mit Getränkehersteller im Namen. Und seine letzte Meisterschaft holte der FC Tirol mit Jogi Löw als Trainer, ohne diesen Erfolg wäre Jürgen Klinsmann wohl nicht auf den späteren Bundestrainer aufmerksam geworden, hätte ihn nicht zu seinem Co-Trainer gemacht und der deutsche Fußball hätte sich möglicherweise ganz anders entwickelt.

Aber zurück zum Thema. Die drei Meisterschaften finanzierte der FC Tirol auf Pump. Und nachdem sich der Schuldenberg der Tiroler in den letzten Jahren immer mehr angehäuft hatte und auch durch nunmehr getätigte Notverkäufe von Spielern nicht mehr getilgt werden konnte, meldete der FC Tirol 2002 Konkurs an und löste sich in weiterer Folge, nach Entzug der Bundesligalizenz, auf.

Dieses Mal konnte der FC Wacker Innsbruck aber nicht seinen Platz einnehmen. Denn Wacker hatte dieses Mal im Amateurbereich massive Probleme: Die Sponsoren konzentrierten sich auf den Profifußball, auch die Fans blieben weg und passende Spieler zu finden, war damit kaum möglich. 1999 drohte dem FC Wacker der Konkurs und der Verein löste sich, in der Hoffnung, seine Amateur- und Nachwuchsmannschaften in den FC Tirol integrieren zu können, auf.

2002 kam es dann aber – mal wieder – zur Neugründung des FC Wacker. Bis 2007 spielte man als FC Wacker Tirol, seitdem wieder als FC Wacker Innsbruck. Die Umbenennung erfoglte dabei auf Druck der Fans. Apropos: Wacker verfügt über eine sehr treue und engagierte Anhängerschaft. Mehr noch: In Innsbruck gibt es ein buntes und politisches Publikum. Die organisierte Fanszene unterhält darum auch Freundschaften unter anderem zur BSG Chemie nach Leipzig, zu Eintracht Frankfurt und Atalanta Bergamo. Ultragruppen organisieren regelmäßig anti-rassistische Straßenfeste und sammeln dabei Geld für soziale Projekte. Auch in den unteren Ligen – und um die geht es auch in diesem Text gleich nochmal – sorgt man so immer wieder für beeindruckende Kulissen uns ausverkaufte Stadien. Diese Kurve trotz aller Widrigkeiten: Das ist großer Fußball.

Neubeginne drei und vier: Hamburger Investoren und Einstieg aus LA

Sportlich pendelte man zwischen den ersten beiden Ligen, durchaus okay also. Ruhe aber kehrte trotzdem keine ein. Denn der FC Wacker Innsbruck war bereits vor 2020 von finanziellen Problemen geplagt. Trotz einer breiten Fanbasis und einer markanten Geschichte litt der Klub, wie so viele Traditionsvereine, zunehmend unter struktureller Instabilität, fehlenden Sponsorengeldern und wirtschaftlicher Unsicherheit im finanziell immer aufgeblähteren Profifußball. Im Frühsommer 2020 stand der Verein in Angesicht der aufkommenden Pandemie endgültig am Scheideweg: Corona hatte die ohnehin angeschlagene Finanzlage verschärft, Schulden häuften sich, und sportlich dümpelte Wacker im Mittelfeld der zweiten Liga. Eine externe Rettung schien unausweichlich – und genau in diesem Moment traten Investoren aus Hamburg auf den Plan.

Im Juli 2020 präsentierte der Verein den Einstieg einer norddeutschen Investorengruppe rund um den ehemaligen HSV-Profi und Kaufmann Jens Duve. Gemeinsam mit einer Hamburger Unternehmerfamilie wollte man den FC Wacker professionell aufstellen, sanieren – und vor allem zurück in die Bundesliga führen. Die Generalversammlung des Vereins zeigte sich offen für diese „kontrollierte Öffnung“. Mit über 90 % Zustimmung stimmten die Mitglieder für das Konzept, das unter anderem die Gründung einer Wacker Innsbruck GmbH vorsah. Diese sollte künftig den Spielbetrieb verantworten, die Investoren sollten finanzielle Mittel zusichern und über Sitze im Aufsichtsrat Einfluss nehmen. Anders als bei anderen Investorenklubs sollten hier aber die Mitglieder, größtenteils ja Fans, die Mehrheit der Stimmrechte behalten. Deswegen „kontrollierte Öffnung“. Sie wollten die Kontrolle nach den permanenten Umbrüchen verständlicherweise nicht mehr hergeben.

