Immer wieder geraten besondere Vereine in tiefe Krisen, stürzen ab und die Fußballwelt fragt sich: Wie konnte es dazu kommen? In Deutschland geht es vielen Traditionsvereinen so. Doch darüber wird an vielen Stellen schon ausführlich diskutiert. Hier auf FanLeben.de schauen wir deswegen ins Ausland und widmen uns in detaillierten Recherchen der bitteren Realität von Vereinen, die wir im internationalen Fußball heute vermissen. Im ersten Teil der Serie ging es um Vitesse Arnheim, im zweiten Teil folgte Bursaspor. Heute reisen wir nach Spanien und besuchen den FC Malaga.

Joris Mathijsen, Martin Demichelis, Ruud van Nistelrooy, aber auch Roque Santa Cruz – Ab 2011 spielten einige in Deutschland bekannte Fußballnamen beim FC Malaga. Trainer wurde zudem Weltstar Manuel Pellegrini, der unter anderem auch Santi Carzola, Isco, Jeremy Toulalan und Sergio Asenjo nach Andalusien holte. Malaga wurde damit, quasi über Nacht, vielen Fußballfans hierzulande ein Begriff und mit einigem Interesse verfolgt.

Wobei – das Pellegrini Demichelis, van Nistelrooy und Co. nach Malaga holte, das stimmt nicht ganz. Denn tatsächlich war es so: Im Juni 2010 kaufte tatsächlich der katarische Scheich Abdullah bin Nasser Al Thani den Klub. Der katarische Geschäftsmann stammt aus der königlichen Familie Katars. Sein Einstieg beim FC Malaga kam damals trotzdem ganz schön überraschend – heute würde man sagen: überstürzt. Öffentlich sprach er jedenfalls erst mal von einem langfristigen Engagement und dem Wunsch, den Klub in die „Top 5 Europas“ zu führen, sportlich wie wirtschaftlich. Vor allem aber versprach er, sofort die angehäuften über Jahre Schulden des Vereins zu tilgen. Al Thani präsentierte sich als Visionär, doch über seine tatsächliche Rolle im Fußballgeschäft blieb vieles vage. Was feststeht: Er verfügte über erhebliche finanzielle Mittel und schien bereit, sie für ein sportliches Großprojekt einzusetzen.

Wie Al Thani auf Malaga gekommen ist? Die Geschichte des Klubs reicht – mit Unterbrechungen und Umstrukturierungen – zurück bis 1904, doch in seiner heutigen Form existiert er seit 1994, nach der Auflösung des Vorgängervereins CD Málaga und der Neugründung einer Sportaktiengesellschaft, über die FanLeben.de hier bereits berichtet hat. Die 90er-Jahre waren geprägt vom Wiederaufbau – erst durch die unteren Ligen, dann 1999 der ersehnte Wiederaufstieg in die Primera División. 2002 konnte man zudem den UEFA Intertoto Cup gewinnen. Malaga verfügte dabei über all die Jahrzehnte über eine treue und engagierte Fanbasis, vor allem aber ist es eine Tourismus-Stadt, damit vielen Menschen bekannt, was für die Vermarktbarkeit des Vereins spricht. So soll der katarische Investor auch auf gerade diesen Standort gekommen sein.

Der Sommer 2011 war dann ein Ausrufezeichen: Binnen weniger Wochen verpflichtete Malaga mit dem Investorengeld, rund 170 Millionen Euro, zahlreiche namhafte Spieler. Doch Al Thanis Team, zu dem neben Pellegrini auch der spätere spanische Nationaltrainer Fernando Hierreo als Sportdirektor gehörte, investierte klug, denn auch viele junge, talentierte Spiele wurden geholt. Auch achtete man darauf, auch Spielern aus dem Umfeld des Klubs, also dem eigenen Nachwuchs und den Akademien anderer Vereine in Andalusien, den Sprung in die Mannschaft zu ermöglichen. Beispielsweise bei Isco klappte das bestens. So enstand eine heterogene und entwicklungsfähige Gruppe, mit klarer Hierachie, zusammengestellt mit konkreter Spielidee.

Der Kopf hinter dem Plan war dabei der Trainer. Der Schlüssel zur Vision Al Thanis war also die Verpflichtung von Manuel Pellegrini im November 2010. Der Chilene galt als taktisch versiert, ruhig und souverän im Umgang mit großen Namen. Unter ihm entwickelte sich Malaga spielerisch dann auch rasant weiter. Dazu gleich mehr.

Aber erst einmal gehen wir auf die dritte Säule ein, in die Al Thani erst einmal investierte: Das Umfeld des Klubs. Denn das Malaga so rasch so bekannt wurde, lag nicht nur an den wohlklingenden Fußballnamen, die man holte, sondern auch hier an einem klaren Entwicklungsplan: Ein neues Trainingszentrum wurde angekündigt. Es gab Gespräche über ein neues Stadion. Die internationale Markenbildung wurde forciert, besonders in Asien und im arabischen Raum. Malaga wurde deswegen plötzlich auf rennomierte Einladungsturniere eingeladen, die Trikots waren zudem erstmals auch weltweit erhältlich.

Jetzt aber zum Sport. In der Saison 2011/12 wurde Malaga direkt und damit sensationell vierter in Spaniens Premiera Division, damit qualifizierte sich der Klub erstmals für die Champions League. Dort ging diesportliche Erfolgsgeschichte sogar noch weiter: Pellegrini führte das Team nämlich 2013 bis ins Champions-League-Viertelfinale.

