Vitesse – der, wenn man so will, Vorname des Arnheimer Profifußballvereins, ist französisch. Auf Deutsch bedeutet es: Schnelligkeit. Und nun ja: In den letzten acht Jahren machte der Klub seinen Namen alle Ehre. Nur halt wirklich nicht im positiven Sinne. 2017 feierte Verein seinen größten Trimumph – heute hingegen ist er abgeschlagenen Letzter in der zweiten Liga. Wie konnte es dazu kommen?

Unsere Geschichte beginnt 2017: Vitesse Arnheim gewinnt zum ersten Mal in seiner Geschichte, nach bislang drei erfolglosen Finalteilnahmen, den niederländischen Fußballpokal. In der ewigen Tabelle der Eredevise steht der Klub, der übrigens auch acht Jahre älter ist als Ajax Amsterdam, auf Rang 12. Und auch in der Saison 2016/17 hatte man, nach einigen turbulenten Jahren, eine ruhige Saison gespielt. Es war also alles gut in Arnheim – endlich mal.

Denn hinter dem niederländischen Traiditionsverein, der die ersten Jahre übrigens wie auch der BVB in blau-weißen Trikots spielte, mittlerweile aber ebenso wie die Dortmunder zu schwarz-gelb gewechselt sind, lang auch damals ein durchaus turbulentes Jahrzehnt. 2008 musste Vitesse nämlich eingestehen, knapp 30 Millionen Euro Schulden angehäuft zu haben, ein Zwangsabstieg drohte. Die Stadt Arnheim schritt ein, besänftigte die Gläubiger. Die niederländische Fußballpresse sorgte in dieser Zeit aber noch für eine weitere Parallele zu einem deutschen Top-Team: Angelehnt an die Unruhen beim FC Bayern in den 90ern benannte sie Vitesse in FC Hollywood aan de Rijn – zu Deutsch: FC Hollywood vom Rhein – um. Es folgten zwei sportlich gesehen sorgenfreie Jahre. 2009 und 2010 sicherte man sich jeweils relativ unspektakulär den Klassenerhalt. Doch den Arnheimern war das zu wenig. Und so wurde der Klub an den georgische Investor Merab Jordania verkauft – gehörte so als erster niederländischer Verein einem ausländischen Investoren. Jordania kündigte an die Schulden zu begleichen und Vitesse zu einem Spitzenteam zu machen. Das klappte mäßig: 16 Spieler verließen zwar den Verein, während 18 Neuzugänge geholt wurden, allerdings landete man trotzdem nur auf dem Abstiegsrelegationsplatz. Übrigens punktgleich mit einem direkten Absteiger, nur das etwas bessere Torverhältnis sicherte Vitesse eine weitere Chance. Im folgenden Jahr lief es auch nicht viel besser: Drei Trainer verschliessen die Arnheimer in nur einer Saison, die Bilanz: Wieder Abstiegskampf. Erinnert ein wenig an den HSV. Dann jedenfalls hatte Investor Jordania auch schon keine Lust mehr und verkaufte den Klub an die ukrainische Holzpellets-Firma ST Group.

