Eigentlich wäre es der Saison-Höhepunkt: Die Spiele der Adler Mannheim bei den Kölner Haien. Beide Mannschaften gelten in der Penny DEL, spätestens seitdem die Adler 7:1 gegen den amtierenden Meister Eisbären Berlin gewonnen haben, als Titel-Favoriten. Auch wenn die Haie mit Niederlagen gegen Red Bull München und eben Berlin mit zwei Niederlagen in die Saison gestartet sind.
Doch geht es nach den Fans der Adler Mannheim werden die Spiele richtig langweilig – zumindest neben dem Eis: Denn die Ultras rufen zu einem Boykott beider Auswärtsspiele auf. Auf Instagram richten sie sich an Mit-Fans und Öffentlichkeit: „Diese zwei Spiele stellen für viele Fans meistens ein Highlight im Spielplan dar. Durch die kurze Anreise und die Vielzahl an Karten, die in Köln zur Verfügung stehen, haben wir die letzten Jahre oft sehr gute Auswärtsauftritte in Köln feiern können.“ Damit aber soll jetzt Schluss sein!
Der Hintergrund ist schnell erklärt: Normalerweise kosten Auswärtstickets in der Lanxess Arena, in der die Haie ihre Heimspiele austragen, 27 Euro. Doch die Adler Fans sollen 35 Euro bezahlen – 25% Topspielzuschlag. Das ist zu viel, finden sie, wie sie in ihrem Statement weiter erklären: „Nachdem wir bereits im Sommer davon erfahren haben, dass Köln die Ticketpreise nochmals anheben wird, kamen bei uns bereits die ersten Bauchschmerzen.“ Diese verschlimmerten sich wie es in der Erklärung weiter heißt: „Zwar sind diese Topspielzuschläge mittlerweile leider Tagesordnung, ein Aufpreis von 8 Euro ist hierbei allerdings an Frechheit nicht zu überbieten. Hier werden die Auswärtsfans ausgenutzt, deren Teams dafür sorgen, dass die Halle voll wird und somit generell mehr Umsatz erzielt wird.“
Die Kölner Haie bieten immer Rabatte für organsiert-anreisende Fanclubs an, doch auch das kritisieren die Mannheimer Fans deutlich: „Zwar gibt es einen Gruppenrabatt, mit dem ein Ticket ’nur‘ 20 Euro kostet, aber nicht jeder hat die Chance, diesen Gruppenrabatt in Anspruch zu nehmen. Warum soll eine 4-köpfige Familie, die nicht in einem Fanclub organisiert ist, oder andere Autobesatzungen, die zu viert anreisen, 60 Euro mehr zahlen als 4 Personen, die sich die Karten über eine Gruppe sichern konnten? Hier ist eine ganz klare Benachteiligung derjenigen zu erkennen, die nicht organisiert auswärts fahren.“
Ihr Fazit fällt deswegen eindeutig aus: „Mit dieser Preisgestaltung wurde für uns endgültig eine Grenze überschritten, die wir nicht bereit sind zu akzeptieren. 35 Euro für ein Ticket unter dem Hallendach, bei dem man vom Spiel ohnehin nicht viel sieht. Außerdem ein Topspielzuschlag von 8 Euro im Vergleich zu normalen Spielen. Das lassen wir uns nicht gefallen.“ Alle Adler-Fans werden von der Ultragruppierung, die sich übrigens „Nonames Mannheim“ nennt, aufgerufen, die Spiele zu boykottieren. Mehr noch – denn abschließend heißt es in ihrem Statement: „Für das Spiel am 14.12. arbeiten wir aktuell an einem Alternativprogramm, haltet euch diesen Tag also trotzdem frei.“
Fans verzichten nicht nur auf ein Auswärtsspiel ihrer Mannschaft, sie suchen bewusst ein Alternativprogramm. Das ist deutlich. Doch erbitterter Fanprotest ist im Eishockey längst keine Seltenheit mehr. Auch die „Hartmut-Nickel-Kurve“, auf der sich der eingefleischte Kern der Eisbären-Fans versammelt, protestiert immer wieder gegen steigende Ticketpreise und blieb aus Protest gegen diese in der Vergangenheit ebenfalls – allerdings Heimspielen – fern.
Wer nicht aus dem Eishockey kommt muss wissen: Die Eishockeymannschaften sind als Kapitalgesellschaften organisiert, sie werden mehrheitlich, meist ausschließlich, von externen Investor*innen kontrolliert. Das sind manchmal, wie zum Beispiel in Iserlohn, Straubing oder Bremerhaven, regionale Zusammenschlüsse, die weit mehr in ihre Teams investieren als sie jemals wieder rausbekommen, manchmal aber sind es auch Investmentfirmen oder Unternehmen, denen es um Rendite geht – wie in Köln mit Medienunternehmer Frank Gotthardt, der auch als Gründer des rechtsextremen Onlinenagebots „Nius“ in der Kritik steht, oder wie mit der Anschatz Entertainment Group, der die Eisbären Berlin gehören. Auch Anschatz, ein US-Unternehmen, fördert übrigens, allerdings in den USA, erzkonservative bis rechtsextreme Gruppen. Die Adler Mannheim gehören wiederum dem Sohn von Dietmar Hopp, der sich, wie sein Vater, vor allem als Sportmäzen einbringt, wenn sie ihr Engagement jedoch auch nutzen, um eigene Ziele zu verfolgen. Ein Beispiel: In seiner Heimatstadt forderte Hopp Senior als Gegenleistung für sein Mäzenatentum, eine Straße nach seinem Vater zu benennen, der jedoch überzeugter Nazi war. Erst als Hopp drohte, sein Engagement zu beenden, kippte die Stadt um und erfüllte ihm seinen Wunsch.
All das zeigt: Je weiter ein Sport sich vom Einfluss der Fans entfernt, desto problematischer wird es.
Und desto mehr verliert er von dem, was ihn ausmacht, was ihn gesellschaftlich so wichtig macht: Das Menschen zusammen kommen können, gemeinsam etwas erleben, Grenzen überwunden werden, Austausch zwischen Menschen, die sonst vielleicht nirgendwo zusammen kommen würden, möglich wird.
Im Eishockey. Und überall.