Die Geschichte beginnt im Jahr 1932. Während in England bereits seit Jahrzehnten, genauer: seit Ende des 19. Jahrhunderts, eine landesweite Profiliga den Fußball revolutionierte und auch in Ländern wie Spanien, Italien oder Österreich auch bereits Anfang der 1920er moderne Strukturen entstanden, herrschte hierzulande noch ein Flickenteppich im Spielbetrieb. Ganze 55 regionale Ligen – mal Bezirks-, mal Gauligen genannt – kämpften unter dem Dach des DFB als höchste regionale Spielklassen um lokale Vormachtstellungen. Von einheitlicher nationaler Klasse: keine Spur.
Der damalige DFB-Präsident Felix Linnemann erkannte den offensichtlichen Reformbedarf und brachte 1932 die Idee einer „Reichsliga“ ins Spiel – eine echte Eliteklasse nach englischen Vorbild, in der die besten deutschen Klubs den Meister unter sich ausspielen sollten. Doch auf der DFB-Tagung im Oktober desselben Jahres blockten die mächtigen Regionalverbände den Vorstoß rigoros ab. Zu groß war die Angst vor Machtverlust.
Auch die Nazis lehnten eine nationale Spitzenliga ab. Eine britische Idee nach Deutschland zu holen war ihnen zuwider. Dennoch setzten sie eine Ligareform durch: Aus 55 Ligen wurden 16 Gauligen, die sich an der Reichsorganisation insgesamt orientierten und fortan als höchste Spielklasse fungierten.
Während Europa in der Zwischenzeit längst auf Profiliga-Kurs war, blieb der deutsche Fußball damit bis in die Nachkriegsjahre hinein ein föderales Konstrukt im Amateursport. Die neu geschaffenen Oberligen nach dem Zweiten Weltkrieg brachten zwar wieder Struktur, doch das Leistungsgefälle zwischen einigen Topteams und dem breiten Mittelfeld war bei der absurd großen Zahl an Erstligisten natürlich enorm. National waren viele Teams bis zur Endrunde um die Meisterschaft kaum gefordert – international folgte dafür die Quittung: Deutschlands Klubs spielten in den europäischen Vereinswettbewerben, die in den 1950er Jahren entstanden, oft nur Statistenrollen, während spanische und italienische Vereine das Geschehen dominierten.
Das Wunder von Bern überstrahlt den Reformbedarf
Der Ruf nach Veränderung wurde lauter – besonders aus dem Westen. Einer der lautesten Stimmen: Franz Kremer, Präsident des 1. FC Köln, einem Verein, der durch die Fusion vieler Kölner Klubs entstanden ist, um in der Domstadt sportlich die Kräfte zu bündeln. Für ihn war folglich klar: „Tradition ist kein Geschäftsmodell.“ 1949 gründete er die „Interessengemeinschaft Bundesliga und Berufs-Fußball“.
Mit dieser Organisation leistete Kremer massiv Lobbyarbeit. So sehr bis er 1958 einen außerordentlichen DFB-Bundestag durchsetzen konnte, der sich mit der einführung einer Westdeutschland-weiten Liga befassen sollte. Doch der DFB tat sich weiter schwer mit diesem Gedanken. Funktionäre fürchteten, dass sich eine Professionalisierung der Strukturen und sportlicher Wettbewerb nicht vereinbaren ließen. Zahlungsunfähigkeit, Wettbewerbsverzerrung, der Ausverkauf des Spiels – die Ängste der Bosse waren vielfältig. In den Hinterköpfen prägte außerdem noch immer das Wunder von Bern das Bild der Funktionäre vom deutschen Fußball, davon, dass man international den Anschluss verliert, wollte man erst einmal nichts wissen. Und so scheiterte auf diesem DFB-Bundestag ein erster Versuch zur Gründung der Bundesliga. Ein Rückschlag für alle Reformer.
Scheitern in Chile: Plötzlich geht alles ganz schnell
Dann kam die WM 1962. Wir befinden uns in Santiago de Chile. Die Gruppenauslosung schien auf dem Papier machbar: Italien, die Schweiz und Gastgeber Chile. Im Auftaktspiel gegen Italien gelang ein respektables 0:0, im zweiten Spiel folgte ein knapper 2:1-Sieg gegen die Schweiz. Die Hoffnung lebte. Doch das letzte Gruppenspiel gegen Chile offenbarte bereits erste Risse im Fundament. Zwar reichte ein 2:0-Sieg zum Weiterkommen, doch die spielerische Darbietung war fahrig, uninspiriert. Im Viertelfinale wartete dann Jugoslawien. Die DFB-Elf wirkte auch hier ideenlos, sogar körperlich unterlegen, vor allem aber: taktisch unflexibel. In der 85. Minute fiel das entscheidende Tor – für Jugoslawien. Mit einer 0:1-Niederlage schied Deutschland bereits im Viertelfinale aus. Damit konnten auch die deutschen Funktionäre nicht mehr übersehen, dass der deutsche Fußball den Anschluss verlieren würde.
