Seit 1932 wird in Weißwasser Eishockey gespielt. Damals gründeten die „Jungs von der Osram-Straße“ ihren Eissportverein. In der Presse wurde das seinerzeit so kommentiert: Ein Teich am Rande der Stadt war „im Winter das Domizil junger Burschen. Ausgerüstet mit Schirmmütze, Pullover und Spazierstock holländerten (!) sie mit angeschraubten Schlittschuhen über die zugefrorene Fläche. Sie spielten Eishockey!“

Doch heute, 93 Jahre später, wäre es mit der Eishockeytradition in der Lausitz fast vorbei gewesen. Denn im Januar wurde den Lausitzer Füchsen, wie der Verein heute heißt, die Verträge über die Nutzung der Eisarena zum 30. April 2025 von der Oberbürgermeisterin“ gekündigt. Begründet wurde die Kündigung mit „der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der Auswirkungen auf den Haushalt. Doch die Füchse mussten in ihrem Lizenzierungsantrag bis zum 20. Mai 2025 einen gültigen Mietvertrag vorlegen.

Dabei ist die Spielstätte in Weißwasser extrem geschichtsträgtig. Denn ab 1957 stand hier das größte Freiluftstadion Europas mit über 12.000 Plätzen. Nach dem Abriss wurde 2013 fast an gleicher Stelle die aktuelle Arena platziert. Zwar in veränderter Ausrichtung, aber der Bully-Punkt – und damit wirds historisch – soll an exakt der gleichen Stelle sein.

In der Lausitz schlug die Nachricht darum auch schnell Wellen. Denn die Geschichte des Eishockeys in Weißwasser beginnt nicht nur idyllisch, sie schreibt sich auch extrem erfolgreich fort: Mit 25 DDR-Meisterschaften haben die Füchse nämlich die meisten nationalen Eishockey-Titeln aller Teams auf diesem Planeten gewonnen.

Doch wenn man heute auf die Geschichte der DDR-Oberliga im Eishockey blickt, wirkt sie fast surreal: Zwischen 1971 und 1990 – also fast zwei Jahrzehnte lang – bestand die höchste Spielklasse des DDR-Eishockeys nur aus zwei Teams. Das waren SG Dynamo Weißwasser und SC Dynamo Berlin. Diese beiden Mannschaften spielten den Meistertitel in einer Art Dauerduell aus, während der Rest des Landes vom Spitzeneishockey ausgeschlossen wurde. Im Jahr der Ligagründung 1949 hatte es zwar noch mehr Teams in der DDR-Oberliga gegeben, doch mit der politischen Entscheidung zur Förderung nur noch „leistungssportlich relevanter“ Zentren wurde die Liga systematisch verkleinert. Das Ziel: Die Konzentration der Ressourcen auf zwei sogenannte „Sportclubs“ mit besten Entwicklungsmöglichkeiten – beide unter dem Dach des DDR-Sportverbandes Dynamo, gesteuert also vom Ministerium für Staatssicherheit.

Der Saisonmodus war dabei denkbar einfach: Beide Teams spielten in der Regel 10 Partien pro Saison gegeneinander, manchmal sogar bis zu 12. Wer mehr Siege erzielte, wurde Meister. Logisch. Auch logisch: Da keine anderen Teams in der Liga existierten, hatte die Liga weder Auf- noch Absteiger. Die Spiele wurden aber immerhin abwechselnd in Berlin und Weißwasser ausgetragen. Und Zeitzeug*innen erinnern sich daran, dass sie oft hochklassig, emotional und taktisch geprägt waren. Die Spieler kannten sich immerhin in- und auswendig, was zu intensiven Duellen auf Augenhöhe führte. Weißwasser wurde dabei zwar 25 Mal Meister, 15 Mal davon allein zwischen 1951 und 1965, Dynamo Berlin, die heutigen Eisbären, aber auch immerhin 15 Mal.

Auch die DDR-Nationalmannschaft schaffte es trotz der widrigen Umstände gelegentlich, international mitzuhalten. Bei der A-Weltmeisterschaft 1966 belegte sie den sechsten Platz. Doch viele Talente scheiterten nicht an ihren Fähigkeiten, sondern am System: Auslandskarrieren waren verboten, ein Wechsel in den Westen gleichbedeutend mit Hochverrat. Die Nationalmannschaft wurde bei internationalen Spielen darum auch von Stasi-Offizieren begleitet, die jeden Fluchtversuch zu verhindern versuchten. Anders als im Fußball gibt es im Eishockey darum auch kaum dokumentierte Flucht-Berichte und West-Wechsel von Sport-Stars.

Aber zurück zum Sport: In den 80er Jahren konnte Weißwasser nur noch zwei Titel gewinnen – 1981 und 1989. Auch 1990 ging die letzte DDR-Meisterschaft an die Mannschaft aus der Lausitz. In der Zwischenzeit hatte die Konzentration des DDR-Spitzensports auf die Hauptstadt Dynamo Berlin massiv aufholen lassen. In den 1990er Jahren rutschte Weißwasser, das sich nach der Wende rasch umbenannt hatte, der ESC Weißwasser wurde als Nachfolgeverein von Dynamo gegründet, die Profimannschaft später als Lausitzer Füchse ausgegliedert, in die zweite Liga ab. Seit Gründung gehört man auch der DEL2 an.

Und das auch in der kommenden Saison. Denn der Fuchsbau-Streit um das heimische Eisstadion wurde noch rechtzeitig geklärt. Die Stadt Weißwasser und die Lausitzer Füchse haben sich zur weiteren Nutzung geeinigt. Wie der DEL2-Klub in einer Pressemitteilung bekannt gab, unterzeichneten Oberbürgermeisterin Katja Dietrich und Füchse-Geschäftsführer Dirk Rohrbach die überarbeiteten Verträge für die Nutzung der Eisarena Weißwasser.

Apropos Dirk Rohrbach: Der CEO der Füchse ist so eng mit dem Verein verbunden, wie man es nur irgendwie sein kann. Denn sein Opa ist einer der jungen Burschen, die 1932 ausgerüstet mit Schirmmütze, Pullover und Spazierstock mit angeschraubten Schlittschuhen über die zugefrorene Fläche eines Teiches in Weißwasser holländerte.

An wohl kaum einen anderen Eishockeystandort ist die Geschichte des Vereins darum so wechselhaft wie in Weißwasser: Sie beginnt mit Jungen, die im Winter auf einem zugefroheren Teich spielen, reicht über Stasi-geförderten Sport in der DDR, bis zu Problemen bei der Existenzsicherung nach der Wiedervereinigung. Krasser ist die Veränderung vielleicht nur in Berlin: Auch hier feierte man als Dynamo-Sportklub in der DDR immerhin 15 Meistertitel, bevor Ende der 1990er die nordamerikanischen Sportinvestoren von Anschatz einstiegen und den Klub seitdem als Eisbären Berlin vermarkteten. Sportlich ist man damit sehr erfolgreich. Dafür explodieren jedes Jahr die Ticketpreise. Und auch die Nostalgie eines Gründer-Enkel im Management ist da ausgeschlossen.

All das zeigt: Geschichte ist brüchig. Und sie bestimmt das Schicksel von Menschen. Darum gilt: Je mehr Menschen sie in die Hand nehmen, desto besser.

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Von admin