Lara Schenk wagte den Sprung über den Atlantik bereits 2018 – damals allerdings nicht aus sportlichen, sondern akademischen Gründen. Die Verteidigerin, die zuvor für die B-Juniorinnen des VfL Wolfsburg in der Bundesliga spielte und 25 Mal das DFB-Nachwuchs-Trikot trug, entschied sich für ein Studium an der renommierten Harvard University. Damit stellte sie ihre Fußballkarriere zunächst hintenan, blieb dem Sport jedoch im College-Team treu.

Nach ihrem Abschluss in Psychologie sowie Global Health and Health Policy im Dezember 2022 rückte der Fußball wieder in den Mittelpunkt. Schenk unterschrieb ihren ersten Profivertrag beim FC Brügge, ein Jahr später feierte sie mit Anderlecht die belgische Meisterschaft. Parallel arbeitete sie als Bildungs- und Sportberaterin, um anderen jungen Spielerinnen den Weg ans US-College zu ebnen.

2024 zog es Schenk nach Spanien zu Sporting Huelva. Sportlich lief es für ihren neuen Verein da überhaupt nicht, doch die jungen Spielerin blieb dennoch international gefragt. Scouts schätzten ihre Vielseitigkeit, taktische Intelligenz und technische Stärke. In der neugegründeten kandadischen Profi-Liga, der Northern Super League, ist die 25-Jährige darum die erste deutsche Spielerin überhaupt. Ihr Team: Die Montreal Roses. „Ihre Ballkontrolle, ihr taktisches Geschick und ihre Technik machen sie zu einer großen Verstärkung“, schwärmt Sportdirektorin Marinette Pichon. Schenk selbst spricht von einem „historischen Moment“ und einem Klub, dessen Werte zu ihren eigenen passen.

Doch warum zog es eine so talentierte Fußballerin wie Lara Schenk so früh ins Ausland? Warum spielt die ehemalige Juniorinnennationalspielerin nicht in der Bundesliga?

Die Antwort: Weil die deutsche Frauen-Liga international längst den Anschluss verloren hat. Auch in der Nationalmannschaft gibt es heute so viele Legionärinnen wie noch nie. Und das ist komplett selbstverschuldet.

Denn der Frauenfußball hat in den vergangenen Jahren international enorme Fortschritte gemacht. Stadien füllen sich, Fernsehübertragungen erreichen Millionenpublikum, und Sponsoren investieren in bislang ungekanntem Ausmaß. Aber vor allem in Ausland: Während in England und den USA die Professionalisierung des Frauenfußballs längst Realität ist, wirkt die Bundesliga im internationalen Vergleich noch immer wie ein Entwicklungsprojekt. Das spiegelt sich nicht nur in den Gehältern wider, sondern auch in den Rahmenbedingungen für Spielerinnen.

In England verdienen die Profis der Women’s Super League im Schnitt fast doppelt so viel wie ihre Kolleginnen in Deutschland. Das liegt an mehreren Faktoren: Zum einen wurde die Liga frühzeitig als Vollzeit-Wettbewerb organisiert. Seit 2018 sind alle Klubs verpflichtet, Spielerinnen professionelle Verträge anzubieten. Damit können sie sich vollständig auf den Sport konzentrieren. In Deutschland hingegen ist die Bundesliga nach wie vor überwiegend semi-professionell. Viele Spielerinnen müssen neben dem Fußball arbeiten oder studieren, weil ein Jahresgehalt von durchschnittlich 48.000 Euro nicht ausreicht, um langfristig abgesichert zu sein. Dabei profitiert die Women’s Super League von millionenschweren TV-Verträgen mit Sky Sports und der BBC. Hinzu kommt die Unterstützung von Großsponsoren wie Barclays.

