Mehr als 400 Fangruppen aus 25 Ländern haben sich zusammen geschlossen. Ihre Forderung: „Nehmt uns das Spiel nicht weg!“ Eine beeindruckende Initiative…
…und darum geht es: Die italienische Seria A und Spaniens La Liga planen, reguläre Pflichtspiele, vor allem Ligaspiele, im Ausland auszutragen, vor allem in den USA, perspektivisch wohl aber auch in der Golfregion. Konkret plant La Liga die Partie zwischen dem FC Villarreal und dem FC Barcelona am 20. Dezember in die USA nach Miami zu verlegen. In Italien sagte zudem Ezio Simonelli, Präsident der Serie A, dass er „gerne den gesamten ersten Spieltag im Ausland gespielt hätte“ und dafür sogar schon ein konkretes Angebot aus den USA vorliege.
Die Begründung der Ligen: Wirtschaftlicher Druck. Und Zugriff auf Wachstumsmärkte. Soweit, so erwartbar. Mindestens mal kurios ist aber auch ein Argument aus Italien: Denn weil am 6. Februar 2026 im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand die Olympischen Winterspiele eröffnet werden, muss für die am 24. Spieltag angesetzte Partie der Serie A zwischen dem AC Mailand und Como 1907 ein Ausweichstadion gefunden werden. Zum Vergleich: Perth liegt 14.000 Kilometer entfernt. Die Wahl fiel auf Perth – in Australien. Nur 20 Kilometer hätte es in Monza auch ein Serie-A-Stadion gegeben. Auch eine Spielverlegung oder der Heimrecht-Tausch zwischen Milan und Como wären naheliegendere Alternativen gewesen.
Diese Entwicklung insgesamt passt den Fans entsprechend gar nicht. Sie stellen klar: „Fußballvereine sind weder Unterhaltungsunternehmen noch Wanderzirkusse. Sie existieren zum Wohle der Menschen vor Ort und bieten ein Gefühl der Zugehörigkeit – gerade da, wo Fans seit Generationen Heimspiele im eigenen Stadion besuchen.“ Und fordern: „Nehmt uns das Spiel nicht weg!“
Auch in Deutschland ist das Bündnis fest verankert. Die aktiven Fanszenen der Europapokalteilnehmer Bayern München, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt oder dem SC Freiburg sind unter anderem mit dabei, aber auch viele weitere Erst- und Zweitligisten und auch das deutschlandweit-aktive Fan-Bündnis „Unsere Kurve“, das selbst über 100 Fangruppen vertritt.
Aber welche Chance, haben die Fans, sich mit ihrer Haltung durchzusetzen? Rein rechtlich ist es so: Den Plänen müsste neben den jeweils beteiligten Nationalverbänden auch der europäische Fußballverband UEFA zustimmen. Chef des UEFA-Exekutivkomitees ist UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. Der sagt: „Ich glaube nicht, dass das eine gute Sache ist. Wenn es eine Ausnahme ist, gut. Wenn es einen Grund gibt, gut. Aber grundsätzlich sollten europäische Mannschaften in Europa spielen.“ Klingt gut? Nun ja. Denn Ceferin sagt auch, dass die UEFA nur begrenzte Möglichkeiten hat, wenn die Nationalverbände zustimmen. „Aber ich denke, dass wir das in Zukunft sehr ernsthaft diskutieren müssen. Die Fans sollten Fußball zu Hause schauen. Sie können nicht nach Australien oder in die USA reisen, um ihre Mannschaften zu sehen“, so Ceferin, der allerdings 2023 zur möglichen Austragung eines Champions-League-Endspiels in den USA sagt: „Das ist möglich.“ So viel dazu. Auch die FIFA will sich nicht abschließend positionieren.
Klarer ist die Haltung im deutschen Fußball. Hier ist Hans-Joachim Watzke, gestern widergewählter DFL-Präsident und als DFB-Vizepräsident auch Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee, aktuell der starke Mann. Und Watzke lässt keinen Zweifel an seiner Haltung aufkommen: „Solange ich in der Liga in der Verantwortung stehe, wird es keine Pflichtspiele im Ausland geben. Punkt.“ Das gilt für die Bundesliga. Für andere europäischen Ligen schränkte auch er jedoch ein: „Ich glaube, in der UEFA gibt es mehr Leute gibt, die das zu bestimmen haben. Meine Position ist klar, ob das die Mehrheitsmeinung sein wird, weiß ich nicht. Ich habe eine klare Meinung und werde die auch in den internationalen Gremien vertreten.“
Um gegen diese Relativierungen vorzugehen, haben sich die Fangruppen jetzt eben auch europäisch organisiert. „Eine Genehmigung dieser Vorhaben würde sofort die Büchse der Pandora mit unvorhersehbaren und unumkehrbaren Folgen öffnen“, lautet eine Befürchtung in dem Schreiben. „Fanszenen weltweit wären dem Risiko ausgesetzt, dass ihnen die Lieblingsmannschaft weggenommen und für ein Spiel oder gar mehrere Spiele ans andere Ende der Welt verfrachtet wird.“ Die UEFA, die FIFA und alle Nationalverbände werden darum aufgefordert, die Vorhaben der Ligen abzulehnen.
Unterstützung finden die Fans in der europäischen Politik. Der Sozialdemokrat Glenn Micallef aus Malta ist seit 2024 EU-Kommissar für Generationengerechtigkeit, Jugend, Kultur und Sport. Er sei enttäuscht von den Plänen und stehe solidarisch an der Seite der Fans. Europäische Spiele müssten in Europa ausgetragen werden, macht er in beeindruckender Deutlichkeit klar: „Starke, gemeinschaftsbasierte Vereine sind das Herzstück des europäischen Sportmodells. Die Verlegung von Wettbewerben ins Ausland ist keine Innovation, sondern Verrat.“ Es sei ein Stresstest für die Verbandführungen, dem Druck aus den nationalen Ligen standzuhalten. Auch die Spielergewerkschaften sind gegen Verlegungen von Spielen in alle Welt, sie argumentieren mit zusätzlichen Belastungen durch die Reisen. Auch Umweltschützer*innen mahnen, dass der Fußball, eh noch mit eher schlechter Klimabilanz, so seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden könnte.
FanLeben-Kommentar: Die Fans verteidigen den Fußball vor den Verbänden!
Fest steht: Zu einer nachhaltigen internationalen Entwicklung tragen Auslandsspiele europäischen Mannschaften nicht bei, nur zu seiner Kommerzialisierung. Eine nachhaltige Entwicklung des internationalen Fußballs muss Vereine in aller Welt stärken. Damit Menschen selbst Lust bekommen, Fußball zu spielen. Damit ihre Identifikation mit Vereinen gesteigert wird. Damit die Vereine weltweit in ihren Communitys wirken können.
Dieses Ziel verfolgen die Liga-Bosse in Italien und Spanien nicht. Dieses Ziel verfolgt auch UEFA-Chef Chef Ceferin nur zu wenig. Viel zu sehr geht es ihnen allen um die (kurzfristigen) Renditen.
Und so sind es – mal wieder – die organsierten Fangruppen, die den Fußball verteidigen.
Jede*r Fan kann ihnen dafür nur dankbar sein.
FanLeben.de-Herausgeber Jan Bühlbecker kommentierte.