Manchmal schreibt der Fußball rund um einzelne Spiele ganz besondere Geschichten – absurd oder bewegend. Auf FanLeben.de rekonstruieren wir diese Geschichten und halten so die Erinnerung am Leben. Nachdem wir bislang über das Spiel Barbados und Grenada 1994, bei dem beide Mannschaft unbedingt ein Eigentor erzielen wolltendie Rückkehr von Erzgebirge Aue auf die internationale Bühneüber die tragische Geschichte der torreichste Begegnung aller Zeitenüber einen Schiedsrichter und seine Zahnprotheseüber die WM 1954 berichtet habenein kurioses Qualifikationsspiel zwischen Madagaskar und Mauritius, ein Spie mit mehr als einem Ball berichtet haben, ein ziemlich überraschendes Tor, einen Spielabbruch, von dem vor allem Rot-Sünder profitierten und die Erfindung der Strafkarten berichtet haben, geht es heute mal wieder ums Wetter in Kaiserslautern. Los gehts!

Es ist bis heute eines der größten Spiele in der Geschichte des 1. FC Kaiserslautern. Mit 5:0 besiegten die Roten Teufel in der Saison 1981/82 den großen Favoriten Real Madrid und sicherten sich so das Weiterkommen ins Halbfinale des UEFA-Cups. Fritz-Walter-Wetter? Kennen alle. Heute geht es um den Fritz-Walter-Nebel.

Die Europapokal-Saison der Spielzeit 1981/82 war für den FCK in mehrfacher Hinsicht denkwürdig. Zum dritten Mal in Folge präsentierten sich die Roten Teufel auf internationalem Parkett. Erstmals in seiner Geschichte erreichte der Verein das Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs. Und da wartete dann ausgerechnet Real Madrid. Das konnte ja heiter werden.

Oder eben ganz im Gegenteil: Denn die Roten Teufel schienen beim ersten Aufeinandertreffen mit den Königlichen an jenem 3. März 1982 richtig unter die Räder zu kommen. Die Spanier führten nach etwas mehr als einer halben Stunde durch Tore von Laurie Cunningham und Javi Hernandez bereits mit 2:0. Außerdem musste Friedhelm Funkel schon nach 40 Minuten mit einer schmerzhaften Fußverletzung vom Platz getragen und ins Krankenhaus gebracht werden. Ihm folgte ab Minute 70 dann auch Hans-Peter Briegel, den es nach einem ebenfalls harten Foul erwischt hatte. Zwischenzeitlich hatten die Hausherren durch Juanito zudem bereits auf 3:0 erhöht. Immerhin gelang es noch Norbert Eilenfeldt, der nach einem Foul an Bruno Hübner, den fälligen Strafstoß sechs Minuten vor Spielende verwandelte, noch den 3:1-Ehrenfreffer zu erzielen. Doch der Traum vom Halbfinale war damit doch vermutlich schon ausgeträumt. Oder?

Vor dem Rückspiel stand fest: Zum Weiterkommen braucht der 1. FC Kaiserslautern ein Wunder. Und Fußball-Wunder beginnen oft mit dem Wetter – am Betzenberg weiß man das besser als irgendwo sonst.

Aber Wetter reicht natürlich nicht. Also beginnen wir mit den Fans: Mit 34.500 Zuschauern war die Partie restlos ausverkauft. Der FCK hätte mehr als das Dreifache des Kontingents absetzen können. Darum musste man sogar, wenn man ein Europapokal-Ticket wollte, auch Tickets für ein eher unattraktives Bundesliga-Spiel dazu kaufen. Die entschlossene und giftige Stadionkulisse baute sich schon weit mehr als eine Stunde vor Anpfiff auf den Rängen auf. Auf dem Rasen erlebten das auch die beiden im Hinspiel verletzt ausgewechselten Spieler – wenn es für sie auch knapp war. Friedhelm Funkel nämlich stieg erst am Vortag des Spiels wieder ins Training ein, gab trotz schmerzhafter Beschwerden grünes Licht. Für Trainerfuchs Karl-Heinz Feldkamp ein wichtiger Puzzlestein in den Überlegungen gegen die Spanier am Ende doch noch zu triumphieren. Auch Hans-Peter Briegel konnte im Rückspiel wieder ran. Die Anweisung des Trainers kurz vor Anpfiff: „Habt keine Angst vor den Spaniern, geht selbst bis an die Grenze des Erlaubten, bringt das Publikum hinter Euch!“

