In der Vereinschronik spricht Roter Stern Belgrad von einer Deutschland-Tour, die der Klub 1991 absolviert habe. Dahinter stecken zwei Auslosungen im Europapokal der Landesmeister, die dem serbischen Verein nacheinander Gastspiele bei Dynamo Dresden und dem FC Bayern München bescherten. Mit spektakulären Ausgang: Denn in der Saison 1990/91 erreichte Roter Stern Belgrad seinen bis heute größten internationalen Erfolg, den Gewinn des Europapokals der Landesmeister. Doch die Spiele waren sowohl sportlich als auch sicherheitspolitisch von außergewöhnlichen Ereignissen geprägt. FanLeben.de schaut zurück.

Viertelfinale gegen Dynamo Dresden

Das Hinspiel fand im Marakana-Stadion von Belgrad statt und endete mit einem klaren 3:0-Sieg für Roter Stern. Die Torschützen: Pančev, Savićević, Binić. Das Spiel ist in der Rückschau auch wegen der extremen Atmosphäre bemerkenswert: Die berühmte „Delije“-Kurve entzündete große Mengen Pyrotechnik. In zeitgenössischen Berichten wird beschrieben, dass der Rauch zeitweise die Sicht behinderte, wodurch der Anpfiff sogar verzögert wurde. Es war eines der lautesten und stimmungsvollsten Spiele dieser Europapokalsaison, eine typische Erscheinungsform der Belgrader Heimspiele jener Zeit. Sportlich legte Roter Stern mit dem 3:0 den Grundstein für das Weiterkommen.

Das Rückspiel im Rudolf-Harbig-Stadion ging dann wiederum als eines der bekanntesten Skandalspiele der frühen 1990er Jahre in die deutsche Fußballgeschichte ein. Bereits im Vorfeld war die Sicherheitslage angespannt, und während der Partie kam es zu massiven Ausschreitungen im Dresdner Fanblock. Böllerwürfe, Angriffe auf Ordner und Versuche, den Zaun zum Spielfeld zu überwinden, führten schließlich zu einem Einsatz von Wasserwerfern durch die Polzei innerhalb (!) des Stadions.

Beim Stand von 1:2 aus Dresdner Sicht (Belgrad ging durch einen Treffer von Savićević in Führung, Dresdens gleich Tor von Sammer aus, später fliel das 1:2 durch Pančev) brach der Schiedsrichter die Partie in der 78. Minute ab. Die UEFA wertete das Spiel anschließend mit 0:3 gegen Dresden, sodass Roter Stern mit einem Gesamtergebnis von 6:0 ins Halbfinale einzog.

Die Ausschreitungen hatten weitreichende Folgen: Dynamo Dresden wurde von der UEFA für zwei Jahre aus allen europäischen Vereinswettbewerben ausgeschlossen. Die Entscheidung begründete die UEFA mit „schwersten Zuschauerausschreitungen“ und „Gefährdung von Spielern und Offiziellen“. Bis heute kam nach bislang 98 Partien kein weiteres Europapokalspiel mehr für Dynamo Dresden hinzu.

Halbfinale gegen den FC Bayern München

Beim Halbfinale hatte zuerst der FC Bayern Heimreicht. Doch das nützte den Münchenern wenig, denn im Olympiastadion gelang Roter Stern ein strategisch wichtiger Auswärtssieg. Die Belgrader spielten defensiv diszipliniert und konterten effizient. Die Tore für Belgrad erzielten erst Savićević und später Klaus Augenthaler – per Eigentor. Zwischenzeitlich hatte Jürgen Wegmann den Ausgleich erzielt. Das 2:1-Ergebnis verschaffte Belgrad damit eine hervorragende Ausgangsposition.

Trotzdem ging das Rückspiel in Belgrad als eines der dramatischsten Halbfinalspiele der Europapokalgeschichte in die Fußball-Analen ein. Roter Stern ging früh durch einen direkt verwandelten Freistoß von Mihajlovic in Führung. Dann aber drehten die Bayern durch Klaus Augenthaler und Manfred Bender innerhalb von fünf Minuten das Spiel. Kurz vor Schluss sah also alles nach Verlängerung aus. Doch dann kam es zur entscheidenden Szene: Ein scharf hereingeschlagener Ball prallte in der 90. Minute vom Bein von Klaus Augenthaler ins Tor – allerdings das eigene. Das Spiel endete 2:2 und Bayern war mit 4:3 Toren ausgeschieden.

