„Meisterschaftsspiele sollten auf heimischem Boden ausgetragen werden“, forderte UEFA-Chef Aleksandar Ceferin. „Alles andere würde treue Fans, die regelmäßig ins Stadion gehen, benachteiligen und potenziell zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“ Die Haltung der UEFA sei klar: „Wir wollen die Integrität der nationalen Ligen schützen und sicherstellen, dass der Fußball in seiner heimischen Umgebung verankert bleibt.“

So viel zu den Worten, kommen wir zu den Fakten: Denn die UEFA hat gerade zum ersten Mal darüber entschieden, ob Vereine aus Serie A und La Liga Heimspiele auch auf anderen Kontinenten austragen dürfen. Sie dürfen. Das teilte die UEFA in der selben Pressemitteilung mit, in der ihr Chef Cheferin sagt, dass so etwas Fans benachteiligt und die Integrität des sportlichen Wettbewerbs bedroht. Aha.

Konkret geht es dabei erst einmal um zwei Spiele – auch wenn alle Beteiligten klar machen, dass es ihnen perspektivisch um mehr geht: Die italienische Seria A und Spaniens La Liga planen, reguläre Pflichtspiele, vor allem Ligaspiele, im Ausland auszutragen, vor allem in den USA, perspektivisch wohl aber auch in der Golfregion. Konkret wurde jetzt aber erst einmal beschlossen, die La Liga die Partie zwischen dem FC Villarreal und dem FC Barcelona am 20. Dezember in die USA nach Miami zu verlegen. In Italien sagte zudem Ezio Simonelli, Präsident der Serie A, dass er „gerne den gesamten ersten Spieltag im Ausland gespielt hätte“ und dafür sogar schon ein konkretes Angebot aus den USA vorliege.

Die Begründung der Ligen: Wirtschaftlicher Druck. Und Zugriff auf Wachstumsmärkte. Soweit, so erwartbar. Mindestens mal kurios ist aber auch ein Argument aus Italien: Denn weil am 6. Februar 2026 im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand die Olympischen Winterspiele eröffnet werden, muss für die am 24. Spieltag angesetzte Partie der Serie A zwischen dem AC Mailand und Como 1907 ein Ausweichstadion gefunden werden. Die Wahl fiel auf Perth – in Australien. Auch das erlaubte die UEFA nun. Nur 20 Kilometer hätte es in Monza auch ein Serie-A-Stadion gegeben. Zum Vergleich: Perth liegt 14.000 Kilometer entfernt. Auch eine Spielverlegung oder der Heimrecht-Tausch zwischen Milan und Como wären naheliegendere Alternativen gewesen. Die Eröffnungsfeier ist also offensichtlich nur ein Vorwand.

Warum erlaubt die UEFA also die Auslands-Matches, wenn sie die doch eigentlich auch selbst problematisch findet? Man habe nur „ausnahmsweise“ zugestimmt, sagt die UEFA. Die UEFA hätte dabei nämlich gar keine andere Möglichkeit gehabt, als den Anträgen zu folgen, weil auf FIFA-Ebene Lücken im Reglement bestünden. Die FIFA-Regelungen würden aber nun überarbeitet. „Es ist zwar bedauerlich, dass diese beiden Spiele stattfinden müssen, aber diese Entscheidung ist eine Ausnahme und darf nicht als Präzedenzfall angesehen werden“, sagt deswegen auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. Der allerdings 2023 zur möglichen Austragung eines Champions-League-Endspiels in den USA auch gesagt hat: „Das ist möglich.“ So viel also dazu. Und auch die FIFA will sich zu den angekündigten Regel-Änderungen noch nicht abschließend positionieren.

