Sport ist für alle da! Davon sind wir bei FanLeben.de überzeugt. Und deswegen freuen wir uns, dass unser Autor Karl Jahn Boie ein inklusives Kinderbuch veröffentlicht hat. Karl Jahn Boie, der auch ehrenamtliche Eishockeyspiele für das DEG-Fanradio kommentiert, beschreibt in seiner Erzählung die fiktive Gründungsgeschichte des Fanprojektes. Ein junges Mädchen beginnt demnach damit Eishockeyspiele zu kommentieren, damit auch ihre Mutter, die geschäftlich unterwegs ist, und vor allem ihr sehbehinderter Vater an ihrer Leidenschaft teilhaben können. Karl Jahn Boie sagt: „Sport bringt Menschen zusammen und deswegen ist es so wichtig, dass niemand von ihm ausgeschlossen wird. Die Frage, wie man auch Menschen mit Be_hinderung einen möglichst umfassenden, nein, einen komplett-barrierefreien Zugang zu allen gesellschaftlichen Ereignissen organisieren kann, beschäftigt mich deswegen und auch darüber hinaus sehr. Darum freut es mich in meinem neuen Buch eine Perspektive auf barrierefreien Sport teilen zu können. Ich wünsche mir, dass der Text viele Fans zu mehr Achtsamkeit inspriert – aber auch Klubs zum Nachahmen solch wertvoller Projekte wie dem DEG-Fanradio.“
Das Buch kann ab sofort direkt bei Karl Jahn Boie und auch direkt im Buchhandel bestellt werden und kostet 7,49€ zzgl. Versand. Eine E-Mail an hallo@dein-karl-jahn.de genügt. Einen Textauszug können wir aber heute hier schon exklusiv auf FanLeben.de veröffentlichen. Wir wünschen beim Lesen und Vorlesen viel Spaß!
Wie Hüsna das Fanradio erfunden hat
(Eine fast wahre DEG-Geschichte)
Marmelade, Honig und vegane Bärchenwurst – es ist ganz klar, was hier gerade passiert: Familie Amina sitzt beim Frühstück zusammen. Das ist an einem Sonntag nämlich Tradition. Da gibt es dann Kaffee und Kakao und vor allem wichtige Verhandlungen. Verhandlungen darüber, wie die Familie den Sonntag miteinander verbringen möchte. Alle Familienmitglieder dürfen Ideen einbringen und dann wird gemeinschaftlich entschieden.
Alle Familienmitglieder? Naja fast. Sepal, der Sohn der Familie, fehlt noch. Aber gut: Der ist 15. Und 15-jährige, das weiß man ja, können am Wochenende frühestens um halb zehn aufstehen. Alles andere ist in diesem Alter strengstens verboten. Der Rest der Familie frühstückt und diskutiert aber trotzdem schon.
„Heute Nachmittag ist endlich wieder Eishockey“, sagt Hüsna, die sechsjährige Tochter der Familie. „Gehen wir hin?“
Hüsna ist ganz großer Eishockey-Fan. Ihr Lieblingsteam, na klar, ist die Düsseldorfer EG. Eine Mannschaft, die mit mutigem Löwen auf der Brust spielt. Und ihr Bruder heißt ja Sepal – und Sepal bedeutet Löwe auf Deutsch.
„Ich kann leider nicht mit“, antwortet Hüsnas Mutter mit einem traurigen Gesicht. Eigentlich gehen die beiden nämlich immer zusammen zum Eishockey, aber heute geht es nicht. „Ich habe nächste Woche eine Geschäftsreise und ich muss heute Abend schon zum Flughafen.“
„Mist“, denkt Hüsna. „Papa“, aber sagt Hüsna, „was ist mit Dir?“
Hüsnas Papa liebt Ausflüge mit seien Kindern, aber beim Eishockey ist er skeptisch. Denn irgendwie fühlt er sich im Stadion immer so, als würde er nicht wirklich dazugehören. Warum? Weil Hüsnas Papa nicht gut sehen kann. Und Eishockey ist ein wirklich schnelles Spiel, es geht hin und her. Und der Puck, dem die Spieler auf dem Eis hinterher jagen, ist auch noch ganz schön klein. Wenn man da eine Sehschwäche hat, kann das wirklich etwas unangenehm werden.
