Manchmal schreibt der Fußball rund um einzelne Spiele ganz besondere Geschichten – absurd oder bewegend. Auf FanLeben.de rekonstruieren wir diese Geschichten und halten so die Erinnerung am Leben. Nachdem wir bislang über das Spiel Barbados und Grenada 1994, bei dem beide Mannschaft unbedingt ein Eigentor erzielen wollten, die Rückkehr von Erzgebirge Aue auf die internationale Bühne, über die tragische Geschichte der torreichste Begegnung aller Zeiten, über einen Schiedsrichter und seine Zahnprothese, über die WM 1954 berichtet haben, ein kurioses Qualifikationsspiel zwischen Madagaskar und Mauritius, ein Spie mit mehr als einem Ball berichtet haben und ein ziemlich überraschendes Tor berichtet haben, geht es heute um einen Spielabbruch, von dem vor allem Rot-Sünder profitierten. Los gehts!
Am 16. März 2002 empfing Sheffield United im Bramall Lane West Bromwich Albion. Beide Teams spielten in der damaligen First Division, der heutigen Championship, also in der zweiten englischen Liga. West Bromwich Albion befand sich mitten im Kampf um den Aufstieg in die Premier League, während Sheffield United versuchte, den Anschluss an die obere Tabellenhälfte zu halten. Die Partie war sportlich also bedeutsam, die Atmosphäre angespannt, weil beide Teams eine lang-gehegte Rivalität verband – beste Voraussetzungen also für ein intensives Ligaspiel.
Und damit gehen wir rein in die Partie: West Bromwich erwischte den besseren Start und ging früh in Führung. Sheffield United wirkte nervös, kam nicht richtig ins Spiel – und verlor zunehmend die Kontrolle. Der Frust entlud sich zunächst in harten Zweikämpfen, später in offenen Fouls. In der 62. Minute folgte daraufhin die ersterote Karte für Sheffield United, in der 66. der zweite Platzverweis und auch in der 79. Minute sah ein Spieler aus Sheffield die rote Karte. Sheffield United spielte daraufhin also nur noch zu acht. West Bromwich Albion nutzte die Überzahl konsequent und erhöhte im weiteren Verlauf auf 3:0.
Doch damit nicht genug.
Sheffield-Trainer Neil Warnock wechselte daraufhin nämlich bewusst bereits angeschlagene Spieler ein. Kurz nacheinander verließen so nämlich zwei weitere Sheffield-Spieler, dieses Mal allerdings verletzt, den Platz, weil das Wechselkontingent bereits ausgeschöpft war. Die Konsequenz: Plötzlich standen nur noch sechs Spieler von Sheffield United auf dem Feld.
Der Schiedsrichter hatte daraufhin keine Wahl: Er pfiff zum Spielabbruch in der 82. Minute.
Denn nach den Fußballregeln darf eine Mannschaft nicht mit weniger als sieben Spielern weiterspielen. Das ein Profi-Spiel aufgrund dieser Regel abgebrochen werden muss ist extrem selten – und im englischen Profifußball bis heute einzigartig.
Schnell entbrannte darum auch eine Diskussion darüber, ob Sheffield United den Abbruch bewusst in Kauf genommen hatte, um eine höhere Niederlage zu vermeiden. Denn die Regeln sahen auch vor: Wird ein Spiel wegen des Fehlverhaltens einer Mannschaft abgebrochen, wird es mit 3:0 für die andere Mannschaft gewertet. Wollte Warnock durch seine Einwechselungen also das 0:3 absichern anstatt auf dem Feld eine noch höhere Niederlage zu riskieren? Der englische Fußballverband untersuchte den Vorfall, beließ es jedoch bei der Wertung von 3:0 für West Bromwich Albion.
Sheffield United wurde mit Geldstrafen belegt, mehrere Spieler erhielten Sperren. Der Imageschaden war erheblich – das Spiel ging als abschreckendes Beispiel für vollständigen Kontrollverlust in die englische Fußballgeschichte ein. Und es löste eine Diskussion über geltende Regeln aus, denn es erschien vielen unfair, dass ein Spielabbruch der Mannschaft hilft, die durch ihn eigentlich bestraft werden sollte.
Und damit schrieb dieses Ligaspiel Geschichte. Viel mehr als man eigentlich hätte erwarten können. Bis heute reicht ein Satz, um englischen Fußballfans alles zu sagen: The Battle of Bramall Lane.