Vieles spricht also dafür, dass das keine einmalige Entscheidung der UEFA ist. Aber wenn sie nicht will, dass von einem Präzedenzfall gesprochen wird, dann vielleicht von der berühmten Öffnung der Dosen der Pandora? Das befürchten jedenfalls mehr als 400 Fangruppen aus über 25 Ländern, die sich zu einem Bündnis gegen Auslandsspiele zusammen geschlossen haben. Sie stellen klar: „Fußballvereine sind weder Unterhaltungsunternehmen noch Wanderzirkusse. Sie existieren zum Wohle der Menschen vor Ort und bieten ein Gefühl der Zugehörigkeit – gerade da, wo Fans seit Generationen Heimspiele im eigenen Stadion besuchen.“ Und fordern: „Nehmt uns das Spiel nicht weg!“

Auch in Deutschland ist das Bündnis fest verankert. Die aktiven Fanszenen der Europapokalteilnehmer Bayern München, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt oder dem SC Freiburg sind unter anderem mit dabei, aber auch viele weitere Erst- und Zweitligisten und auch das deutschlandweit-aktive Fan-Bündnis „Unsere Kurve“, das selbst über 100 Fangruppen vertritt.

Und in Deutschland ist die Haltung im organisierten Profifußball auch klar auf Linie der Fans. Hans-Joachim Watzke, gerade widergewählter DFL-Präsident und als DFB-Vizepräsident auch Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee, lässt keinen Zweifel an seiner Haltung aufkommen: „Solange ich in der Liga in der Verantwortung stehe, wird es keine Pflichtspiele im Ausland geben. Punkt.“ Das gilt für die Bundesliga. Für andere europäischen Ligen muss jedoch auch er einschränkte: „Ich glaube, in der UEFA gibt es mehr Leute gibt, die das zu bestimmen haben. Meine Position ist klar, ob das die Mehrheitsmeinung sein wird, weiß ich nicht. Ich habe eine klare Meinung und werde die auch in den internationalen Gremien vertreten.

Unterstützung finden die Fans in der europäischen Politik. Der Sozialdemokrat Glenn Micallef aus Malta ist seit 2024 EU-Kommissar für Generationengerechtigkeit, Jugend, Kultur und Sport. Er sei enttäuscht von den Plänen und stehe solidarisch an der Seite der Fans. Europäische Spiele müssten in Europa ausgetragen werden, macht er in beeindruckender Deutlichkeit klar: „Starke, gemeinschaftsbasierte Vereine sind das Herzstück des europäischen Sportmodells. Die Verlegung von Wettbewerben ins Ausland ist keine Innovation, sondern Verrat.“ Es sei ein Stresstest für die Verbandführungen, dem Druck aus den nationalen Ligen standzuhalten. Auch die Spielergewerkschaften sind gegen Verlegungen von Spielen in alle Welt, sie argumentieren mit zusätzlichen Belastungen durch die Reisen. Auch Umweltschützer*innen mahnen, dass der Fußball, eh noch mit eher schlechter Klimabilanz, so seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden könnte.

Fest steht: Zu einer nachhaltigen internationalen Entwicklung tragen Auslandsspiele europäischen Mannschaften nicht bei, nur zu seiner Kommerzialisierung. Dass Klubs, in denen keine 50+1-Regel gilt, dabei eher an der eigenen Wirtschaftlichkeit als an der nachhaltigen Entwicklung des Fußballs Interesse haben: erwartbar. Aber bräuchte es nicht gerade deswegen die Macht der Kontinentalverbände, welche die übergeordneten Interessen des Fußballs vertreten – und durchsetzen, statt sich in vermeintlichen Schlupflöchern zu verstecken?

Denn die übergeordneten Interessen des Fußballs liegen ja auf der Hand. Eine nachhaltige Entwicklung des internationalen Fußballs muss Vereine in aller Welt stärken. Damit Menschen überall auf der Welt selbst Lust bekommen, Fußball zu spielen, braucht es starke und sichtbare Vereine bei ihnen vor Ort. Damit ihre Identifikation mit diesen Vereinen gesteigert wird, müssen ihre Heimspiele lokale Highlites sein, darf sich der Fußball in den USA, Australien und Co. nicht hinter Ab-Und-Zu-Gastspielen fremder Ligen verstecken. Damit dann übrigens auch die Vereine weltweit in ihren Communitys (Gutes be)wirken können. Wenn FIFA und UEFA nicht bedingungslos dafür eintreten – wofür gibt es sie dann?

Und so sind es – mal wieder – die organsierten Fangruppen, die den Fußball verteidigen.

Jede*r Fan kann ihnen dafür nur dankbar sein.

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Von admin