Noch deutlicher wird der Unterschied bei den Rahmenbedingungen jenseits des Spielfelds. In England sind Spielerinnen nicht nur Profis, sondern haben auch als Arbeitnehmerinnen mit klare Rechte. So wurde ein Standard geschaffen, der Mutterschutz und garantierte Vertragsverlängerungen nach einer Entbindung umfasst. Spielerinnen, die ein Kind bekommen, müssen damit nicht länger um ihre berufliche Zukunft fürchten. In Deutschland bietet bisher nur die TSG Hoffenheim ihren Fußballerinnen ähnliche Sicherheiten. Topklubs auf der Insel investierten darüber hinaus extrem früh viel in Sportwissenschaft, um die Trainingspläne der Spielerinnen an ihren Zyklus anpassen zu können. Sportlich sinnvoll, sicher, aber auch ein Zeichen des Respekts.

Apropos Respekt: In der kommenden Saison spielt der FC Arsenal alle Liga-Heimspiele im Emirates Stadium. Bereits in der abgelaufenen Saison war das bei neun von elf Spielen der Fall. Der Zuschauer-Schnitt lag bei 34.110 – Tendenz steigend. Und so entschied sich der Londoner Klub dazu, jetzt auch die Erfolge des Frauen-Teams sichtbar zu machen: Sie schmücken nun die Baden der Arena, gleichberechtigt neben denen der Männer-Teams. Auch eine solche Anerkennung kriegen deutsche Frauenmannschaften bislang kaum.

Selbst in den USA, die ja per se kein Fußball-Land sind, sind die Strukturen erheblich weiter. Die National Women’s Soccer League (NWSL) arbeitet mit verbindlichen Mindestgehältern und Tarifverträgen, die nicht nur Gehaltsspannen, sondern auch Themen wie Elternzeit und medizinische Versorgung regeln. Nationale Topspielerinnen erhalten zudem zentrale Verträge über den Verband, die finanzielle Stabilität schaffen. Deutsche Spielerinnen hingegen sind häufig auf individuelle Lösungen angewiesen, die stark vom jeweiligen Klub abhängen.

Die Unterschiede zwischen England, den USA und Deutschland sind also nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine Frage der Wertschätzung. Während Spielerinnen in London oder Portland auf professionelle Strukturen und langfristige Planungssicherheit bauen können, müssen sie in Frankfurt oder Bremen oft darum kämpfen, überhaupt von ihrem Beruf leben zu können. Der DFB hat angekündigt, ab 2025/26 Mindestgehälter einzuführen und die Bundesliga weiter zu professionalisieren.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch die Kluft zu den Vorreitern bleibt groß.

England und die USA zeigen, wie es gehen kann. Die Bundesliga steht an einem Scheideweg – ob sie den Anschluss findet, hängt davon ab, ob endlich die gleichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Frauenfußball andernorts schon heute selbstverständlich machen.

Nach internationalen Turnieren wird in Deutschland häufig davon gesprochen, einen Hype in dauerhafte Strukturen ummünzen zu wollen. Hoffnung macht, dass immer mehr finanzstarke Vereine, die bislang vor allem aus den Männer-Fußball kommen, starke Frauen-Teams aufbauen. Der HSV, Werder Bremen und Union Berlin sind schon erstklassig, Borussia Dortmund und Schalke 04 werden sicher bald dazu kommen. Dann muss die Liga aufgestockt werden, um ihre Vermarktbarkeit und damit auch die Einnahmen der Klubs zu verbessern. Und über die Vereine mit professionellen Männer-Mannschaften, damit die traditionellen Frauen-Teams nicht hinten rüber fallen, müssen dann ligaweite Strukturen finanziert werden, die ähnlich professionelle Rahmenbedingungen – Stichwort: Mutterschutz – ermöglichen, wie sie in England und den USA schon Realität sind. Denn Fakt ist: Vereine wie der FC Bayern, der VfL Wolfsburg oder Eintracht Frankfurt unternehmen hier noch zu wenig.

Die Nachwuchsarbeit in Deutschland ist internationale Klasse. Damit sich das auch in der Klasse der Liga wiederfindet, braucht es Reformen – jetzt!

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Von admin