Am 8. April 2025 veranstaltete der insolvente Regionalligist 1. FC Düren aufgrund des massenhaften Kündigungsverhaltens seiner kompletten Mannschaft ein außergewöhnliches „Spieler-Casting“ auf seiner Westkampfbahn, bei dem rund 30 vereinslose Spieler teilnahmen. Unter der Leitung des Fußball-Influencers Bilal Kamarieh wurde gemeinsam mit Vereinsverantwortlichen eine Jury gebildet, die in mehreren Challenges, darunter Sprint-, Technik- und Sieben-gegen-Sieben-Spiele, zehn Spieler auswählte, die bis zum Saisonende in der Regionalliga eingesetzt werden sollten. Die Sache lief mäßig: Im ersten Spiel mit gecasteten Neuzugängen traten nur einer in der Startelf und ein paar auf der Bank an – die Mannschaft unterlag dem MSV Duisburg deutlich mit 0:6.

Diese Aktion war schon außergewöhnlich.

Beim VfB Lübeck wird es jetzt aber noch außergewöhnlicher.

Der VfB Lübeck hat nämlich gravierende finanzielle Probleme und konnte für die kommende Saison, lange kaum Spieler unter Vertrag nehmen. Weitere Neuzugänge wurden also gesucht. Doch auf der Mitgliederversammlung betonte Vorstandschef Dieter Gudel, dass man aktuell nur noch Spieler verpflichten könne, „die noch Geld mitbringen“. Was das bedeutet? Sportvorstand Sebastian Harms konkretisiert: Im Wesentlichen werden Leihspieler gesucht, deren Gehalte durch ihre bisherigen Vereine gedeckt werden, aber auch junge Talente, explizit aus wohlhabenden Familien, werden gesucht, wenn deren Agenturen ein längerfristiges Entwicklungsinteresse hätten, die Spieler den VfB deswegen nichts kosten und die Familien am liebsten noch Sponsor*innen werden.

Zwei Beispiele die zeigen: Die Regionalliga steckt in der Krise.

Konkret stecken viele Regionalligavereine in einer finanziellen Krise, weil die Einnahmen aus TV-Geldern und Sponsoring im Vergleich zu den höheren Ligen äußerst gering ausfallen. Beispiel Fernsehgelder: Kaum 10.000 Euro machen viele Regionalligisten damit pro Saison – in der dritten Liga sind es immerhin etwas mehr als eine Million Euro pro Team. Gleichzeitig steigen die Kosten für Personal, Infrastruktur und Sicherheitsauflagen stetig an, was besonders semiprofessionell geführte Klubs stark belastet. Die ungleiche Verteilung von Geldern im deutschen Ligasystem verschärft die Lage zusätzlich, sodass viele Viertligisten auf Spenden, Mäzene oder riskante Finanzmodelle angewiesen sind. Besonders betroffen sind Vereine mit ehemaligen Profistrukturen oder hohen Fixkosten.

Hinzu kommt, dass viele Vereine auf Aufstieg spekulieren und dafür hohe finanzielle Risiken eingehen. Doch der Aufstiegsmodus zur 3. Liga ist in der Regionalliga besonders hat, da es fünf Staffeln (Nord, Nordost, West, Südwest und Bayern), aber nur drei Aufstiegsplätze gibt. Zwei dieser Plätze sind fix an die Meister der Regionalligen Südwest und West vergeben – die sportlich und strukturell als stärkste Staffeln gelten. Den dritten Aufsteiger ermitteln die Meister der übrigen drei Ligen im jährlichen Wechsel: Ein weiterer Staffelmeister steigt direkt auf, die beiden anderen spielen in einer Relegation mit Hin- und Rückspiel gegeinander. Hier gilt: Der Gewinner steigt auf, der Verlierer nicht.

Gegen diesen Modus gibt es jedoch zunehmend Protest. Die Initiative „Aufstiegsreform 2025: Meister müssen aufsteigen“ wurde am 12. Februar 2025 in Chemnitz von Vereinen der Regionalliga Nordost ins Leben gerufen, darunter Chemnitzer FC, FC Carl Zeiss Jena, Hallescher FC, FC Rot-Weiß Erfurt und FSV Zwickau. Ihr Ziel besteht darin, dass künftig alle fünf Regionalliga-Meister direkt in die 3. Liga aufsteigen dürfen, ohne Relegationsspiele. Ursprünglich von 17 Clubs aus dem Nordosten gestartet, hat die Initiative inzwischen rund 33 Unterzeichner-Vereine aus ganz Deutschland gewonnen.

Der DFB, vertreten durch Präsident Bernd Neuendorf, signalisierte in einem Gespräch auf dem DFB‑Campus deutliches Verständnis für die Kritik an der bestehenden Aufstiegsregelung, betonte jedoch, dass die Struktur der 3. Liga, also 20 Teams und vier Absteiger, unverändert bleiben solle. Faktisch ist das eine Ablehnung der Initative. Der nächste Schritt liegt nun bei den Initiatoren, die Gespräche mit den Regionalverbänden im DFB im Sommer 2025 intensivieren wollen, mit dem Ziel, beim DFB-Bundestag am 7. November 2025 eine einvernehmliche Lösung zu beschließen.