Doch schon währenddessen taten sich massive Risse im Konstrukt auf. Bereits 2012 blieben Rechnungen unbezahlt, klagten Spieler über ausstehende Gehälter. Schließlich griff auch die UEFA ein: Malaga wurde wegen Verstoßes gegen das Financial Fairplay von europäischen Wettbewerben ausgeschlossen. Die neugewonnen Stars und auch Trainer Manuel Pellegrini verließen den Klub.

Der Investor verlor damit rasch das Interesse an seinem Spielzeug. Und der Rückzug von Scheich Al Thani aus dem operativen Geschäft verlief dabei weder koordiniert noch verantwortungsvoll, sondern überstürzt, undurchsichtig und chaotisch. Von einem Tag auf den anderen verzichtete auf öffentliche Erklärungen, erschien nicht mehr bei Spielen und reagierte kaum noch auf Kritik oder Forderungen nach Klarheit. Der ehemals embitionierte Star-Scheich wurde zum Phantom. Selbst im Verwaltungsrat wuchs die Unzufriedenheit, doch Al Thani, der dem Verein auch den Geldhahn zugedreht hatte und selbst die relevantesten finanziellen Forderungen unbedient ließ, weigerte sich Malaga wieder zu verkaufen.

Der FC Malaga war damit über Jahre de Facto handlungsunfähig. Es folgte der sportliche Abstieg. Schrittweise. Fast schon bemerkenswert positiv ist es, dass es den sportlich Verantwortlichen gelungen ist, den Klub noch bis 2018 in La Liga zu halten. Erst dann rutschte man endgültig in die Zweitklassigkeit. Denn seinen wichtigsten Zweikampf führte Malaga in dieser Zeit längst neben den Platz – gegen den eigenen Besitzer. 2019 gewann man immerhin den: Ein spanisches Gericht entzog der Familie Al Thani da nämlich die Kontrolle über den Verein und setzte einen vom Gericht bestellten Verwalter ein. Der Vorwurf: Fehlwirtschaft, Veruntreuung und Untreue. Einem internen Bericht zufolge sollen Millionen aus Klubkonten in private Kanäle geflossen sein – darunter Luxusautos und persönliche Ausgaben der Familie. Und das während selbst Spieler und andere Mitarbeiter*innen des Vereins zeitweise keine Gehälter ausgezahlt bekamen.

Mit dem Urteil wurde der FC Malaga immerhin wieder etwas handlungsfähiger. Trotzdem blieb der Schuldenberg, der unter Al Thani ja weiter gewachsen statt abgebaut worden war. In den ersten Jahren lief es in der zweiten Liga ganz okay für Malaga, man spielte oben mit. Der Wiederaufstieg gelang jedoch nicht. Und so rutschte man in der folge immer weiter nach unten ab, bis 2023 der Abstieg in die dritte Liga nicht mehr zu verhindern war. Erstmals nach 25 Jahren war der FC Malaga wieder ein Drittligist. Seitdem pendelt man zwischen Zweit- und Drittklassigkeit. Eine Besserung: Nicht zu sehen.

Denn das Damlokesscwert Al Thani schwebt immer noch über dem Verein. Zwar hat der Scheich die Kontrolle über den Verein bis heute nicht zurückerlang, weil er sich weigert, die gerichtlichen Auflagen, wie die Rückgabe des entwendeten Geldes und die Begleichung offener Rechnungen, zu erfüllen, aber formal besitzen er und seine Familie immer noch 97% aller Aktien des FC Malaga. Immer wieder wollten in den letzten Jahren andere Investoren, aber auch lokale Unternehmer und Faninitativen den FC Malaga übernehmen, aber das werte Al Thani ab. Er weigert sich zu verkaufen. Das Gericht prüfte darum auch die Möglichkeit einer Enteignung des Scheichs – bislang vergeblich.

Wirkliche Besserung ist beim Team aus Andalusien darum erst einmal nicht in Sicht. Und das obwohl die Verantwortlichen unter der Verwaltung des Gerichts wirklich ansehnliche Arbeit leisten. Beispiel der bereits erwähnten Jugendarbeit: Die Jugendmannschaften des FC Malagas spielen noch immer erstklassig. Eigengewächse bilden so auch längst den Kern der ersten Mannschaft. Zudem unterhält Malaga ein Acuerdo Marco mit über 70 regionalen Partnervereinen, darunter Antequera CF, Puerto Malagueño und Roma Luz CF, um Talente früh zu entdecken und zu halten. Und für die Talente, die keine Profis werden, gibt es ein enges Netzwerk an lokalen Bildungsträgern, um Ausbildungs- und Studienplätze zu vermitteln. Mit den Verkäufen mancher Eigengewächse sind dabei auch Transferüberschüsse gelungen. Anwalt José María Muñoz, der den Verein seit 2020 im Auftrag des Gerichts führt, konnte so sogar einen Teil des Schuldenberges abtragen. Es wird also wieder mit einem konkreten Konzept gearbeitet – dieses Mal sogar langfristig.

Etwas Anlass zur Hoffnung gibt es also doch.

Für die Fans freut einen das.

Trotzdem ist der FC Malaga heute vor allem ein mahnendes Beispiel dafür, wie zwielichtige Investoren im Fußball alles kaputt machen können.

Und wie mühsam der Weg zurück ist.

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Von admin