Es baute sich ein Hexenkessel auf. Ein unkalkulierbares Umfeld. Und damit sind wir dann auch beim Wetter, pardon, beim Fritz-Walter-Nebel: Über Kaiserslautern lag ein dichter, feuchter Nebel, der sich im Laufe des Abends immer wieder verdichtete und die Sicht sowohl für die Zuschauer als auch für die Akteure auf dem Platz einschränkte. Besonders in den Randbereichen des Spielfelds und in Richtung der Tribünen verschwammen Konturen; weite Teile des Spiels wurden eher erahnt als klar gesehen. Der Nebel hatte dabei weniger eine technische als eine psychologische Wirkung. Für die Spieler von Real Madrid bedeutete er zusätzliche Orientierungslosigkeit in einer ohnehin ungewohnten Umgebung. Lange Bälle verloren sich im Grau, Laufwege waren schwerer zu antizipieren, und die Kommunikation innerhalb der Mannschaft wurde erschwert. Kaiserslautern hingegen schien von den Bedingungen eher zu profitieren. Die Mannschaft agierte aggressiv, direkt und mit hoher Intensität, während das Publikum – das trotz (oder gerade wegen?) der schlechten Sicht lautstark präsent war – die Atmosphäre weiter auflud.

Das wirkte. Und wie! Schon acht Minuten nach Spielbeginn zog nach einer feinen Flanke von Hannes Bongartz Friedhelm Funkel aus der Drehung aus spitzem Winkel ab und zum Entsetzen der Spanier kullerte das Leder Keeper Augustin durch die Beine ins Tor. Der FCK führte also früh und rannte weiter wie entfesselt an. Nur sieben Minuten später wagte Andy Brehme nach einer Flanke von rechts einen Schussversuch, bei dem der Ball in hohem Bogen an die Latte trudelte. Die Kugel sprang von da Friedhelm Funkel genau vor die Füße, der aus kürzester Distanz den Ball zum 2:0 über die Linie drückte. Gerade mal eine Viertelstunde war gespielt und der FCK hatte das Hinspiel-Ergebnis bereits egalisiert. Und das provozierte die Spanier: Als Isidoro San Jose in der 34. Minute den wieselflinken Beppo Hofeditz nur mit einer überharten Grätsche stoppen konnte, zückte der ungarische Schiedsrichter Karoly Palotai die rote Karte. In der 40. Minute flog auch Hinspiel-Torschütze Cunningham nach einer Tätlichkeit vom Platz. 2:0 vorne und zwei Mann mehr – die erste Halbzeit hätte schlechter laufen können.

Nach dem Seitenwechsel machte der FCK dort weiter, wo er vorher aufgehört hatte. In der 50. Minute startete Hannes Bongartz, der an jenem Abend vielleicht das Spiel seines Lebens machte, einen unwiderstehlichen Sololauf über die linke Seite. Nach zwei seiner berühmten Übersteiger schlenzte er das Leder elegant ins rechte untere Eck zum 3:0 für den FCK. Nur sechs Minuten nach dem Treffer von Hannes Bongartz war es Norbert Eilenfeldt, der nachlegte. Rainer Geye legte nach einem feinen Sololauf über die rechte Seite das Leder flach in die Mitte, wo sich Norbert Eilenfeldt gegen seinen Gegenspieler durchsetzte und die Lauterer Führung auf 4:0 ausbaute. Kurz drauf verschoss Real Madrid sogar noch einen Elfmeter. In der 71. Minute flog dann auch noch Franciso Pineda wegen eines überharten Foulspiels vom Platz, die dritte rote Karte für die Gäste. Das nutze Reiner Geye nur zwei Minuten später und erzielte den 5:0-Endstand. Wahnsinn!

Spielte an diesem Abend noch keine Rolle, sollte aber Wochen später ein Wehrmutstropfen für diese Geschichte werden: Nach einem 1:1 am heimischen Betzenberg mussten sich die Roten Teufel im Halbfinal-Rückspiel dem späteren UEFA-Cup-Gewinner IFK Göteborg mit 1:2 nach Verlängerung geschlagen geben – und schieden aus.

Was aber bleibt und niemandem, der es mit dem 1. FC Kaiserslautern hält, jemals wieder genommen werden kann, ist der Fritz-Walter-Nebel vom 17. März 1982. Denn das Wetter verstärkte den Eindruck eines Ausnahmeabends: ein Europapokalspiel, das sich weniger über klare Bilder als über Geräusche, Emotionen und Dynamik vermittelte. Der Nebel trug dazu bei, dass der Betzenberg seinen Ruf als schwer bespielbarer Ort bestätigte. In der Rückschau gilt er als einer der Faktoren, die das Spiel entgrenzten – weg von einem normalen Fußballabend, hin zu einem Ereignis, das sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat.

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Von admin