Sportlich lief es zunächst ganz gut. Doch das war – wieder einmal – nur schöner Schein. Denn rasch berichteten lokale Medien wieder über ausstehende Gehaltszahlungen, über verspätete Überweisungen und dann sogar doch auch über unklare Eigentumsverhältnisse in der GmbH. Die zugesicherten Millionenbeträge aus Hamburg blieben zum Teil aus. Mit der Zeit verließen mehrere Vorstandsmitglieder den Verein, es kam zu internen Konflikten und wachsendem Misstrauen. Unter anderem Dennis Aogo, den die Investorenseite im operativen Geschäft installiert hatte, wurde durch die Vereins-Mehrheit sogar entlassen. Die Pandemie-Situation erschwerte zusätzlich das operative Geschäft, Sponsoren blieben weg, Zuschauer durften nur eingeschränkt ins Stadion. Die finanzielle Lage verschlechterte sich in der Folge rapide. Im Frühjahr 2022 wurde das bei Wacker offenbar unausweichliche dann noch einmal Realität: Der Klub musste Insolvenz anmelden, und die GmbH wurde im Juni 2022 offiziell aufgelöst. In der Folge verlor man auch die Zweitliga-Lizenz. Kennt man aber ja schon.

Nach der Insolvenz 2022 und dem Zwangsabstieg aus dem Profifußball startete der FC Wacker Innsbruck einen Neuanfang in der Tiroler Liga, der vierthöchsten Spielklasse Österreichs. Ohne GmbH, als reiner Mitgliederverein. Dabei gelang es dem Verein, innerhalb kurzer Zeit eine konkurrenzfähige Mannschaft aufzustellen – geprägt von Eigenbauspielern, Wacker-Legenden und regionalen Kräften. Im zweiten Jahr gelang so auch bereits der Aufstieg in die drittklassige Regionalliga Tirol. Und in der abgelaufenen Saison wurde man dort direkt Meister und scheiterte es in den Playoffs am Durchmarsch in die zweite Liga. Morgen gehts in der ersten Runde des ÖFB-Cups gegen Rapid Wien – es wird eine spannende Standortbestimmung auf dem Weg zurück nach oben.

Doch der FC Wacker wäre nicht der FC Wacker, wenn man auch jetzt nicht wieder etwas Neues probieren würde: Auf der Generalversammlung im April 2023 stimmten 98 % der Vereinsmitglieder für eine Partnerschaft mit dem Los Angeles Football Club. Dabei entschied man sich dafür, gleich zwei GmbHs zu gründen: Eine Sport-GmbH, in welche der Profifußball ausgegliedert wird, sowie eine Markting-GmbH, die Markenentwicklung und Vertrieb verantwortet. Dabei soll der LA FC, der sich übrigens unabhängig von seiner Joint Venture MCO, die er gemeinsam mit dem FC Bayern betreibt, in Innsbruck engagiert, die Mehrheit an der Sport-GmbH und eine relevante Beteiligung an der Marketing-GmbH übernehmen. Überall behält der Verein jedoch eine Sperrminorität und insbesondere in Stragie- und Personalfragen auch das letzte Wort. Nur von einer „kontrollierten Öffnung“, nicht aber von der Kontrollabgabe oder gar einer formellen Übernahme ist beiderseits die Rede. Konkret hofft man durch dieses Konstruktsicherzustellen, dass einerseits der Verein Wacker Innsbruck die Kontrolle über das Auftreten und die langfristige Ausrichtung des Klubs behält und andererseits die Investitionen aus Los Angeles abgesichert werden.

Trotzdem ist auch das eine Zeitenwende im Fußball: Erstmals ist ein nordamerikanischer Klub der starke Partner bei einer kooperation mit einem Verein aus Europa. Ein vergleichbares Engagement führt der Los Angeles Football Club allerdings auch bei den Grashoppers Zürich, wo der Hollywood-Klub inzwischen sogar Mehrheitsaktionär ist. Ex-FC-Ingolstadt Boss Harald Gärtner koordiniert das Engagement von Los Angeles in Europa übrigens. Etwa vergleichbares jedenfalls unternimmt kein MLS-Klub.

Der LA FC arbeitet dabei regelmäßig vor Ort mit, beteiligt sich auch an Strategieentwicklung, mischt sich aber nicht in das Tagesgeschäft ein – was Vereinspräsident Hannes Rauch in Interviews betont: „Sie lassen die Leute arbeiten.“ Das letzte Wort bei wichtigen Fragen hätte ja ohnehin die Generalversammlung des Vereins. Aber auch die Fans werden aktiv eingebunden. Klingt ebenso ambitioniert wie für Innsbrucker-Verhältnisse auch bodenständig.

Wie lange das gut gehen wird? Vieles spricht dafür, dass der FC Wacker Innsbruck gerade tatsächlich zur Ruhe kommt und endlich eine Organisationsform gefunden hat, die dauerhaften Profifußball in Tirol ermöglicht.

Andererseits haben sie das bei Wacker schon oft gedacht. Und am Ende war doch die Veränderung die einzige Konstante.

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Von admin