Andererseits sitzt da gerade Hüsna mit am Frühstückstisch und guckt ihn mit großen Augen an. So groß sind Hüsnas Augen, dass sogar er sie ohne Probleme sehen kann. Eine schwierige Entscheidung.
„Ich weiß nicht“, sagt er und beißt noch einmal von seinem Marmeladenbrot ab. „Wollen wir das Spiel nicht lieber hier gucken, im Fernsehen? Da kann ich immer besser hören, was passiert.“
„Hm.“
Das ist jetzt eine ganz schön schwierige Situation. Weil einerseits will Hüsna unbedingt zum Eishockey also wirklich zum Eishockey und nicht bloß Eishockey im Fernsehen gucken. Aber andererseits will sie natürlich auch nicht, dass ihr Papa eine schlechte Zeit hat. Mist.
Während Hüsna nachdenkt, ist Sepal aufgewacht. Und nicht nur das: Er hat sich sogar zum Rest der Familie an den Frühstückstisch gesetzt. Gähnend allerdings.
„Worüber redet ihr gerade?“, fragt er in einer Gähn-Pause und nimmt sich ein trockenes Brötchen.
„Was ihr heute Nachmittag machen möchtet“, erklärt die Mutter. „Ich bin leider raus, ich muss zum Flughafen.“
Sepal beißt in sein trockenes Brötchen. Auch das ist so eine Sache, die 15-jährige Sonntagmorgens beim Familienfrühstück nämlich machen müssen: Noch zu müde sein, um Aufstrich aufzutragen. „Und?“, fragt er dabei.
„Deine Schwester will zum Eishockey“, erklärt der Vater, „aber ich weiß nicht. Du weißt ja, dass ich fast blind bin. Da macht es mir wirklich mehr Spaß, mit Euch das Spiel vor dem Fernseher zu schauen und wenigstens den Kommentator zuhören zu können.“
„Und was sagst Du dazu?“ Sepal guckt Hüsna an.
Die wippt auf ihren Stuhl hin und her. „Ich will ja nicht, dass Papa eine schlechte Zeit hat“, sagt die, „aber ich will schon auch zum Eishockey.“
Der Papa guckt traurig über den Tisch.
Und die Mama überlegt: „Ich glaube, wir haben noch Chips und Kola im Keller, die könnte man richtig gut beim Fernsehgucken essen und trinken.“ Das ist ein gutes Argument, weil Chips und Kola kriegt Hüsna sonst eigentlich nie.
Aber Sepal hat noch eine bessere Idee. Das sagt er zumindest: „Ich habe noch eine bessere Idee, Hüsna, komm mal mit!“
Hüsna ist ganz aufgeregt, als ihr Bruder sie in sein Zimmer führt. Denn ein dritter wichtiger Fakt über 15-jährige: Sie lassen ihre kleine Schwestern normalerweise niemals, wirklich niemals in ihr Zimmer. Hüsna hat sich schon gefragt, warum das so ist. Weil in ihr Zimmer dürfte Sepal eigentlich ständig. Aber sie soll sich da keine Gedanken machen, meinte Mama, 15-jährige seinen eben manchmal komisch. Das gerade ist also wirklich etwas ganz besonderes.
