„Wir haben klar gesagt: ‚Wir möchten am Freitag oder Samstag spielen, wenn es irgendwie möglich ist.‘ Wir haben alles versucht, ich habe nicht einen Hinweis bekommen, dass die Herren vom DFB sich bemüht haben, eine Lösung zu finden“, schimpfte Heidel vor dem Anpfiff im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion am Montag und bezeichnete die Verantwortlichen für die Ansetzung der Spielpaarungen beim DFB als „Schreibtisch-Akrobaten“.
Denn: Bereits am Donnerstag (18 Uhr), also nur drei Tage nach dem Pokalspiel in Dresden, das immerhin mit 1:0 gewonnen wurde, sind die Mainzer international in der Qualifikation zur Conference League bei Rosenborg Trondheim gefordert. Insgesamt stehen so in 15 Tagen fünf Spiele an – eine gesundheitsschonende Belastungssteuerung ist da kaum mehr möglich.
Die Nicht-Verlegung des Pokalspiels kann Mainz-Boss Heidel dabei vor allem deswegen nicht verstehen, weil „es um den deutschen Fußball“ ginge. Dass die Partie am gestrigen Montag statt bereits am Wochenende stattgefunden hat, lag dabei an einem Stadtfest in Dresden, wegen dem aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht gleichzeitig auch noch ein Fußballspiel dieser Größenordnung stattfinden sollte. Einer Verlegung auf einen noch späteren Zeitpunkt hätte auch Dynamo zustimmen müssen, was die aber nicht taten, wohl aus der Überlegung heraus, gegen Mainz vor allem zum jetzigen Zeitpunkt, vor dem ersten Pflichtspiel der 05er, eine Chance auf das Weiterkommen zu haben.
Christian Heidels Analyse klingt darum wie eine Abrechnung mit den Planern beim Fußball-Verband DFB: „In Dresden war völlig klar, dass dieses Stadtfest stattfindet, also war auch klar: Wenn die Begegnung Dynamo Dresden gegen Mainz 05 ausgelost wird, muss was gemacht werden.“ Weil aber nichts passierte, ist seine Folgerung, dass man erst nach der Auslosung beim DFB angefangen habe, „mal nachzudenken“. Heidel verriet auch, dass man den Mainzer die Nicht-Verschiebung auch damit begründet habe, dass das Fernsehen nicht mitspielen würde. Das sei aber gar nicht der Fall, denn: „Wir haben mit dem Fernsehen gesprochen. Wir haben mit beiden Sendern gesprochen: Keiner weiß etwas davon!“ Nun.
Der Mainz-Boss fordert für die Zukunft mehr Rücksichtsnahme. Die Conference-League-Teilnehmer sollten generell von Montagsspielen ausgeschlossen werden.
Das Thema Belastungssteuerung ist allgegenwärtig im Fußball. Kamen Topspieler vor zehn Jahren noch auf rund 40 bis 45 Spiele pro Jahr, sind es heute schon weit über 50, Nationalspieler können sogar auf mehr als 60 Spiele Saison kommen. Real Madrids Federico Valverde und Benficas Nicolás Otamendi absolvierten so auf Klub- und Nationalmannschaftsebene über 6.000 Minuten Spielminuten. Die Differenz klingt erst einmal gering, aber wenn man überlegt, dass es im Regelfall nicht mehr als zwei Spiele pro Woche geben sollte, wird schnell klar, wie dramatisch sich die Erholungsphasen für die Spieler bereits reduziert haben. Es braucht eine Entschlackung des Wettbewerbskalenders.
Gerade jetzt hat Gianni Infantino aber auch seine Bilanz zur FIFA Klub WM vorgestellt. Und denkt dabei in eine gegenteilige Richtung. Wie die Zeitung „The Guardian“ berichtet, denkt die FIFA über eine Ausweitung auf 48 statt 32 Teams nach. Außerdem könnte das Turnier ab 2029 im zweijährlichen statt im vierjährlichen Rhythmus stattfinden. Es soll sogar Überlegungen gegeben haben, die Klub-WM schon im Jahr 2027 wieder auszutragen. Dies ist jedoch ein unrealistisch, weil der internationale Spielkalender ist bis 2030 festgelegt. Dieser wird von der FIFA und der Europäischen Klubvereinigung (ECA) definiert.
Bei seiner Expansions-Idee bekommt der FIFA-Präsident wohl Rückendeckung von Real Madrid – aber auch von anderen europäischen Spitzenmarken, wie dem Hochverschuldeten FC Barcelona oder von Manchester United und dem FC Liverpool, deren Besitzer rasch wieder mehr Geld mit Profifußball verdienen wollen. Alle drei Vereine waren wegen regionalen Proporz nicht bei der Klub WM dabei, würden also von der Ausweitung profitieren. Der spanische Rekordmeister Real Madrid bekam Medienberichten zufolge nämlich immer eine Startprämie von 34 Millionen Euro, Turniersieger Chelsea soll sogar fast 100 Millionen Euro kassiert haben. Kritiker bemängeln darum schon jetzt, dass die Klub WM vor allem die finanzielle Kluft zwischen den Mannschaften eines Kontinents weiter auseinander reißt und damit den sportlichen Wettbewerb eher negativ beinträchtigt.
Die Fifpro ist ein Zusammenschluss internationaler Profifußballer. Deren Präsident Sergio Marchi ist über die FIFA ähnlich erbost wie Christian Heidel über den DFB. Marchi sagt: „Was als weltweites Fußballfest präsentiert wurde, war nichts weiter als eine von der FIFA geschaffene und von ihrem Präsidenten geförderte Fiktion, ohne Dialog, Sensibilität und Respekt für diejenigen, die den Fußball mit ihrem täglichen Einsatz aufrechterhalten. Wir können nicht weiter mit der Gesundheit der Spieler spielen, um eine Marketingmaschinerie anzutreiben. Es ist kein Spektakel möglich, wenn die Stimmen der Protagonisten zum Schweigen gebracht werden.“
Infantino riskiert übrigens auch einen Konflikt mit der UEFA. Denn selbst der FIFA-Boss hat eingesehen, dass der Spielplan bei einer Ausweitung der Klub WM an anderer Stelle entzerrt werden müsste. Laut Guardian soll die FIFA deswegen angedeutet haben, dass die Länderspielpause im Juni weichen könnte, um die Belastung zu reduzieren. Dies dürfte aber mal so gar nicht im Sinne der UEFA sein, da in dieser das Finalturnier der Nations League ausgetragen wird.
Expert*innen sind sich einig: Der Fußball geht auf dem Zahnfleisch. Neue Ideen für den Spielplan sind nur noch möglich, wenn an anderer Stelle gekürzt wird. Damit droht ein Kulturkampf. Denn anders als die Klub WM sind kontinentale Länderspiele bei Fans im Stadion und Fernsehzuschauer*innen sehr beliebt.
Vielleicht geht es bei alle dem aber auch gar nicht mehr darum, was gut ist für den Fußball. Sondern nur noch darum, was gut ist für einige seiner Top-Funktionäre.