Nächsten Monat wird in NRW gewählt. Kommunalwahlen. Und Dortmund als eine der größten Städte des Ruhrgebiets steht dabei natürlich besonders im Fokus. In unserer Serie bis zur Kommunalwahl blickt FanLeben.de darauf, wie Fußballvereine und ihre Fanszenen sich zur Kommunalwahl verhalten, denn bei den Wahlen geht es um viel, gerade mit den Ergebnissen der Bundestagswahl im Rücken. Den Anfang der Serie macht dabei wie gesagt die BVB-Stadt – aus aktuellem Anlass.
Doch um den zu verstehen, müssen wir kurz in der Zeit zurückreisen: In den 1980er- und frühen 1990er-Jahren hatte Borussia Dortmund erhebliche Probleme mit rechtsradikalen und neonazistischen Fans, allen voran mit der gewaltbereiten Gruppierung „Borussenfront“. Diese organisierte sich in der Dortmunder Hooligan-Szene, verbreitete rechtsextreme Parolen im Stadion, schüchterte andere Fans ein und war teils in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt. Die Präsenz dieser Gruppe schadete nicht nur dem Ruf des Vereins, sondern führte auch dazu, dass sich viele Anhänger im Stadion unwohl oder unsicher fühlten.
Über viele Jahre baute der BVB konsequent Strukturen auf, um diesen Einfluss zurückzudrängen. Dazu gehörten enge Kooperationen mit Fanprojekten, klare Stadionverbote gegen gewaltbereite und rechtsextreme Personen, Bildungs- und Präventionsarbeit sowie die aktive Förderung einer vielfältigen, diskriminierungsfreien Fankultur. Unterstützt durch Fangruppen, die sich offen gegen Rechtsextremismus positionierten, gelang es dem Verein Schritt für Schritt, die rechtsextremen Strukturen aus dem Stadionumfeld zu verdrängen.
Heute gilt der BVB als ein Klub, der sich deutlich für Toleranz und Vielfalt einsetzt und diese Haltung auch nach außen sichtbar lebt. Er hat eine Grundwertecharta verabschiedet, die sich klar gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, also zum Beispiel gegen Rassismus und Antisemitismus, ausspricht und fördert als einziger Bundesliga-Klub die Holocaustgedenkstätte Yad Yashem mit einer Spende in Millionenhöhe. Fans leisten soziale Projekte im Stadtteil und setzen immer wieder auch mit Spruchbändern klare Botschaften im Stadion – für eine offene und solidarische Gesellschaft. Eine beeindruckende Entwicklung, mustergültig dafür, wie der Fußball Gesellschaft verändern kann.
Womit wir beim aktuellen Anlass wären: Immer wieder versuchen rechtsradikale Parteien nämlich trotzdem an die dunkle Vergangenheit von Borussia Dortmund anzuknüpfen. Vor einigen Jahren plakatierte zum Beispiel die neonazistische Partei „Die Rechte“ Bilder vom Dortmunder Westfalenstadion – und wurde dafür vom BVB abgemahnt. Gleiches passierte nun auch der AfD. Die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei verteilt in Dortmund Aufkleber, die an Borussia Dortmund anlehnen. „Beim Fußball schwarz-gelb – am Sonntag blau“ ist darauf zu lesen. Die KGaA wehrt sich dagegen und schickte dem Dortmunder AfD-Kreisverband eine Abmahnung und Aufforderung zur Unterlassung.
„Aus unserer Sicht wird hier rechtswidrig versucht, eine Verknüpfung zwischen dem BVB und einer politischen Einstellung sowie einem politischen Wahlverhalten herzustellen, indem der AfD-Kreisverband Dortmund suggeriert, ein Fußballfan des BVB würde oder müsse gleichzeitig die AfD wählen“, teilte der BVB mit. Diesen Eindruck wolle man nicht zulassen, denn: „Das widerspricht den Werten von Borussia Dortmund.“
Der Dortmunder Kreisverband gilt dabei selbst innerhalb der AfD als besonders radikal, ist er doch die politische Heimat von Matthias Helferich. Der Bundestagsabgeordnete geriet in die Schlagzeilen, weil er sich selbst als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnete. Er gehört zum Lager um Björn Höcke und wirbt für Massendeportationen auch von Menschen mit deutschen Pass. Auch im Dortmunder Rat fällt Helferich immer wieder mit Provokationen auf. Im NRW-Landesverband läuft derzeit ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn.
Der BVB sendet mit seinem juristischen Vorgehen gegen die Vereinnahmung durch die AfD ein klares Signal. Zwar engagiert sich der Klub seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus, doch erstmals grenzt er sich nun ausdrücklich von der AfD ab. Damit unterstützt er jene Fans, die sich seit Langem für ein diskriminierungsfreies Stadion starkmachen und bereits öffentlich gegen die AfD Stellung bezogen haben – zuletzt vor der Bundestagswahl mit Spruchbändern auf der Südtribüne. In Teilen der Fanszene gab es schon länger den Wunsch, dass der Verein diesem Beispiel folgt. Nun hat er diese Gelegenheit genutzt.
Und das ist richtig. Denn alles, wofür die AfD steht, passt nicht zu Borussia Dortmund. Deswegen ist es wichtig, dass der BVB sich demonstrativ und mit größtmöglicher Durchschlagskraft an die Seite seiner Fans stellt. Denn wer sich gegen die AfD engagiert, wird oft aus der rechten Ecke bedroht. Davor schützt nur Solidarität.
Bei Borussia Dortmund rund um die Kommunalwahl außerdem erwähnenswert, allerdings eher aus der Rubrik Kuriositäten: Ehrenpräsident Dr. Reinhard Rauball ist SPD-Mitglied und war in den 90ern Justizminister von NRW wähend der noch-amtierende Geschäftsführer Hans-Joachim Watze seit Jugendtagen mit Bundeskanzler Friedrich Merz befreundet ist – man kennt sich aus der Jungen Union, beide sind bis heute Mitglied der CDU. Und Christian Lindner war als FDP-Chef und Bundesfinanzminister Mitglied im Wirtschaftsrat der ausgegliederten BVB-Kapitalgesellschaft.