„Wow“, denkt Hüsna, als sie sie Sepals Zimmer betritt. Denn der Raum sieht ganz anders aus, als sie gedacht hätte. Ein DEG-Schal hängt an der Wand, klar. Ansonsten liegen ziemlich viele Pizzaschachteln und Stinkesocken auf den Boden. Und sogar eine getragene Unterhose! Hüsna, deren Zimmer eigentlich immer ganz ordentlich aussieht, bekommt direkt ein kleines bisschen Angst, dass sie auch mal verlernen wird, nach dem Spielen aufzuräumen, falls sie auch mal 15 wird. Vielleicht sollte sie also lieber direkt 16 werden, überlegt sie, während ihr Bruder sich an seinen Schreibtisch setzt.
„Also pass auf“, beginnt Sepal dann zu erklären, „das hier“, er deutet auf so ein Dings neben seinem Computer-Bildschirm, „ist ein Tongerät. Das nimmt Geräusche in der Umgebung auf. Und das hier“, er deutet auf seine Kopfhörer, „ist ein Headset, das man mit dem Tongerät verbinden kann. Dann braucht man noch dieses Mischpult“, er nimmt ein ziemlich großes, tablett-artiges Gerät mit einer Menge Knöpfe in die Hand, „und dann kann man mit diesen drei Geräten theoretisch eine eigene Radiosendung machen.“
„Und“, fragt Hüsna. Sie versteht wirklich nicht, was Sepal will. Das heute Nachmittag Eishockey geguckt wird, das stand doch eigentlich schon fest. Wie kommt er jetzt aufs Radio?“
„Na, pass auf“, sagt Sepal, „Papa sagt doch, dass es ihm wichtig ist, beim Eishockey einen Kommentator zu hören, damit er nachvollziehen kann, was auf dem Eis passiert. Wenn wir ihm Stadion eine Radiosendung machen, in der das Spiel später kommentiert wird und die Papa im Stadion hören kann, dann könnte er sogar im Stadion Eishockey gucken.“
Hüsna überlegt: „Und könnte Mama das auch am Flughafen hören?“
Sepal drückt ein paar Knöpfe auf seinem Mischpult, dabei guckt er ganz fachmännisch und mindestens so konzentriert, wie Mama, wenn sie auf ihrem Computer E-Mails schreibt, die so wichtig sind, dass Hüsna immer kurz nicht stören darf. Dann sagt er: „Jetzt müsste es gehen.“
„Wow“, denkt Hüsna. Und „wow“ sagt sie sogar auch.
Sepal grinst zufrieden.
„Darf ich Dich drücken?“, fragt Hüsna.
„Na gut“, antwortet Sepal. Vielleicht sind sogar 15-jährige doch ganz schön cool.
Die beiden gehen zurück an den Frühstückstisch.
Papa guckt immer noch traurig.
Aber Hüsna sagt: „Papa! Papa! Du musst gar nicht mehr traurig sein!“
Ihr Papa sieht sie überrascht an.
„Sepal“, fährt Hüsna fort, „hat ein Radio für Euch gebaut und dann kannst Du im Stadion einen Kommentator hören!“
„Naja, fast“, erklärt Sepal, „ich hab mein Mischpult so umgestellt, dass man von da aus theoretisch Liveton an andere senden kann, zum Beispiel an Papas Sitzplatz oder zu Mama an den Flughafen.“
Mama lächelt.
„Und das funktioniert sicher“, fragt Papa. Auch er beginnt vorsichtig zu lächeln.
Sepal nickt.
Darum Hüsna nickt auch, obwohl sie das eigentlich gar nicht weiß. Aber Sepal wird schon recht haben.
„Es gibt nur noch ein Problem“, sagt Sepal dann, „wir, ähm, brauchen noch einen Kommentatoren.“
„Mist“, macht Hüsna. Wo soll man denn jetzt einen Kommentatoren herkriegen? Und wie soll sie das überhaupt wissen? Sie ist ja schon erst sechs.
Auch Mama guckt wieder etwas enttäuschter.
Nur Papa guckt immer noch glücklich.
„Warum?“, fragt sich Hüsna.
„Wir haben die beste Kommentatorin doch hier am Tisch!“, erklärt Papa dann.
