Die Karriere von Dennis Diekmeier war lange unscheinbar. Los ging es in der Jugend bei Werder Bremen, dann der Schritt über den 1. FC Nürnberg, bei dem er sich im Profifußball etablierte, und nach einem Jahr weiter zum HSV. Acht Jahre blieb er in der Hansestadt. Galt als laufstarker, kämpferischer, engagierter Spieler, dafür weniger als filigran, solide und zuverlässig. Danach wechselte der rechte Verteidiger zum SV Sandhausen, für den er übrigens sein erstes Tor erzielte: Am 34. Spieltag gegen den HSV, den er damit im ersten Jahr Zweitklassigkeit an der Bundesliga-Rückkehr hinderte. In den fünf Jahren an der Ostalb wurde Diekmeier, der eigentlich nur ein Jahr bleiben wollte, um sich wieder für größere Vereine zu empfehlen, zur ersten richtigen SVS-Legende. Und wurde damit auch über Hamburg und Sandhausen immer mehr Fußballfans ein Begriff.
Doch so viel Aufmerksamkeit wie jetzt hat Dennis Diekmeier in allen Jahren als Bundesliga-Profi in Liga eins oder zwei noch nie bekommen – und das bedeutsame: Die Aufmerksamkeit, die ihm und seiner Familie jetzt wiederfährt, ist Ausdruck von echter Solidarität in der Fußball-Familie.
Und darum geht es: Im Januar wurde festgestellt, dass Delani, eine Tochter von Dennis und Dana Diekmeier, die gemeinsam vier Kinder haben, einen Tumor an der Nebenniere hatte. Er wurde entfernt – und zunächst waren die Ärzte positiv. „An sich nichts Dramatisches“, so erinnert sich Dana Diekmeier an die anfänglichen Aussagen. Doch drei Wochen später stand dann fest, wie ernst die Lage für Delani tatsächlich war und ist: Der Tumor stellte sich als bösartig heraus. Außerdem wurde erkannt, dass er bereits gestreut hatte. Metastasen hatten sich in der Lunge der heute 13-jährigen Delani gebildet. Dana Diekmeier erinnert sich: „Es wurde immer schlimmer. Erst war es nur ein Tumor, dann war es Krebs, und jetzt ist es so, dass sie keine Chance auf Heilung hat. Dass sie so schwer krank ist, dass man nicht weiß, ob sie das überlebt.“ Als die Ärzte ihnen die Krebsdiagnose in der Klinik eröffneten, hätten Dennis und sie „gar nicht greifen können“, was sie da hörten. Auch Delani habe gefragt, „was bedeutet das denn jetzt?“
Für die Familie änderte sich das Leben rasant. Es war klar, dass ein richtig harter Kampf auf sie zukommt. Den Pathos, dass er offensichtlich härter und vor allem natürlich auch wichtiger würde, als jeder Kampf auf dem Fußballfeld, sparen wir uns hier. Bei den Diekmeiers war für solche Vergleiche nämlich selbstverständlich auch keine Zeit. Stattdessen musste die Behandlung geplant und vor allem kindgerecht erklärt werden. „Natürlich waren das die Worte Chemotherapie, die Haare fallen aus, du wirst abnehmen, du wirst wahrscheinlich eine Magensonde brauchen, du wirst nicht mehr essen können, du bist viel im Krankenhaus“, berichtet Dana.
Das ist für die Familie wahnsinnig intensiv – und eigentlich auch intim. Doch der Grund, dass die Diekmeiers im Moment so viel Aufmerksamkeit bekommen ist, dass sie sich entschieden haben, offen mit ihrer Situation umzugehen. Dana Diekmeier berichtet zum Beispiel über Selbstzweifel und Vorwürfe, die sie sich zu Beginn dieser Zeit gemacht habe: „Gerade ich habe mir dann so viele Vorwürfe gemacht, warum ich nicht früher mit ihr zum Arzt gegangen bin, dann wäre der Tumor nicht so groß.“ Außerdem macht sie transparent, wie sehr es sie als Mutter herausfordert, trotz allem all ihren Kindern gerecht zu werden: „Du sitzt neben dir und beobachtest das nur und denkst, das will ich jetzt aber nicht. Wie soll das gehen? Ich habe noch drei andere Kinder, und wie soll dieses Kind das alles durchmachen? Und was ist passiert, dass das so gekommen ist?“ Dennis Diekmeier, inzwischen eigentlich in Führungsverantwortung beim SV Sandhausen, ließ sich vom Verein beurlauben, um all seine Kraft der Familie zu widmen und öffentlich für die Kinderkrebsforschung zu werben.