Ob das gelingt? Heute wurde immerhin die Gründung einer Arbeitsgruppe bekannt gegeben, die einen konkreten Lösungsvorschlag entwickeln soll. Darauf haben sich die Präsidenten aller DFB-Landesverbände geeinigt. „Ich freue mich, dass wir uns einvernehmlich mit allen Landesverbandspräsidenten auf unser Ziel geeinigt haben, eine Arbeitsgruppe zum Thema Aufstiegsreform zu bilden“, sagte Hermann Winkler, Präsident des Sächsischen (SFV) und Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV).

Winkler ist in den Gesprächen vor allem eins wichtig gewesen: Dass dieses Gremium seine Arbeit bereits vor dem Bundestag am 6. November aufnimmt. So hätte man im November auf dem Bundestag schon erste Gesprächsergebnisse. Die Reform wurde zuletzt bei allen Regionalliga-Staffel-Tagungen thematisiert. Bislang war davon ausgegangen worden, dass eine solche Arbeitsgruppe frühestens beim DFB-Gipfel eingesetzt werden könnte. So ist es jetzt das offiziell Ziel, zur übernächsten Saison, also zur Spielzeit 2027/28, eine Reform umsetzen zu können. Für Fußball-Verhältnisse wäre ziemlich schnell.

Aber worüber soll in der Arbeitsgruppe konkret diskutiert werden? Mögliche Lösungen wären etwa die Reduktion der Regionalliga auf vier Staffeln oder einer zweigleisigen 3. Liga. Die aber wollen viele Profivereine in den ersten beiden Ligen nicht, damit die Kluft zwischen 2. Bundesliga und der Drittklassigkeit nicht wieder erhöht wird.

Trotzdem haben die Regionalligaklubs natürlich Recht: Meister müssen aufsteigen! Fünf Absteiger wären bei einer 20-Teams-starken 3. Liga dabei durchaus auch vermittelbar.

Aber ob am Ende auch wirklich die naheliegenste Lösung umgesetzt wird? Einen anderen Lösungsvorschlag hat hingegen ausgerechnet Jürgen Klopp – mittlerweile Head of Global Soccer von Red Bull. Er fordert: Die zweiten Mannschaften der Erst- und Zweitligisten sollen nicht mehr in den Regionalligen antreten dürfen, sondern einen eigenen Wettbewerb ausspielen. Klopp erhofft sich davon eine bessere Talentförderung. Für die Regionalligisten an dieser Idee attraktiv: Viele zweite Mannschaften bringen nicht viele Fans mit, das bedeutet geringe Einnahmen. Würden ihre Plätze durch erste Mannschaften anderer Vereine nachbesetzt, könnte der Zuschauerschnitt in en Regionalligen insgesamt steigen. Andererseits ist es eine Stärke der deutschen Talentausbildung, dass junge Spieler in die Seniorenligen integriert werden, dort in Sachen Körperlichkeit und echter Wettkampfshärte wichtige Erfahrungen sammeln.

Außerdem ist die Qualität in den Regionalliga-Staffeln schon jetzt ungleich verteilt. Während aus der West- und Südwest-Staffel die letzten Aufsteiger wie Elversberg, Ulm oder Essen durchaus gut in der dritten Liga mithalten konnten, teilweise sogar bis in die zweite Liga durchmarschierten, gab es aus den den Nord-Staffeln sowie aus Bayern zuletzt vor allem direkte Wiederabsteiger.

Trotzdem: Eine Aufstiegsreform und auch ein Ausschluss der U21-Mannschaften wird die Regionalligen allein nicht retten. Auch auf mehr Fernsehgelder zu hoffen, ist absurd. Der TV-Rechte-Markt ist schon jetzt überhitzt, Wachstumstendenzen zeichnen sich gerade, wenn überhaupt, akuell nur im Frauenfußball, der zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz gewinnt, ab.

Doch die Regionalliga wird als Schnittstelle zwischen Profi- und Amateurfußball gebraucht. Ohne Schnittstelle keine Durchlässigkeit. Außerdem sorgt allein das dichte Netz an Fußballvereinen deutschlandweit dafür, dass Talente früh gesichet und damit irgendwann zu den Topklubs kommen können. Damit der deutsche Fußball funktioniert, braucht es also auch funktionierende Regionalligen. Es ist deswegen die Aufgabe von DFL und DFB dafür sorgen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Regionalligavereinen nachhaltiges Wirtschaften und finanzielle Sicherheit ermöglichen. In den fünf Regionalligen spielen ungefähr 20 Vereine, jeden mit 100.000 Euro zu unterstützen, würde also 10 Millionen Euro kosten. Bei ca. 1,75 Milliarden TV-Rechte-Einnahmen pro Jahr in der 1. und 2. Bundesliga wäre das locker stemmbar. Das würde alle Regionalligaklubs ordentlich absichern. Ohne zweite Mannschaften könnte um die Staffeln zudem eine neue Euphoriewelle zumindest in den Stadien entstehen, die Werbung für das Erlebnis Fußball machen würde und vielleicht wieder mehr Menschen, insbesondere Kinder, für die aktive Mitgliedschaft in Vereinen gewinnen würde. Gerade wenn der Wettbewerb mit ebenso vielen Drittliga-Absteigern wie Regionalliga-Staffeln wieder fair würde.

Und so würde sichergestellt, dass in Zukunft weder Influencer den Rückrunden-Kader scouten noch nur noch Millionärssöhne mitspielen können.

Transparenzhinweis: Dieser Text erschien bereits vor einigen Wochen anlässlich des Spielercastings in Lübeck auf FanLeben.de und wurde jetzt um die tagesaktuellen Informationen aktualisiert.

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Von admin