US-Präsident Donald Trump ist aktuell damit beschäftigt, die USA ein autoritäres Regime umzubauen. Und das betrifft – neben all den gesellschaftlich noch wichtigeren Bereichen – nun auch den Fußball. Mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehende WM droht Trump nämlich: „Wenn jemand einen schlechten Job macht und ich den Eindruck habe, dass die Bedingungen zur Ausrichtung von WM-Spielen unsicher sind, dann würde ich Gianni anrufen, den phänomenalen Chef der FIFA, und ich würde sagen: ‚Lass es uns woanders hin verlegen.‘ Und er würde es machen.“ Die Aussage richtet sich gegen die Bürgermeisterin von Boston, Michelle Wu, eine 40-jährige Demokratin, ist Trump ein Dorn im Auge.

Damit ist Wu nicht alleine. Trump bekämpft gerade diverse Bürgermeister*innen, die sich seiner radikalen Migrationspolitik widersetzen wollen. Und zwar so: Er behauptet, in diesen Städten würde die Kriminalität explodieren, sie seien unsicher. Die Kriminalitätsstatistiken geben das zwar ganz eindeutig nicht her, auch Boston ist sicher, aber mit dieser Argumentation versucht Trump seit Monaten, den Einsatz von Nationalgardisten in demokratisch regierten US-Metropolen zu legitimieren – und das gegen den ausdrücklichen Willen der dafür eigentlich zuständigen Gouverneure. Zuletzt ließ er Soldaten in Los Angeles, einer ebenfalls demokratisch regierten WM-Gastgeberstadt, aufmarschieren. Sie sollten Proteste gegen Razzien der Einwanderungsbehörde ICE eindämmen. Kurz darauf folgten weitere Einsätze in anderen Städten, in denen trotz massiver politischer Bedenken ebenfalls Nationalgardisten mobilisiert wurden. Dabei sind Proteste auch gegen staatliche Behörden wie ICE natürlich legitim, ja, sogar notwendig. Trump aber will sie von Soldat*innen niederschlagen lassen. Damit untergräb er nicht den Föderalismus der USA, sondern greift auch die Meinungsfreiheit seiner Bürger*innen an – was eindeutig auf sein Vorhaben, die US-Demokratie zu zerstören, hinweist.

Neben Boston und Los Angeles sind auch die geplanten WM-Austragungsorte Seattle, San Francisco, New York und Philadelphia demokratisch regiert. Es drohen also weitere Auseinandersetzung, auch deswegen ist der Umgang der FIFA mit Trumps Angriffen auf Bürgermeisterin Wu jetzt so entscheidend. Denn in Boston benutzt Trump nun also auch noch die Strahlkraft des Fußballs, um seinen Vorhaben Nachdruck zu verleihen. Er droht den Menschen damit, dass sie die WM verlieren würden, wenn sie sich nicht von ihrer demokratisch-gewählten Bürgermeisterin lossagten. Und das, obwohl die Stadt Boston bereits rechtsverbindliche Verträge mit der FIFA, die ja alleinverantwortlich für die Ausrichtung der WM ist, abgeschlossen hat. Hinzu kommt: Boston hat – wie die anderen Austragungsstätte – bereits eifirig in die Modernisierung der städtischen Infrastruktur investiert. Die FIFA würde sich wohl schadensersatzpflichtig machen, würde sie den Standort jetzt noch absagen. Und: In Boston sind fünf Gruppenspiele, ein Sechzehntelfinale und ein Viertelfinale geplant. Dafür innerhalb von acht Monaten Ersatz zu finden wäre gar nicht so einfach.

Aber würde Trump mit diesem Plan trotzdem durchkommen oder würde Gianni Infantino den Austragungsort auch gegen den Druck vom US-Präsidenten verteidigen? Die Rechtslage ist, wie oben beschrieben, eindeutig gegen den Trump. Doch der sieht das so: Vermutlich wäre der Schweizer nicht begeistert, sagte Trump, „aber er würde es ohne Weiteres machen. Er würde es machen. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, es zu tun.“ Infantino und Trump pflegen enge Verbindungen. Und so richtig doll distanziert sich die FIFA auch nicht von Trumps politischer Einflussnahme – im Gegenteil: Der Weltverband erklärte , sie hoffe, dass alle 16 Gastgeberstädte für 2026 „bereit“
seien. Und weiter erklärte ein Sprecher: „Sicherheit und Schutz liegen selbstverständlich in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen, und sie entscheiden, was im besten Interesse der öffentlichen Sicherheit ist.“ Klingt eher nach: Wir beugen uns Trump als nach Integrität.

Fest steht: Ein solcher Entzug der Gastgeberrolle wäre bislang ohne Beispiel. Zwar verlor bereits Bilbao bei der Europameisterschaft 2020 – die pandemiebedingt erst 2021 ausgetragen wurde – sein Gastgeberrecht, doch die Umstände waren andere: Die baskische Stadt verweigerte als einzige den geforderten Nachweis, dass trotz der COVID-19-Pandemie Zuschauer in die Stadien gelassen würden. Die UEFA begründete ihre Entscheidung damals mit den unklaren Bedingungen rund um die Gesundheitslage. Als Ausgleich erhielt Bilbao eine Entschädigung von 1,3 Millionen Euro sowie den Zuschlag für zwei bedeutende Endspiele: das Finale der Europa League 2024/25 und das Endspiel der Women’s Champions League 2023/24.

Der Fußball – so propagiert es die FIFA zurecht immer wieder – hat die Kraft Menschen zusammen zu bringen. Doch dafür muss er Integer sein und darf sich nicht zum Spielball von Regierung machen lassen. Nicht zu unrecht fordert die FIFA in ihren Statuten eine klare Trennung von Regierung und nationalem Fußballverband. Infantinos enge Beziehungen zu Trump, die beide schon als Busenfreundschaft bezeichneten, sind allein deswegen schon höchst problematisch. Aber noch schlimmer, gar unverzeihlich wäre es, wenn die FIFA es Trump ermöglichen würde, den Fußball zu nutzen, um sein Land tatsächlich in eine Autokratie umzuwandeln. Nein, der Weltverband muss jetzt Haltung zeigen und sich klar hinter den Standort Boston stellen.

Das müsste er zumindest – nur kennen wir alle halt auch Gianni Infantino und sein Wertegerüst. Es bleibt darum zu befürchten, dass der sich tatsächlich anders entscheiden wird. Es wäre eine Schande.

Unser Newsletter: 1x die Woche exklusive Inhalte kostenlos in Dein Postfach holen:

Von admin