Kurz nachdem bekannt wurde, dass erstmals eine US-Investorin in eine deutsche Frauenfußballmannschaft investierte, worüber FanLeben.de hier berichtete, geht auch die gesamte Elite des deutschen Frauenfußballs einen weiteren Schritt in Richtung Professionalisierung: Die Frauen bekommen eine eigene DFL, die Frauen-DFL, also eine kommerzielle Spielbetriebsgesellschaft als Joint Venture aus Verband und Bundesliga-Vereinen, wie es sie bei den Männern schon lange gibt. Sie soll dabei unter anderem für die Vermarktung zuständig sein.

Dies sei „ein starkes und mutiges Signal, welches aus meiner Sicht dringend geboten ist“, sagte Verbandspräsident Bernd Neuendorf beim DFB-Bundestag am Freitag in Frankfurt am Main. Dort wurde das Vorhaben auch formal auf den Weg gebracht. „Denn wir wollen – wie die Bundesliga der Männer – auch bei den Frauen zu den führenden Ligen in der Welt gehören. Die Weichen hierfür werden jetzt gestellt“, ergänzte Neuendorf. Auch Frauen-Bundestrainer Christian Wück hatte den Wachstumsplan und die Investition als „gerechtfertigt und auch unbedingt nötig“ bezeichnet. 

100 Millionen Euro investiert der Verband dabei in den nächsten achten Jahren in die Gründung. Das Geld soll dabei ab 2026, also bereits von der kommenden Saison an, verteilt werden. Noch mehr sollen die Klubs in diesem Zeitraum investieren. Und sie scheinen dazu bereit: Mehrere Hundert Millionen Euro wollen die Vereine in das Personal und die Infrastruktur investieren.

Der DFB hatte schon im Vorfeld seines Bundestags betont, dass die Bundesliga der Frauen dringend professionalisiert werden müsse. Außerdem soll natürlich auch die Abwanderung der besten Spielerinnen in finanzkräftigere ausländische Ligen wie England verhindert werden. Einige der bekanntesten Nationalspielerinnen wie Almut Schult oder Sjoeke Nüsken spielen nämlich längst nicht mehr in der heimischen Liga. Die war in dieser Saison zwar immerhin von 12 auf 14 Vereine aufgestockt worden, doch noch können längst nicht alle Spielerinnen von ihrer Tätigkeit in der Bundesliga leben.

Gleichberechtigung bedeutet aber auch, dass nicht nur Männer vom Fußball leben können dürfen. Auch Mädchen müssen den Traum, eines Tages Profifußballerin zu werden, verfolgen können. Die Amateur-Nostalgie im Frauenfußball ist damit unfair gegenüber den Frauen. Und ohne eine professionelle Liga-Struktur, in der die Vereine mit ihren Stimmen gestärkt werden und der Verband sich auf die Rolle des strategischen Korrektiv begrenzt, kann das nun einmal nicht gelingen. Insofern ist die Schaffung der Frauen-DFL eigentlich ein längst überfälliger Schritt. Aber einer der rasch mit echten Mindestlöhnen im Frauenfußball einhergehen muss.

All das wird den Frauenfußball dabei weiter verändern. Rückblick: In den Hochzeiten des deutschen Frauenfußballs, in den 1990er und 200er Jahren, dominierten reine Frauenteams die Liga – und auch die europäischen Wettbewerbe. Turbine Potsdam, der FCR Duisburg und vor allem der FFC Frankfurt sicherten sich nicht nur selbst Titel, sondern brauchten auch Welt- und Europameisterinnen sowie Olympiasiegerinnen für Deutschland hervor. Der FCR Duisburg schloss sich später, nach mehreren Umbenennungen und Insolvenzen, dem MSV Duisburg an, der FFC Frankfurt ist heute Teil von Eintracht Frankfurt und nach dem zweiten Abstieg von Turbine Potsdam aus der Frauenbundesliga, wo das Team letzte Saison nur einen Punkt holte, spielt mit der SGS Essen in dieser Spielzeit nur noch ein reiner Frauenverein in der höchsten Spielklasse. Und zwar ebenfalls im Abstiegskampf. Dafür stiegen auch in Deutschland Vereine, die bis dahin nur Männerfußball boten, in den Frauenfußball ein. Doch nur der VfL Wolfsburg war zeitweise, in den 2010er Jahren, auch international erfolgreich. National wurden die Wölfe inzwischen aber wiederum vom FC Bayern überholt, der jedoch auf europäischer Bühne titellos ist. Dabei ist der FC Bayern auch im Frauenfußball ein Traditionsverein: Bereits 1967 sollen sich Spielerinnen der Münchener für die Abteilungsgründung zusammengeschlossen haben, 1970 folgte dann drei Monate vor dem offiziellen Ende des Frauenfußballverbots im DFB die offizielle Gründung. 1970 – diese Zahl zeigt die Ignoranz und auch die Missgunst der Männer gegenüber dem Frauenfußball, die ja bis heute nicht vollständig verschwunden sind.

