Die Handballverbänden Dänemarks, Schwedens und Norwegens haben einen Brief geschrieben, adressiert an die Internationale Handballföderation IHF. Rund sechs Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft in Deutschland und den Niederlanden fordern die drei Nationen eine Regeländerung. Eine, die auf den ersten Blick banal wirkt – auf den zweiten aber viel über bestehende gesellschaftliche Strukturen aussagt.

Es geht um die Farbe von Hosen.

Konkret wollen die skandinavischen Verbände künftig auf helle Shorts verzichten. Der Grund: Rücksicht auf die Menstruation der Spielerinnen. „Wir wollten das schon lange ändern, aber jetzt haben wir einen offiziellen Antrag gestellt“, sagt Mette Vestergaard, stellvertretende Vorsitzende des dänischen Verbands,. Die zweifache Olympiasiegerin weiß, wovon sie spricht. Jahrelang war sie selbst auf dem Feld, in weißer Kleidung, unter grellem Licht. In den Regularien der IHF ist festgeschrieben, dass jede Nationalmannschaft mindestens einen Satz heller Trikots und Hosen mitführen muss. Eine Vorschrift, die bislang kaum jemand hinterfragt hat. Bis jetzt. Denn: „Das Problem ist, dass sich die Mädchen dadurch sehr unsicher fühlen, und wenn man gerade seine Periode hat, ist das ein Thema, das einen sehr beschäftigt“, sagt Vestergaard.

Was auf dem Papier wie eine Nebensächlichkeit wirkt, betrifft in Wahrheit das Selbstverständnis des Sports. In Norwegen wird das Thema längst breit diskutiert. Die Nationalspielerin Veronica Kristiansen sprach bei NRK offen darüber, was viele nur hinter vorgehaltener Hand sagen: „Ich persönlich finde es peinlich und unangenehm, und es ist ja nichts, was ich kontrollieren kann. Also weg mit den weißen Shorts, bitte.“ Ihre Teamkollegin, Torhüterin Katrine Lunde, fügte hinzu: „Wenn es Männer sind, die darüber entscheiden, verstehe ich, dass es vielleicht nicht das ist, worüber sie am meisten nachdenken.“ Aber für Frauen sei das Thema naheligend. Und es sei doch wirklich einfach eine unkomplizierte Lösung zu finden, beispielsweise, nein, ziemlich offensichtlich, die Pflicht, immer ein weißes Hosen-Set dabei zu haben, aufzuheben.

Die in der Tat eher männlich-dominierte IHF reagierte zunächst dennoch zögerlich. Gegenüber dem norwegischen Sender NRK erklärte ein Sprecher jetzt jedoch immerhin, man werde „alles in unserer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass Dänemark – und alle anderen Teams in derselben Situation – in roten, schwarzen oder anderen dunklen Shorts spielen dürfen, sofern der Spielplan und die Bedingungen dies zulassen“. Na immerhin.

Doch das Thema reicht über die Hallen des Handballs hinaus. Auch andere Sportarten haben begonnen, ihre Kleidungsvorschriften zu überdenken. In Wimbledon etwa dürfen Tennisspielerinnen seit kurzem dunkle Unterwäsche tragen – ein kleiner, aber symbolisch bedeutender Schritt in einem Turnier, das jahrzehntelang auf strikte weiße Kleidung bestand. Und im Fußball reagierte der englische Verband FA: Für die WM 2023 bekamen die Spielerinnen blaue Hosen zum weißen Trikot. Apropos: Beim FC Chelsea setzte Jill Ellis als erste professionelle Fußballtrainerin auf eine enge Zusammenarbeit mit Sportwissenschaftler*innen, welche die Trainingssteuerung an den Menstruationszyklus der Spielerinnen anpassten. Naheliegend – aber auch innovativ. Und es half den Spielerinnen.

Dass aber auch die Kleidung nicht nur ein ästhetisches Detail ist, zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Der Sportökonom Alexander Krumer kam 2024 zu dem Schluss, dass das Tragen weißer Hosen die Leistungsfähigkeit von Athletinnen beeinträchtigen kann.

Wie weit der Handball gesellschaftlich ist, kann man in zwei Wochen bei der Handball-WM beobachten. Die findet nämlich vom 26. November bis 14. Dezember 2025 in Deutschland und den Niederlanden statt. Und es ist zu hoffen, dass sie die Bedürnisse der Spielerinnen in den Mittelpunkt rückt. Denn auch wenn es im konkreten Anliegen so klingt, geht es hier nicht bloß um Hosen.

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Von admin