Die Partien gegen Dresden und München markierten die entscheidende Phase der Europapokalsaison 1990/91. Sportlich, weil Roter Stern sowohl auswärts als auch zu Hause gegen hochkarätige deutsche Gegner bestehen musste; Stimmungsgeschichtlich, weil das Hinspiel gegen Dresden und das Rückspiel gegen Bayern als Beispiele extremer Fußballatmosphäre gelten; Und sicherheitspolitisch, weil der Spielabbruch in Dresden zu einer der härtesten UEFA-Strafen gegen einen deutschen Verein führte.

Roter Stern Belgrad wiederum schloss die Saison mit dem Europapokalsieg gegen Olympique Marseille (Finale in Bari, 0:0 n.V., 5:3 i.E.) ab und wurde damit die erste und bis heute einzige jugoslawische Mannschaft, die den wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb gewann.

Wie es weiterging: Doch kein Wiedersehen im Sommer 2025

Heute arbeitet mit Heiko Scholz übrigens ein Spieler von 1991 als Co-Trainer bei Dynamo Dresden. Im Sommer, während der Saisonvorbereitung, kam es für ihn – und Dynamo Dresden – dabei mehr oder weniger zum Wiedersehen mit Roter Stern Belgrad. Denn die Serben waren wie die Dresdner im schmucken „Nationalpark Resort Dilly“ in Windischgarsten (Österreich) fürs Trainingslager abgestiegen. Richtig viel über den Weg lief man sich dabei aber nicht. Dabei hatte Roter Stern Belgrad Dynamo sogar ein Freunschaftsspiel angeboten, wie Dresden-Sportchef Thomas Brendel verrät: „Es gab über die Hotel-Leitung eine Anfrage von Belgrad wegen eines Testspiels. Aber wir haben nach interner Beratung abgelehnt.“ Vor allem aus Sicherheitsbedenken.

Roter Stern Belgrad steht allerdings auch wegen seinen Beziehungen zum russischen Staatskonzern Gazprom in der Kritik. Den Sponsoring-Deal hatte der Klub nämlich trotz des russichen Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht gekündigt. Serbien hat die EU-Sanktionen entsprechend aufgeweicht, dass ein solches Sponsoring möglich ist.

Und dass EU-Sanktionen umgangen werden, ist im Fußball ja auch keinesfalls ungewöhnlich. Denn auch wenn die russische Nationalmannschaft suspendiert ist und auch russische Vereine nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen, der russische Verband selbst wurde weder von der UEFA noch von der FIFA suspendiert und blieb vollwertiges Mitglied der UEFA und der FIFA. Während also die Europäische Union Vermögenswerte aus Russland einfror und Unternehmen wie Gazprom mit Sanktionen belegte, flossen von der UEFA laut ihrer eigenen Finanzberichte allein im Geschäftsjahr 2022/23 mehr als fünf Millionen Euro über ein Förderprogramm nach Moskau. Auch die FIFA schickte 2023 rund 1,25 Millionen Euro an den russischen Verband, dessen Präsident Djukow beispielsweise in Großbritannien auch persönlich auf einer Sanktionsliste steht. Übrigens: Auch den Ausschluss der Nationalmannschaft wollen UEFA und FIFA erst nicht. Nach Beginn des Angriffskrieges schlugen sie stattdessen lediglich vor, dass Russlands Flagge und Hymne vorübergehend nicht genutzt werden, die Teams aber unter dem Namen „Fußballverband aus Russland“ statt als „Russland“ weiter mitspielen. Die Verbände aus Polen, Schweden und Tschechien verhinderten das allerdings, indem sie ankündigten, in den Playoffs der Qualifikation zur WM 2022 nicht gegen Russland anzutreten. „Das polnische Nationalteam wird nicht gegen Russland spielen, egal wie das Team genannt wird“, teilte beispielsweise der polnische Verbandspräsident Cezary Kulesza damals mit. Eine zweistellige Zahl europäischer Verbände folgte dem Beispiel, der DFB befand sich übrigens nicht darunter.

Das aber nur als – wichtige! – Randnotiz der Deutschland-Tour von Roter Stern Belgrad, die dem Klub vor 34 Jahren den Weg zum Titelgewinn im Europapokal der Landesmeister ebnete.

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Von admin