Es beginnt mit einer E-Mail.
Eine E-Mail, formuliert auf Portugiesisch, die im Postfach von Roberto Lopes landete, Fußballspieler bei dem Shamrock Rovers in Irland, der sich damals gerade auf der Business-Plattform LinkedIn registriert hatte. Durchgelesen hat er die Mail deswegen nie: „Ich kann kein Portugiesisch, also habe ich die E-Mail ignoriert. Ich dachte, es wäre eine Willkommens-Nachricht von LinkedIn.“
Tatsächlich ging es in der E-Mail um etwas ganz anderes. Denn eine Willkommens-Nachricht war sie zwar, aber nicht von LinkedIn, stattdessen wollte Rui Aguas, damals Nationaltrainer von Kap Verde, Lopes, der den irischen und den Pass von Kap Verde besitzt, damit zur Nationalmannschaft einladen.
Klingt wie eine verpasste Chance und endet wie im Märchen. Denn neun Monate später schreibt Aguas dem Spieler noch einmal – dieses Mal auf Englisch. Dieses Mal mit Erfolg: „Da habe ich die alte Nachricht rausgesucht und sie mit Google Translate übersetzt“, erinnert sich Lopes. 2018 war das, seitdem hat er 38 Länderspiele für Kap Verde absolviert.
Kap Verde – sportlich ist der afrikanische Inselstaat wohl nur Fußballnerds ein Begriff. Zu Unrecht. Denn Henrik Larsson etwa hätte statt für Schweden auch für die Heimat seines Vaters spielen können. Gleiches gilt für den Franzosen Patrick Vieira oder Nani und Eliseu, die beide 2016 mit Portugal Europameister wurden. 2013 und 2024, damals mit Roberto Lopes, schafften es die „Blauen Haie“ sogar bis ins Viertelfinale der Afrikameisterschaft.
Nur auf eine WM-Teilnahme wartet Kap Verde noch. Noch. Denn im kommenden Jahr – das steht jetzt fest – wird der Inselstaat erstmals mit dabei sein, beim Mega-Tunier in Kanada, den USA und Mexiko. Mit einem ungefährdeten 3:0-Sieg gegen Eswatini machte das Team seine Teilnahme perfekt. Und löste Freudenstürme im ganzen Land aus. Kap Verdes Präsident José Maria Neves hatte den Spieltag im Vorfeld extra zum halben Feiertag erklärt – damit niemand das Spiel verpasst. Der Zusammenhalt ist dennoch stark – genau wie die Identifikation der Fans mit ihrem Team, wie die ausgiebigen Jubelfeiern und die vielen Public-Viewing-Veranstaltungen zeigten. „Es ist ein Sieg für das gesamte kapverdische Volk und vor allem ein Sieg für diejenigen, die für unsere Unabhängigkeit gekämpft haben“, freute sich auch Nationaltrainer Pedro Brito. Der 55-Jährige, der früher selbst 14 Jahre lang Verteidiger in der Nationalmannschaft war, sprach von einem besonderen Moment im Jubiläumsjahr – schließlich feierte Kap Verde am 5. Juli 2025 den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Portugal. Auch Torhüter Vozinha, mit 39 Jahren einer der erfahrensten Spieler, konnte seine Emotionen kaum fassen: „Ich habe seit meiner Kindheit von diesem Moment geträumt. Es ist Zeit zu feiern.“ Und Torschütze Stopira zeigte sich überwältigt: „Es ist zu emotional. Ich umarme das gesamte kapverdische Volk, zu Hause und in unserer großen Diaspora.“
427.000 Einwohner zählt Kap Verde, damit wäre das Land der mit Abstand kleinste afrikanische Teilnehmer der WM-Geschichte. Kap Verdes Wirtschaft stützt sich dabei zu fast drei Vierteln auf Dienstleistungen wie Transport, Groß- und Einzelhandel sowie öffentliche Verwaltung.
Obwohl das Land laut des Nationalen Instituts für Statistik Kap Verdes im Jahr 2024 mit knapp 1,18 Millionen Besuchern einen Rekord aufstellte, spielt der Tourismusnicht die größte Rolle. Hotels und Restaurants haben laut Trading Economics,einer international anerkannte Plattform für Wirtschaftsdaten und Finanzstatistiken, aktuell nur einen Anteil von sieben Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Wichtiger ist der Außenhandel: Exportiert werden vor allem Fischereiprodukte wie verarbeiteter Fisch und Muscheln, landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Bananen, Zitrusfrüchte und Gemüse, daneben Salz, raffiniertes Erdöl und Textilien. Wichtigste Handelspartner sind Spanien, Portugal, Italien, Togo und Indien. Kap Verde gilt überdies als eine der stabilsten Demokratien Afrikas.
Außerdem besonders: Außerhalb der neun bewohnten Inseln leben mehr Menschen mit kapverdischen Wurzeln als auf den Inseln selbst. Das machten sich auch die Nationaltrainer, wie Rui Aguas, zu Nutze, die im Ausland nach Spielern scouteten, die oft zweit- und drittklassig spielen, aber Lust auf internationale Spiele haben. Eine einzigartige Geschichte.
Die auch den aktuellen Erfolg ausmacht: Denn keiner der 27 Akteure, die bislang in den Quali-Spielen zum Einsatz kam, spielt in der heimischen Liga, gut die Hälfte ist in einem anderen Land geboren. Topspieler Logan Costa, ein 24-jähriger Innenverteidiger des FC Villareal, fällt aktuell mit einem Kreuzbandriss aus. Er ist der einzige Spieler, der in einer der großen europäischen Ligen unter Vertrag steht.
Kap Verdes WM-Teilnahme ist eine ziemlich spannende Geschichte, ein echtes Fußball-Märchen.