Jedes Spiel beginnt mit einem Countdown: Die Stadionsprecher*innen, die dabei wie Nachrichtensprecher*innen im nordkoreanischen Staatsfernsehen klingen, zählen von 10 bis 0 runter, bevor das Spiel freigegeben wird. Dabei versuchen sie die Fans zum mitzählen zu animieren. Das Problem: Davon sind kaum welche da. Die Auslastung der Klub WM-Spiele liegt weit unter 50%.

Aber seien wir ehrlich: Ziemlich genau das hat diese Klub WM auch verdient. Die FIFA schafft es, auf fast schon beeindruckende Weise, aus einer eigentlich ziemlich guten Idee, die dieser Wettbewerb für Fußballfans zweifelsohne ist, ein komplett lächerliches Format zu machen – zumindest abseits des Platzes. Das beginnt übrigens schon vor dem Countdown: Denn anders als bei allen, wirklich ALLEN, anderen Fußballspielen laufen die Mannschaften nicht gemeinsam ins Stadion ein, sondern jeder Spieler einzeln für sich. Die FIFA hatte das vermutlich als atemberaubende Inszenierung geplant, bei dem junge und junggebliebene Fans mit ihrem Smartphone Fotos machen können, natürlich mit dem FIFA-Logo im Vordergrund, aber weil halt niemand im Stadion ist, wirkt es eher wie Leichtathletik-Kreismeisterschaft als größtes Event im Vereinsfußball. Naja.

Vielleicht muss der Fußball zumindest auf internationaler Bühne etwas Event-hafter werden, um den nord-amerikanischen und asiatischen Markt erschließen zu können. Das zumindest behaupten die Planer*innen bei der FIFA. Andererseits klappt das halt offensichtlich so zumindest nicht. Vielleicht wäre also auch das Gegenteil der FIFA-These richtig: Dass der Fußball als klassischer Mannschaftssport, bei dem das Team als Kollektiv im Mittelpunkt steht und die Rahmenhandlung genau das auch begleitet, mit gemeinsamen Einlaufen, Handshake und Seitenwahl der Kapitäne vor dem Spiel, eigentlich doch eine spannende Nische im Sportentertainment hätte. Denn Fakt ist: So sehr Durchkommerzialisieren wie den Super Bowl, bei dem ja die Spielregeln schon auf Werbeunterbrechungen ausgelegt sind, können selbst Gianni Infantino und die FIFA ein Fußballtunier nicht.

Hinzu kommt, dass die sportliche Integrität der Klub WM noch vor dem ersten Anstoß – und damit vor dem ersten Einlauf-Fail und Countdown-Irrsinn – in Zweifel gezogen werden muss. Die tatsächlichen Einladungskriterien, nach denen entschieden wurde, welche Mannschaften final am Tunier teilnehmen dürfen, hat die FIFA nämlich nie wirklich offengelegt. Bestes Spiel: Warum ausgerechnet Inter Miami an der Klub WM teilnehmen darf (und dann auch noch als offiziell gastgebendes Team) ist sportlich eigentlich nicht zu begründen. Und so halten sich die Gerüchte, dass Miami nur deswegen dabei ist, weil die FIFA nicht auf das Marketing-Zugpferd Lionel Messi auf dem Rasen verzichten wollte. Auch Cristiano Ronaldo wollte Infantino ja auf den Platz bringen, doch Al-Nassr, das nicht bei der Klub WM dabei ist und für das es auch keine Gastgeber-Ausrede geben konnte, bot Ronaldo einfach zu viel Geld für seinen Verbleib.

Auch ist es unverantwortlich, dass es für die Klub WM keinen Ausgleich im Spieltagskalender gibt. Zwar findet die Klub WM nur alle vier Jahre statt, aber die Spieler der Klubs kommen in einem Klub WM-Jahr dann locker auf bis zu 60 Pflichtspiele oder sogar mehr. Das ist verletzungsfördernd. Über eine Millarde Euro werden bei der Klub WM alleine als Preisgeld ausgeschüttet, 250 Millionen Euro sollen darüber hinaus als weitere Subventionen an den organisierten Vereinsfußball gehen – aber ebenfalls nur an Topteams, was die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert. Besser wäre es darum, die Einnahmen der Klub WM zu nutzen, um den Wettbewerbskalender an anderer Stelle mal etwas zu entzerren. Denn die Gesundheit der Spieler muss an erster Stelle stehen. Zudem droht sonst selbst bei den treuesten Fußballfans ja irgendwann eine Übersättigung.

Insgesamt verwundert es deswegen auch nicht, dass lange niemand die Übertragungsrechte an der Klub WM kaufen wollte (zumindest nicht für den Preis, den die FIFA aufgerufen hat). Und noch weniger überrascht es, dass DAZN dann doch die TV-Rechte übernahm, Minuten nachem der saudi-arabische Staatsfond beim Stremingdienst eingestiegen ist. Mal wieder ein zwielichtiger Deal – immerhin bewirbt sich Saudi-Arabien gerade um die Ausrichtung der Männer-WM 2034 und ist dabei auf die Unterstützung von FIFA-Boss Infantino angewiesen, dem man mit dem DAZN-Deal vor einem Scheitern mit seiner Klub WM bewahrte. Hätte Infantino nicht den Chef der FIFA-Ethikkommission direkt zu dessen Amtsbeginn zum Rücktritt getrieben, könnte man diese Zweifel vielleicht ja doch noch irgendwie ausräumen.

Kleiner Scherz. Naja.

Diese Klub WM ist darum einfach peinlich.

Aber vor allem ist sie eine vertane Chance. Denn eine Vereins-Weltmeisterschaft, bei der sich die besten Mannschaften aller Kontinente messen, ist eigentlich ein unglaublich spannendes Format. Und eines, was Fußballfans das Herz höher schlagen lässt. Boca Juniors, Botafago, die Mamelodi Sundowns, die Urawa Red Dimonds und Benfica Lissabon in einem Wettbewerb mit den Bayern und Borussia Dortmund.

Würde dieses Tunier in einem Fußball-affinen Land ausgetragen statt aus PR-Gründen in den USA zu scheitern (übrigens ja auch noch, während in den USA eine faschistische Regierung die Politik bestimmt und deren Vertreter sich in den Stadien inszenieren können), es könnte ein einzigartiges Fußballfest der Völkerverständigung werden.

Würden die Spiele dieses Tuniers dann noch zu angemessenen Zeiten vor Ort angepfiffen statt aus Übertragungsgründen für den europäischen Markt in der prallen Mittagssonne, wir könnten richtig spektakuläre Spiele bestaunen und eine Menge über den Weltfußball lernen, während die Gesundheit der Spieler geschützt würde.

Im Deutschen gibt es einen Merksatz: „Deutsch ist eine Würde-lose Sprache“. Gemeint ist, dass man Tatsachen nur ohne das Wort Würde beschreiben kann.

Die Klub WM lehrt uns hingegen diesen Satz: Mit der FIFA wird der Fußball zu einem würdelosen Spiel.

Falls ihr eine Ausrede braucht, um die Spiele trotzdem anschauen zu können, findet ihr sie hier.

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Von admin