Unter den Führung der ST Group wurde es wieder ruhiger in Arnehim und Vitesse konnte sich, wie gesagt, sogar den niederländischen Pokal sichern. Aber Konstanz ist offenbar nichts für den Klub und deswegen wurde es rasch wieder kurios: Vitesse Arnehim ging nämlich, vermittelt unter anderem durch den damaligen Chelsea-Boss Roman Abramovic, eine Kooperation mit dessen Londoner Klub ein. Soweit nicht ungewöhnlich. Problematisch ist jedoch, dass Vitesse die Verbindungen zu Abramovic auch nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aufrechterhielt. Zur Einnerung: Abramovic wird wegen seiner Verbindungen zu Russlands Diktator Wladimir Putin von der EU sanktioniert, musste unter anderem den FC Chelsea verkaufen. In Arnheim störte man sich daran aber nicht. Bis die knapp 117 Millionen Euro, die Abramovic in den Klub investiert haben soll, 2023 öffentlich wurden. Mit drastischen Konsequenzen: Das niederländische Ministerium für Wirtschaft und Klima untersuchte daraufhin nämlich die Verbindungen zwischen Vitesse und Abramovich vor dem Hintergrund der EU-Sanktionen gegen den Russen. Der Lizensierungsausschuss des niederländischen Fußballverbandes kam daraufhin nach einem Untersuchungsbericht zu dem Schluss, „dass es Hinweise darauf gibt, dass Abramovich Kontrolle über Vitesse hat oder hatte und dass Risiken von Sanktionsverstößen und Geldwäsche bestehen“. Die Strafe: Der höchte Punktabzug in der Geschichte des niederländischen Fußballs. 18 Punkte wurde Vitesse Arnheim fünf Spieltage vor Ende der Saison 2023/24 abgezogen, damit war der Abstieg besiegelt.

Abramovic agierte dabei die ganze Zeit nur im Hintergrund. Offiziell hatte Valeri Oyf den Verein bereits 2018 von den ukrainischen Holzfällern übernommen. 2022, welch ein Zufall (keiner), wollte Oyf, der seit vielen Jahren enge Geschäftsbeziehungen zu Abramovic unterhält, Vitesse Arnheim nämlich verkaufen. Als neuer Eigentümer wurde das US-amerikanische Investmentunternehmen The Common Group von Coley Parry, die bereits einen englischen Dritt- und einen belgischen Zweitligisten besitzt, vorgestellt. Die Übernahme aber scheiterte: Als Begründung gab der für die Prüfung zuständige Verband an, dass das Lizenzkomittee der Meinung sei, The Common Group habe keinen Nachweis über das benötigte Kapital geliefert und nicht klar nachweisen können, dass es Investoren gäbe sowie woher das Kapital des Unternehmens stamme. Nach der Vorgeschichte natürlich inakzeptabel.

Doch in Arnheim hatte man rasch eine Alternativ-Idee: Ein Schlupfloch. Denn in den Niederlanden muss der Fußballverband nur dann Übernahmen durch Investoren zustimmen, wenn ein Investor nach der Übernahme mehr als 24,9% der Klubanteile besitzt. Also stellte man eine internationale Eigentümergruppe für den Klub zusammen, bei der jeder für sich weniger als 24,9% besitzt. Generell ist ein solches Konstrukt wie gesagt zwar erlaubt, aber es ist explizit nicht erlaubt, ein solches Konstrukt zu basteln, um eine Prüfung durch den Verband zu umgehen. Das Problem: Timo Braasch, ein Deutscher übrigens, einer der Co-Eigentümer, hatte genau das zugegeben. Also leitete der niederländische Fußballverband wieder ein Sanktionsverfahren gegen Vitesse Arnheim ein. Und dieses Mal gab es für die Wiederholungstäter eine noch härtere Strafe: 39 Punkte Abzug. Plus Lizenzentzug.

Mit dem erneuten Abstieg würde Vitesse Arnheim seinen Profistatus verlieren. Nur acht Jahre nach dem ersten Pokalsieg der Vereinsgeschichte. Der Traditionsverein steht damit vor dem Aus. Aber noch kämpft er um seine Existenz: Anders als nach dem Abramovic-Urteil letztes Jahr hat man gegen die jetzige Strafe nämlich Berufung eingelegt.

Vitesse – Mit falschen Entscheidungen kann man schnell alles zerstören, was Generationen vor einem aufgebaut haben.

Um aus dem Trümmern wieder etwas aufzubauen, braucht man hingegen Geduld. Geduldig – das heißt auf französisch Patience.

Bleibt zu hoffen, dass wir im nächsten Artikel über die Erfolge von Patience Arnheim schreiben können.

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Von admin