Drei Millionen Trikots zur letzten Männer-Europameisterschaft, zwei Millionen zur Copa America – das zeigt: Adidas ist bei den Fußballfans die aktuell gefragteste Sportmarke. Kein Wunder, wenn Vereine wie Real Madrid, der FC Bayern München oder Juventus Turin mit den drei markanten Streifen auf dem Jersey auflaufen und Topstars wie Lionel Messi, Jude Bellingham oder auch Lamine Yamal exklusiv bei der Traditionsmarke unter Vertrag stehen.
Adidas, das betont nicht zuletzt das Unternehmen selbst, verkörpert für viele Fans eine einzigartige Symbiose aus modernster Technik und spektakulärer Tradition. Apropos: Durch Letztere wird Adidas trotz allem immer noch als nahbar wahrgenommen. Adidas-Gründer Adi Dassler, der während des Finals der Männer-WM 1954 an der Seite von Sepp Herberger steht und mit „seinen“ Schraubstollen das „Wunder von Bern“ erst ermöglicht – diese Anekdote aus der Firmengeschichte kennt in Deutschland jeder Fußballfan. Und dass die zweitgrößte Sportmarke der Welt ihren Sitz immer noch im – so sagt man – „beschaulichen Herzogenaurach“ hat, wirkt irgendwie trotz allem bodenständig.
Doch ganz so idyllisch geht es bei Adidas natürlich nicht zu. Die Firma war immer wieder in Skandale verwickelt, Korruptionsskandale zum Beispiel. Jetzt gerade aber begeht das Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern ein echt grobes Foulspiel: Der Sportartikel-Konzern Adidas schert aus der Tarifbindung aus. Darüber hat der Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDS/L) die zuständige Gewerkschaft IGBCE informiert. Konkret bedeutet das, dass Adidas seine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum 1. September von einer ordentlichen zu einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung umwandeln wird.
Was bedeutet das? Ab dem 1. September werden für die 8000 Beschäftigten, 3500 davon allein in Herzogenaurach, die weiteren 5500 Beschäftigten in den großen Logistikzentren in Bayern in Uffenheim und in Scheinfeld sowie im niedersächsischen Rieste und in den Adidas-Stores des Konzerns keine neuen Tarifabschlüsse mehr gelten. Für alle ab dem 1. September neu eingestellten Beschäftigten gelten gar keine Tarifverträge mehr.
Dabei meldete Adidas für das Geschäftsjahr 2024 gerade erst einen Umsatz von knapp 24 Milliarden Euro sowie eine starke operative Erholung mit einem Gewinn von rund über einer Milliarde Euro – ein bedeutender Turnaround nach dem Verlustjahr 2023.
Die zuständige Gewerkschafterin, IGBCE-Vize Birgit Biermann, kann die Entscheidung des Unternehmens in der Folge auch gar nicht nachvollziehen: „Mit dem Austritt aus der Tarifgemeinschaft verlässt Adidas den Pfad von Sozialpartnerschaft und Fairplay. Die Beschäftigten sind bei der Entwicklung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen künftig komplett dem Willen ihres Managements ausgesetzt.“ Sie kündigt sogar an: „Das werden wir nicht akzeptieren!“ Theoretisch drohen bei Adidas jetzt also Streiks – pünktlich zum Saisonstart.
Vor allem aber ist Biermann entsetzt, dass einer der großen Namen der deutschen Wirtschaft aus der Tarifbindung ausschert, während Politik und Gesellschaft gerade alle Anstrengungen unternehmen, wieder mehr Menschen unter den Schutz von Tarifverträgen zu bringen. Denn erst gestern hat nämlich die Bundesregierung das Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht. Die stellvertretende IGBCE-Vorsitzende macht darum deutlich, dass Adidas unter den 40 DAX-Konzernen „nun zu einer kleinen Minderheit von Tarifflüchtigen“ gehöre. Auf der anderen Seite unter anderem der ewige Rivale Adidas’: PUMA beschäftigt nach Tarif. Biermann folgert deswegen, dass Adidas sich damit auch selbst schade. Denn in Zeiten wachsenden Fachkräftemangels reiche es laut der Gewerkschafterin nicht aus, allein auf die Zugkraft einer Marke zu setzen: „Dieses Unternehmen wird durch die Belegschaft getragen, und die Beschäftigten verlangen Sicherheit, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit bei Entgelt, Arbeitszeiten und -bedingungen – und die gibt es nur mit Tarifvertrag.“
Adidas selbst hat sich zu seiner Entscheidung nicht öffentlich geäußert. In einem internen Schreiben an die Mitarbeitenden, das FanLeben.de vorliegt, kritisiert man jedoch die aktuelle Tarifforderung der IGBCE. Diese fordert neben einer Entgelterhöhung von 7 % vor allem, dass auch hochqualifizierte und bislang außertariflich Beschäftigte in die Tarifbindung gebracht werden. Aber genau daran stört sich Adidas – ungewöhnlich für ein Unternehmen, das sein Geschäft doch eigentlich mit Teamplay macht.