Kurzum: Der sportliche Stillstand, der aus dem Nebeneinander der fünf Oberligen resultierte, war nicht mehr zu übersehen. Viele Nationalspieler kamen aus eher schwach besetzten Regionalstaffeln und waren im Ligaalltag deswegen kaum gefordert. Internationale Gegner, die Woche für Woche in starken nationalen Wettbewerben antreten mussten, wirkten im direkten Duell schneller, moderner und auch besser ausgebildet. Der DFB geriet damit nun unter Druck. Auf dem Bundestag 1962 kam darum rasch Bewegung in eine offensichtlich überfällige Strukturreform. Und das mit richtig viel Tempo.
Am 28. Juli 1962, also nur knapp einen Monat nach dem WM-Aus, stimmen die Delegierten in Dortmund mehrheitlich für die Einführung einer landesweiten Bundesliga – und das schon zur Saison 1963/64. „Eine Bundesliga ist kein Risiko, sondern eine Notwendigkeit“, argumentierte Franz Kremer. Und sollte damit Recht behalten.
16 Teams spielen die erste Bundesligasaison – Bayern München nicht
16 Mannschaften gingen ein Jahr später in der Premierensaison an den Start. Dabei entschied allerdings nicht allein die sportliche Leistung der Vorsaison, sondern ein komplexes Punkte- und Bewertungssystem, das Rücksicht auf sportliche Erfolge der letzten zehn Jahre, „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ und „Zuschauerschnitt“ nahm, welche Mannschaften mit dabei sein sollten. Das sollte ein Kompromiss zwischen Tradition, Erfolg und Potenzial werden, war aber natürlich vor allem ausgleichende Verbandspolitik.
Ausgewählt wurden: Der 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt, der 1. FC Kaiserslautern, Hertha BSC, der Karlsruher SC, der Meidericher SV (heute MSV Duisburg), der SC Preußen Münster, der 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund, der Hamburger SV, Werder Bremen, Eintracht Braunschweig, der FC Schalke 04, der VfB Stuttgart und TSV 1860 München. Gerade aus heutiger Sicht auffällig: Der FC Bayern fehlt. Der spätere Rekordmeister stieg erst 1965, also vor genau 60 Jahren, in die Bundesliga auf.
Erwähnenswert ist auch diese Ankedote von vor 60 Jahren: Die Disqualifikation von Hertha BSC. Denn in den 1960er Jahren galt auch in der Bundesliga noch eine strikte Regelung zur Amateur- bzw. Halbprofi-Vergütung. Spieler durften offiziell nur eine begrenzte Entlohnung erhalten (zum Beispiel einen Mix aus Prämien und geringen Gehältern). Hertha BSC hatte jedoch Spielern unter der Hand deutlich höhere Summen gezahlt. Der DFB beschloss deswegen 1965 den Zwangsabstieg. Doch der Lizenzentzug brachte den DFB gleichzeitig auch in eine heikle Lage. Denn: Die Bundesliga sollte unbedingt einen Verein aus West-Berlin dabei haben. Deshalb wurde der frei gewordene Platz nicht durch einen sportlich qualifizierten Verein ersetzt, sondern politisch besetzt: Tasmania Berlin wurde als zweibester Klub aus West-Berlin direkt in die Bundesliga aufgenommen – und ging als bis heute schlechtestes Team und direkter Wiederabsteiger in deren Geschichte ein.
Hier noch die wichtigsten Rahmendaten: Das erste Spiel fand am 24. August 1963 statt, zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen, das erste Tor fiel in der ersten Minute, Timo Konietzka traf für den BVB. Funfact dazu: Dieses Stück Geschichte wurde nicht im Fernsehen aufgezeichnet, weil die Kamera zu spät eingeschaltet wurde. Erster Meister wurde der 1. FC Köln. 57 Mannschaften spielten bislang in der Bundesliga. Der letzte Neuling war der 1. FC Heidenheim 2023.
Auch Wettskandale und massive Probleme bei der Integration der ehemals ostdeutschen Vereine in den Wettbewerb erschütterten die Bundesliga. Nichtsdestoweniger ist ihre Einführung unterm Strich eine Erfolgsgeschichte. Ein Beeispiel: 11.653.239 Menschen besuchten in der letzten Saison ein Erstligaspiel, das wird, wenn auch knapp, nur von der englischen Premier League übertroffen. Aber: Mehr als 30.000 Menschen besuchten letzte Saison im Schnitt die Spiele der 2. Bundesliga – das ist Weltrekord!
Und auch wenn die Einführung der Bundesliga mehr Geld ins System Fußball in Deutschland gebracht und damit auch die Kapitalisierung befeuert hat – ein Liga-Ausschuss wegen zu hoher Gehälter hört sich tatsächlich aus heutiger Sicht ganz schön surreal an (oder verrückterweise amerikanisch, wie FanLeben.de hier erklärt hat) – kommen auch Nostalgiker*innen auf ihre Kosten: Denn die 50-Plus-1-Regel sichert bis heute, dass die Vereine und damit die Fans den Profisport demokratisch kontrollieren und mitbestimmen. Erfolgreicher und moderner Fußball ist also möglich ohne die Seele des Spiels zu verkaufen – und das ist gut so!
Über die Zukunft der 50-Plus-1-Regel hat FanLeben.de hier berichtet. Hier gibt es zudem den Vergleich, ob mitgliedergeführte Vereine oder Investoren-bestimmte Klubs sportlich erfolgreicher sind.