Die deutsche Frauen-Eishockey-Nationalmannschaft hat mit einem verdienten 9:1 gegen Ungarn erfolgreich den Titel beim Deutschland Cup verteidigt. Nach zwei 3:2-Siegen gegen Frankreich und die Slowakei ließ sich die Mannschaft von Trainer Jeff MacLeod zurecht von den 3200 Zuschauer*innen in Landshut feiern. „Ich bin sehr glücklich mit dem Spiel, dem Ergebnis und der Stimmung hier“, freute sich unter anderem Kapitänin Daria Gleißner.
Sportlich läuft es also wirklich bestens beim deutschen Frauen-Eishockey. Und das schon seit Jahren. Das Team habe inzwischen „unglaublich viel“ erreicht bilanzierte darum auch Sandra Abstreiter, die selbst in der nordamerikanischen Liga PWHL auf allerhöchstem Niveau spielt. Gemeint ist damit, neben dem erneuten Deutschland Cup-Titel, vor allem die erste Olympia-Teilnahme seit 2014. Die zeige „genau, was wir in den letzten Jahren erarbeitet und erreicht haben“, erklärte die 27-Jährige. Ihre Entwicklung demonstrierte die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in Landshut. Wie die möglich wurde? Durch viel Training, sagt der Bundestrainer. Und was wird trainiert? Natürlich „gewinnen“, erklärte MacLeod. „Das ist nicht einfach, egal gegen wen man spielt. Und aufeinander folgend zu gewinnen, in schweren Zeiten zu gewinnen, gegen wirklich gute Konkurrenz zu gewinnen.“ Genau diese Mentalität braucht es auch bei den Winterspielen in Italien. Er sei aber auch „sehr zufrieden mit der Entwicklung über die letzte Woche“, so der Kanadier.
Doch abseits der aktuellen sportlichen Erfolge plagen das deutsche Frauen-Eishockey immer noch viele strukturelle Probleme. Das beginnt schon beim Interesse an den Spielen. Die 3.000 Zuschauer*innen beim Deutschland Cup seien „für uns immer sehr, sehr ungewohnt“, sagte darum Kapitänin Gleißner, „das macht natürlich einfach Spaß zu spielen. Bei unseren Ligaspielen sind es immer nur um die hundert Zuschauer.“ Ein weiteres Problem spricht Teamkollegin Franziska Feldmeier an: Die Nachwuchsarbeit. „Deutschland ist da sehr hinterher. Die Vereine bilden die Jungs aus.“ Im Jugendbereich müssten die Mädchen „immer besser sein als der beste Junge, um eine faire Chance zu haben“, meinte die 26-Jährige, die für die Eisbären Berlin spielt: „Da fallen viele Mädchen hintenüber. Da muss sich die Nachwuchsförderung etwas ändern.“
Und dann ist da noch die spärlich besetzte Frauen-Bundesliga: Nur fünf Teams treten aktuell in dieser an an, inklusive HK Budapest aus Ungarn, die als Gast-Team in der deutschen Liga antreten. „Uns fehlen einfach die Spielerinnen. Wir haben zu wenig Mädels für die Breite“, so Gleißner. Zum Vergleich: In der Männer-Bundesliga gibt es 14 Teams. Kapitänin Gleißner sieht darum nicht nur den Deutschen Eishockey Bund in der Verantwortung, die Bedingungen für eishockeybegeisterte Mädchen und Frauen zu verbessern. Sie kritisiert auch die Männer-Profi-Klubs: „Ich sage nicht, dass alle Klubs jetzt was machen sollen. Aber zwei, drei Klubs mehr wären schon gut“, findet Gleißner. Aktuell sind nämlich nur die Eisbären Berlin und der ERC Ingolstadt auch mit einem Team in der Frauen-Bundesliga haben.
Damit hinkt Eishockey zum Beispiel dem Fußball krass hinterher. Seit der Saison 2023/2024 sieht die DFL-Lizenzierungsanforderungen hier nämlich vor, dass „der Bewerber den Frauenfußball fördert sowie einen Beitrag zu seiner Professionalisierung und zur Steigerung seiner Beliebtheit leistet, indem er eine Frauen- und/oder Mädchenmannschaft zu offiziellen Wettbewerben anmeldet oder eine Kooperationsvereinbarung mit einem Fußballklub abschließt.“ Heißt: Ohne Frauen- auch keine Männermannschaft. Eine vergleichbare Regel gibt es im Eishockey eben nicht und viele Klubs machen sich darum auch einen schmalen Fuß, fördern Mädchen und Frauen einfach gar nicht. „Die Mädchen im Bereich von 13, 14, 15 oder 16 Jahren – da ist es schwer, die bei Laune zu halten. Bei den Jungs werden die keine Eiszeit mehr bekommen und bei den Frauen ist es einfach noch zu früh“, erklärt Gleißner. Sie selbst durchlief dabei auch die männlichen Nachwuchsmannschaften und spielte seit sie 17 war parallel in der Frauenmannschaft ihres Vereins. Die Nachwuchsprobleme sind dabei längst auch in der Nationalmannschaft zu spüren. „Wir haben, wenn man ehrlich ist, fünf, maximal sechs Reihen, die auf Nationalmannschaftsniveau sind. Dann wird es schon dünner. Da muss man ansetzen und schon im Nachwuchs anfangen“, sagte nämlich auch Laura Kluge, die wie Torhüterin Abstreiterin der nordamerikanischen Profiliga PWHL spielt.
Immerhin: Seit 2014 gibt es ein bundesweites Nachwuchsförderprogramm im deutschen Eishockey, Powerplay 2026, bei dem neben der Förderung von Spieler*innen auch die Ausbildung von Trainer*innen vorangetrieben wird. Das Programm ist durchaus erfolgreich: Die Männer- und die Frauen-Nationalmannschaft haben sich in den letzten Jahren extrem erfolgreich entwickelt. Aber im kommenden Jahr läuft das Programm aus. „Wir befinden uns derzeit in den finalen Zügen der Erarbeitung des Nachfolgeprogramms von Powerplay 2026. Anfang des Jahres 2026 wird das Konzept mit allen relevanten Gremien und Partnern abgestimmt. Die Vorstellung des neuen Programms ist im Laufe des nächsten Jahres vorgesehen“, versichert dazu DEB-Sportvorstand Christian Künast.
Aber auch ein solches Programm stößt ohne verpflichtende Strukturen natürlich irgendwann an seine Grenzen. Es braucht Mädchen- und Frauenmannschaften in der Breite und Spitze, damit sich Eishockey in Deutschland weiter entwickeln kann. Ein erster Schritt könnten, wie im Fußball, verpflichtende Frauenmannschaften sein. Positivbeispiel ist hier übrigens die Düsseldorfer EG: Die hat nach dem Abstieg ihrer Männer-Mannschaft aus der DEL, also in wirtschaftlich stürmischen Zeiten, eine Frauen-Mannschaft (wieder) eingeführt. Warum nicht überall?
Nationaltrainer MacLeod würde es freuen. Auch wenn es ihn vor Herausforderungen stellen würde. Beim Deutschland Cup überzeugten nämlich viele Spielerinnen, beispielsweise die erst 16-jährige Debütantin Mathilda Heine, der gleich ein Doppelpack gelang. Einige bewährte Kräfte aus Nordamerika fehlten dagegen noch. Die Qual der Wahl haben – das lieben und hassen Bundestrainer gerne gleichzeitig.