Spannend: Einen anderen Weg als bei Barcelona, Madrid oder Wolfsburg geht man wiederum bei Olympique Lyon. Auch dort wird, wie erwähnt, seit Jahrzehnten erfolgreich Frauenfußball gespielt. Bislang spielten die Frauen dabei unter dem selben Namen und im selben Trikot wie die Männer. Doch jetzt setzen sich die Frauen ab: Ab der neuen Saison werden die Rekordmeisterinnen nämlich nicht mehr als Olympique Lyon feminin auflaufen, sondern unter dem Namen OL Lyonnes. Während der erste Teil für Olympique Lyon steht, ist der zweite Teil des Namens angelehnt an das französische Wort „lionnes“, Löwinnen. Um die Verbundenheit zu Lyon zu symbolisieren, wird das „i“ jedoch durch das „y“ aus dem Stadtnamen ersetzt. Künftig wird die Mannschaft auch nicht mehr mit dem gewohnten OL-Logo auflaufen, sondern bekommt ein neues Wappen mit roter Löwin mit Falle am Hals sowie einer gelbgoldenen Krone. Neben optischen Aspekten wird sich aber auch inhaltlich einiges für die Lyonnes ändern. Bislang trainiert die Frauen-Mannschaft an einem Ort mit den Herren, die Jugendteams trainieren auf einem separaten Campus. In Zukunft sollen die Jungs aber zu den Herren umziehen, die Frauen werden ein neues „Performance Center“ auf dem bisherigen Jugendgelände für die weiblichen Profis, die Reserve und die Jugendteams erhalten. Hintergrund dieses Umbruchs ist der Einstieg in der Investorin Michelle Kang, welche die Frauenabteilung aus der Gesamtorganisation herauskauft – ohne 50+1-Regel ist das in Frankreich möglich. Kang sagt: „Es ist mehr als nur ein neuer Name und ein neues Logo. Es geht darum, neu zu definieren, was für den Frauenfußball möglich ist.“ Damit steht sie idell unzweifelhaft näher an der SGS Essen als an Real Madrid.

Das ist damit das eigentliche Dilemma der Professionalisierung: Einerseits braucht es die von Kang beschriebene eigenständige Identität im Frauenfußball, damit dieser sich aus dem Schatten der Männer herausentwickeln kann. Andererseits verfügen die taditionellen Männervereine über ein Netzwerk von Sponsoren und Fans sowie über eine funktionierende Infrastruktur. Auch hier erhofft sich der DFB nun eine Lösung gefunden zu haben: Denn gelingt es der Frauen-DFL die Frauen-Bundesliga schnell zu vermarkten, könnte sie damit der entscheidene Schritt sein, um reine Frauenfußballvereine zu stabilisieren und ein Nebeneinander von ehemaligen Männervereinen und ihnen zu sichern. Das wäre ohne Zweifel der Bestcase.

Denn Leuchtturmvereine wie die Bayern, Eintracht Frankfurt oder in Zukunft auch Borussia Dortmund bringen Aufmerksamkeit für den Frauenfußball. Doch reine Frauenteams wie die SGS Essen, die über die beste Nachwuchsabteilung im deutschen Frauenfußball verfügt, sind existenziell für die Talentförderung und das Entwicklen einer eigenen Identität. Doch im bestehenen System werden sie von den Männerriesen, die finanziell ganz andere Ressourcen mitbringen, zunehmenden verdrängt. Der deutsche Frauenfußball braucht darum neben der neuen Frauen-DFL auch ein eigenes Fincial Fair Play bzw. ein Solidarsystem: Profivereine, deren Frauenmannschaft mehr als eine Liga unter der Herrenmannschaft spielt, sollten in einen Solidartopf einbezahlen, aus dem die Frauenabteilungen gefördert werden. Damit nimmt man die Spätzünder in die Pflicht und fördert die Diversität im Frauenfußball mit dem Ziel auch international wieder anschlussfähig zu werden.

Die Hoffnung, dass der deutsche Frauenfußball vor einer guten Zukunft steht, ist damit begründet. Auch weil der DFB seine Förderung endlich ganzheitlich denkt: Bernd Neuendorf sagte beim Bundestag nämlich auch, das Potenzial, auch im Mädchenfußball, sei „weiterhin gewaltig“. Mit der Bewerbung für die EM 2029 „möchten wir dieser positiven Entwicklung einen weiteren Schub geben“. Von der Saison 2027/28 an gibt es zudem eine dreigeteilte 3. Liga für die Frauen. Viel Bewegung drin, spannende Zeiten.

Unser Newsletter: 1x die Woche exklusive Inhalte kostenlos in Dein Postfach holen:

Von admin