„Es war ein sehr langes und hartes Rennen – das längste Zeitfahren, das ich je gefahren bin“, sagte Maike Hausberger. „Ich kann mit meiner Leistung absolut zufrieden sein.“ Dabei hat die Paris-Goldmedaillengewinnerin Maike Hausberger bei der Para-WM im belgischen Ronse im Zeitfahren Silber gewonnen. In der Klasse WC2 fehlten der 30-Jährigen am Freitag etwas über 14 Sekunden auf Flurina Rigling aus der Schweiz, die auch amtierende Weltmeisterin ist. Ist also alles gut?
Nicht wirklich. Denn trotz zahlreicher Einladungen, Ehrungen und „schönen“ Events war der Weg zur laufenden Weltmeisterschaft im belgischen Ronse für Hausberger von vielen Schwierigkeiten geprägt. Fehlendes Material wie ein Zeitfahrrad, mangelndes Interesse seitens der Sponsoren und insgesamt eine unzureichende Absicherung machten der Para-Athletin zu schaffen. Auch nach ihrem glänzenden Paralympics-Triumph in Paris habe sich kaum etwas verbessert. „Ich habe den größten Erfolg gefeiert, den man im Sport haben kann. Ich finde, dem sollte mehr Respekt gezollt werden“, findet Maike Hausberger. Doch sie stellt fest: „Der Para Sport steckt in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen, was Material und Unterstützung betrifft.“
Es sei notwendig, „echt hart kämpfen und immer wieder aufstehen, bis man bei Leuten ist, die einen wirklich unterstützen“, erklärt sie. So musste sie nach einem Vereinswechsel ihr ohnehin schon in die Jahre gekommenes Zeitfahrrad an ihren früheren Klub in Cottbus zurückgeben. Ersatz bekam sie erst wenige Tage vor Saisonbeginn – dennoch sicherte sie sich im Mai ohne nennenswerte Vorbereitungszeit den Gesamtweltcupsieg und stellte damit erneut ihre außergewöhnliche Klasse unter Beweis.
Trotz dieser Weltklasseleistungen empfinde sie die Rahmenbedingungen weiterhin „zu großen Teilen“ wie die eines Amateurs. „Ich würde mir wünschen, dass wir als Athleten besser abgesichert sind“, sagt die Triererin. Bislang sieht die gefährliche Realität für Hausberger nämlich so aus: „Wenn ich Training fahre, mir die Vorfahrt genommen wird und ich einen Unfall habe, für den ich gar nichts kann und der mich gegebenenfalls invalide macht, fliege ich von der aktuellen Lebensfinanzierung auf null – und zwar ohne Zwischenstufe.“
Mit Blick auf die Zukunft sind in Hausbergers „Unterbewusstsein“ daher „schon gewisse Existenzängste dabei“. Deshalb wolle sie ihre Prioritäten zunehmend in Richtung Berufliches verschieben. Ihr „Sportlerherz“ sage zwar, dass sie die Paralympics in Los Angeles 2028 anstrebe, doch das sei nur möglich, „wenn ich einen Arbeitgeber finde, der den Sport mitträgt“, so Maike Hausberger.
Eine der erfolgreichsten deutchen Radsportler*innen droht mit dem Karriereende – und das nur, weil die sportpolitischen Rahmenbedingungen nicht in Ordnung sind. Ist das ein Einzelfall?
Leider nein: Die von Aktion Mensch und der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024 veröffentlichte Studie zeigt deutlich die ungleichen Bedingungen, unter denen Para-Athlet*innen in Deutschland trainieren und leben. Nur 11 Prozent der Befragten bewerteten den Zugang zu Sponsoren als gleichwertig mit dem ihrer olympischen Kolleg*innen, und lediglich 18 Prozent sahen die Trainingsinfrastruktur als ausreichend an. Auch eine Untersuchung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) hebt gravierende Defizite im Stützpunktsystem des Para-Leistungssports hervor. Viele Athlet*innen stoßen bereits beim Zugang zu Vereinen auf Barrieren und erhalten oft nur eingeschränkte Hallenzeiten. Auch die personelle Ausstattung gilt als unzureichend, da es an spezialisierten Trainerstellen fehlt und nicht alle Einrichtungen barrierefrei gestaltet sind. Hinzu kommt ein Mangel an bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum in der Nähe von Trainingszentren. Genauso wie an rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine Absicherung bei Unfällen oder Verletzungen regeln, wie auch von Maike Hausberger kritisiert. Insgesamt zeigen die Forschungen so, dass strukturelle Hürden Para-Sportler*innen in Deutschland erheblich im Trainingsalltag und in ihrer langfristigen Karriereplanung beeinträchtigen und sie in zentralen Bereichen wie Finanzierung, Infrastruktur und gesellschaftlicher Wahrnehmung weiterhin benachteiligt sind.
All das ist übrigens nicht nur in Deutschland so. Auch der kanadische Athlet Nate Riech, ein Mittelstrecken-Läufer, machte einem Ärger in einem Interview Luft: „Ich habe Weltmeisterschaften gewonnen, paralympische Goldmedallien und halte drei Weltrekorde. Und trotzdem finde ich keine Sponsoren.“
Inklusion im Sport ist wichtig. Jede*r muss einen gleichberechtigten Zugang zum Sport haben. Das bedeutet auch, dass Spitzensport so organisiert werden muss, dass es ein paralympisches Sportsystem gibt, in dem Sportler*innen professionell und leistungsorientiert arbeiten können – auch als Vorbilder für Inklusion. Es ist die Aufgabe von Sportpolitik die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die notwendigen Maßnahmen liegen auf der Hand.
Doch Deutschland tut bislang zu wenig.