„Ich habe das Gefühl, dass ich genauso gewonnen habe, wie ich es wollte, nämlich ohne jemand zu sein, der ich nicht bin“, mit diesem fast schon philosophischen Satz begann Lando Norris sein erstes Interview als frischgebackener Formel 1-Weltmeister. Im letzten Rennen der Saison 2025 hatte Norris Platz drei hinter Sieger Max Verstappen und seinem australischen McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri nämlich zum Titelgewinn gereicht. „Ich habe nicht versucht, so aggressiv wie Max oder so energisch wie andere Champions der Vergangenheit zu sein – was auch immer das sein mag“, sagte Norris, der damit für einen neuen Weltmeister-Typus im Motorsport steht: Offen, auch im Umgang mit Schwächen, ja, fast sogar verletzlich, und nach eigener Aussage auch ohne den berüchtigten Killerinstinkt.
Letzteres schränkte er im Interview aber dann doch noch etwas ein: „Ich habe getan, was getan werden musste, um Weltmeister zu werden“, sagte Norris. „Und ich habe meine Leute glücklich gemacht. Darum geht es mir wirklich am Ende des Tages. Ich werde morgen nicht aufwachen, damit ich einfach nur sagen kann: ‚Ich bin Weltmeister‘.“ Es gehe darum, dass seine Mutter, sein Vater, seine Schwestern, sein Bruder glücklich seien und seine Freunde. „Das ist alles, was ich im Leben brauche.“ Entsprechend allein fühlte sich Norris auch bei seinem Weltmeister-Interview auf dem großen weißen Sofa im Fahrerlager auf dem Yas Marina Circuit, auf dem er in der Tat auch etwas verloren aussah. Aber sein Gefühl hatte auch noch einen ganz anderen Grund: „Ich hoffe, das ist die einzige Zeit, in der ich allein bin“, sagte Norris. „Ich hoffe, meine Leute hatten schon reichlich Drinks, ich will noch Party mit ihnen machen. Denn es geht mehr um sie als um mich.“ Bodenständigkeit in der brutal durchinszenierten Welt der Formel 1.
Lando Norris fährt übrigens schon seit 2019 für McLaren. Im vergangenen Jahr scheiterte er an Verstappen, der seinen vierten Titel nacheinander feierte. In diesem Jahr setzte sich Norris durch und gewann am Ende mit zwei Punkten Vorsprung die Fahrer-WM trotz eines Saisonsieges weniger als Verstappen, auch weil er zwischendurch, genauso wie sein Teamkollege Oscar Piastri, der am Ende dritter in der Gesamtwertung wurde, zwischendurch sieben Rennen in Serie gewann.
Den Motorsport begann Norris ganz klassisch, an der Picke, im Kart. 2015 wechselte er mit 16 in den Formelsport, begann in der Formel 4. Schon Anfang 2016 ging Norris dann in der neuseeländischen Toyota Racing Series an den Start. Er gewann sechs Rennen und entschied so direkt die Meisterschaft für sich. Anschließend absolvierte Norris ein Dreifachprogramm in Europa, startete im Formel Renault 2.0 Eurocup sowie der nordeuropäischen Formel Renault. Im Eurocup gewann er fünf Rennen und stand insgesamt zwölfmal auf dem Podium der drei Erstplatzierten, auch hier sicherte er sich so direkt die Meisterschaft, während er in der nordeuropäischen Formel Renault sechs Rennen für sich entschied und mit insgesamt elf Podest-Platzierungen ebenfalls Meister wurde. 2017 folgte die Formel 3-Meisterschaft, 2018 die Vize-Meisterschaft in der Formel 2.
Seit 2019 dann also Formel 1. Hier landete er 2020 gleich das erste Mal auf dem Podium, startete 2021 zum ersten Mal von der Pole Position und etablierte sich so schnell als eines der krassesten Fahrertalente – auch wenn er seinen ersten Sieg erst 2024 in Miami, USA, einfahren konnte. Sein Vater Adam Norris ist Gründer eines Investmentunternehmens und zählt zu den reichsten Menschen Bristols. In der Liste der reichsten Brit*innen wird er auf Platz 501 geführt, Lando Norris kommt also aus einem privilegierten Elternhaus, muss man aber wohl auch, wenn man im Rennsport Schritthalten möchte.
Nichtsdestoweniger: Dass aus einem Sport, der immer wieder wegen Macho-Gehabe, Kommerzialisierung und Umwelt-Mängeln massiv in der Kritik steht, plötzlich bescheidenere Töne zu hören sind, ist zweifelsohne eine willkommene Abwechselung. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Lando Norris, auch von FanLeben.de!