Gerade dieses Engagement ist dabei auch mit der Hoffnung für Delani verbunden. Denn in den vergangenen Monaten hat Delani kräftezehrende Operationen und Chemotherapien verkraften müssen. Die gewünschte Wirkung zeigten sie jedoch bislang noch nicht. Die Ärzte setzen jetzt auf eine Immuntherapie. Sie hoffen auf ein Wunder für Delani, auf Zeit und ein neues Medikament, das sie heilen kann. „Ich schaue doch nicht einfach zu, wie mein Kind stirbt? Auch wenn es nur 1 Prozent ist, dass sie überlebt – das eine Prozent muss ich doch nutzen?!“, betont Dana Diekmeier. „Zu 90 Prozent“ sei ihre Tochter positiv und sage: „Mach dir keine Sorgen, ich schaffe das doch.“
Aber natürlich gibt es auch andere Momente: „Nein, Mama, was ist, wenn ich dann jetzt sterbe?“, habe sie sie einmal gefragt, berichtet Dana Diekemeier. „Wann sterbe ich und wie sterbe ich und was passiert da?“, wolle ihre Tochter manchmal wissen. „Natürlich weiß ich, dass sie das beschäftigt und mich ja auch und die Geschwister auch“, gibt sie Einblick in den schwierigen Alltag der Familie seit dem Krebsdrama.
Am vergangenen Wochenende war Dennis Diekmeier mal wieder im Volksparkstadion des Hamburger SV zu Gast, um auf das Schicksal seiner Familie aufmerksam zu machen. Und um für eine Spendenaktion zu werben, welche die Familie auf gofoundme gestartet hat. Dort heißt es: „Unsere Tochter ist mit 14 Jahren an einem sehr seltenen und aggressiven Krebs erkrankt . Wir merken nun, über 6 Monate nach der Diagnose, dass es bei der Forschung für viele seltene Krankheiten einfach am Geld fehlt. Dies würden wir gerne ändern und brauchen dafür eure Hilfe. Wenn jeder nur ein paar Euro spendet, können sicher bald mehr Menschen geheilt werden und haben eine Chance zu überleben.“ Fast 75.000 Euro sind bislang zusammengekommen.
Auch dabei hilft jetzt die Öffentlichkeit, die Dennis Diekmeier mit seiner Familie als ehemaliger Fußballprofi herstellen kann. Denn Fans in den verschiedensten Stadien solidarisieren sich mit Delani, senden ihr Grüße. Und Marcel Schuhen, Torwart von Zweitligist Darmstadt 98, hat jetzt sogar von allen deutschen Profiklubs eine Initiative eingefordert, um die Spendenaktion der Diekmeiers zu fördern: Jeder Klub soll ein von allen Spielern unterschiebenes Trikot zur Verfügung stellen, das zugunsten der Krebsforschung versteigert werden soll. Sein Aufruf: „Rückt zusammen, helft und seid füreinander da.“ Die Hälfte der 56 Profiklubs hat bereits zugesagt auf diese Weise zu helfen.
Gleich zwei Dinge sind hier unfassbar wertvoll: Wie die Familie Diekmeier anderen betroffenen Familien Mut macht, empathisch Aufklärung schafft und darüber hinaus auch noch die Kraft findet, für medizinischen Fortschritt zu kämpfen. Und wie sehr die Fußball-Familie über alle Grenzen zusammen rückt, Trost spendet und mithilft. Beides zeigt einfach, wie viel Gutes in uns steckt.
Am wichtigsten aber ist es jetzt, Delani die Daumen zu drücken. Auch FanLeben.de sagt: Liebe Delani, bleib stark! Und bitte werde wieder gesund. Fußball-Deutschland steht dabei an Deiner Steite!