„Etwa Mama?“, fragt Hüsna überrascht, weil, dass die eigentlich Eishockey-Kommentatorin ist hatte sie noch gar nicht gewusst. „Aber die muss doch zum Flughafen!“
„Nicht Mama“, widerspricht Papa dann, „ich meine Dich. Du hast schon so viele Spiele gesehen. Und ständig mit mir darüber geredet. Besser als Du kann mir ganz bestimmt niemand erklären, was gerade auf dem Eis passiert.“
„Und mir auch nicht“, versichert Mama, „da freue ich mich glatt aufs Warten am Flughafen, wenn ich weiß, dass mir Kommentatorin Hüsna dabei von der Düsseldorfer EG erzählt.“
Hüsna überlegt. Dass sie eine sehr gute Eishockey-Kommentatorin sein würde, das hatte sie bis gerade eben noch gar nicht gewusst. Aber es könnte schon sein. Immerhin ist sie ja auch der größte DEG-Fan auf der ganzen Welt. „Okay“, sagt sie deswegen, „ich probiere es aus!“
Und alle lächeln. Dieses Mal wirklich alle.
Später im Stadion steht Hüsna mit Headset auf dem Kopf in einer Ecke direkt neben der Fankurve. Sepal hat ihr das Mischpult und das Tongerät so eingestellt, dass alles bei Mama und Papa zu hören ist und sich dann zu Papa gesetzt.
Hüsna beginnt währenddessen zu kommentieren: „Hier ist Fanradio Amina live aus dem Düsseldorfer Eisstadion. Die DEG spielt heute gegen Rosenheim, was für ein Spiel!“ Den Satz „was für ein Spiel“ sagen Kommentator*innen immer, das ist Hüsna vor dem Fernseher schon aufgefallen. Also sagt sie ihn vorsichtshalber auch.
Mama und Papa grinsen deswegen auch etwas beim Zuhören.
„Gerade ist die DEG im Puckbesitz und kombiniert sich ins Angriffsdrittel der Rosenheimer. Ein schöner Querpass von Balinson auf Faber. Der zieht aus der Distanz ab, aber, nein! Der Torwart der Rosenheimer kann den Puck vorbei am Tor lenken. Mist! In der Rundung ist jetzt ein Verteidiger der Rosenheimer an den Puck gekommen, aber Niederberger checkt ihn gegen die Bande. Ha! Das sieht lustig aus! Und es funktioniert. Niederberger hat jetzt den Puck. Er guckt kurz hoch und passt ihn an die blaue Linie. Da steht Hirano, ganz frei, er holt mit dem Schläger aus und…“
Papa hält auf seinem Sitzplatz im Stadion die Luft an und greift vor lauter Aufregung ganz fest Sepals Hand.
„…zieht ab. Der Puck ist drin! TOOOOOOOOOOOR für die Düsseldorfer EG!“
Mama jubelt ganz laut am Flughafen: „JAAA!“, ruft sie überglücklich. Die anderen Reisenden sehen sie etwas verwirrt an. Aber sie erklärt: „Ich höre gerade das Fanradio vom Eishockey und ein Tor ist für die DEG gefallen.“ Da klatscht sogar ein anderer Passagier mit ihr ab.
„Was für ein tolles Tor“, freut sich Kommentatorin Hüsna. Vielleicht sogar das schönste Tor, das sie jemals gesehen hat. Weil sie es nämlich nicht nur alleine gesehen hat, sondern für Mama und Papa gleich mit.
Seitdem steht Hüsna bei jedem Heimspiel in ihrer Ecke neben der Fankurve und kommentiert die Spiele ihrer Lieblingsmannschaft. Aber nicht nur für Mama und Papa, sondern für alle, die gerade nicht dabei sein können oder Hilfe dabei brauchen, das Spiel mitansehen zu können. Und weil es Spaß macht.
Findet Hüsna.
Und finden alle, die ihr beim Kommentieren zuhören.
