Sie bleiben Rivalen.
2023 wechselte Marco Reus von Borussia Dortmund zu LA Galaxy.
Jetzt, zwei Jahre später, wird ihm wohl Thomas Müller in die USA folgen – auch nach Los Angeles, allerdings zum Los Angeles FC.
Reus‘ LA Galaxy wurde wurde 1995 gegründet und nahm bereits in der Premierensaison 1996 der MLS den Spielbetrieb auf. Galaxy gehört zur Anschatz Entertainment Group, der in Deutschland die Eisbären Berlin besitzen. Hinter den Seattle Sounders hat der Reus‘-Klub übrigens den höchsten Zuschauerschnitt in der MLS. Neben D.C. United und erneut den Seattle Sounders ist Galaxy darüber hinaus einer von nur drei US-amerikanischen Klubs, der den heutige CONCACAF Champions Cup, das Pandon zur europänischen UEFA Champions League, gewann. Zudem ist das Franchise mit aktuell sechs Titeln Rekordsieger des MLS Cup.
Von all diesen Erfolgen kann Müllers Los Angeles FC bislang nur träumen. Das Franchise wurde aber auch erst 2014 gegründet, als Nachfolgeteam von CD Chivas USA, einem Klub, der vor allem die mexikanische Community in den USA ansprechen sollte. Seit 2018 nimmt der LA FC am Spielbetrieb der MLS teil, immerhin einmal konnte man den MLS Cup seitdem gewinnen. Die Fanszene ist immer noch multikulturell geprägt, wenn der Klub selbst dies nicht mehr als seine Identität begreift. Stattdessen begreift man sich als weiterer Celebrity-Club rund um Hollywood: Als geschäftsführender Vorsitzender fungiert so zum Beispiel der Unternehmer Peter Gruber, der auch Mitbesitzer des NBA-Franchises Golden State Warriors und des MLB-Franchises Los Angeles Dodgers ist. Hinzu kommen über 20 weitere, größtenteils prominente Investoren: Hier sind unter anderem der ehemalige Basketballer Magic Johnson, der ehemalige Baseballspieler Nomar Garciaparra und seine Frau, die ehemalige Fußballnationalspielerin Mia Hamm, sowie Chad Hurley (Mitgründer von YouTube), Schauspieler Will Ferrell und Anthony Robbins (Autor und NLP-Coach) zu nennen. Spannend für Müller: Sein FC Bayern und der Los Angeles FC haben eine gemeinsame Tochterfirma gegründet, investieren zusammen in Fußballschulen in Afrika und Südamerika, bauen dabei sogar eine umstrittene Multi-Club-Ownership zur Talentförderung auf. Über dieses Thema hat FanLeben.de hier bereits berichtet.
Das Reus-Müller-Derby in Los Angeles. Zumindest für deutsche Fans wird es in den nächsten Jahren der Höhepunkt in der MLS. Und die Fans können sich freuen: Denn 30 Teams nehmen an der MLS in Staffeln teil, eine für die West- und eine für die Ostküste der USA. Allein in der Vorrunde werden die beiden LA-Teams zweimal aufeinander treffen. Qualifizieren sie sich beide für die Playoffs, die zwischen den besten Teams beider Staffeln ausgetragen werden, sind bis zum Finale dann sogar noch weitere Begegnungen möglich. Je nachdem, wann sie in den Playoffs aufeinander treffen, entweder in einer Best-of-3-Serie oder ab dem Halbfinale in einem direkten Duell.
Doch dass es dazu kommen konnte, war lange gar nicht sicher – und das nicht, weil Thomas Müller eigentlich lieber seinen Vertrag beim FC Bayern verlängert hätte. Nein, das Discovery-Rights-System stand dem eigentlich entgegen. Was das bedeutet? Jeder MLS-Klub darf jährlich eine festgelegte Zahl von Spielern (meist bis zu sieben) auf eine sogenannte Discovery List setzen. Dabei handelt es sich um Profis, die aktuell außerhalb der Liga spielen – etwa in Europa, Südamerika oder Asien – und noch nie in der MLS unter Vertrag standen. Die Idee: Wer einen Spieler „entdeckt“, soll einen Wettbewerbsvorteil bekommen. Dieses System regelt also, welcher Klub in der Liga das exklusive Vorrecht hat, einen bislang MLS-fremden Spieler zu verpflichten. Oft lange bevor überhaupt ein konkretes Interesse öffentlich wird. Doch mit Entdecken hat das wenig zu tun, denn die Spieler, die die MLS-Klubs für sich listen lassen, sind fast nie unbekannte Talente, sondern eher meist eher spektakuläre Wunschtransfers für die Zukunft.
So auch bei Marco Reus, bei dem sich ursprünglich der Charlotte FC die Transferrechte sicherte, und bei Thomas Müller, dessen MLS-Rechte bislang noch beim FC Cincianatti liegen. Wie aber könnte Galaxy dennoch Reus verpflichten und wie kann der LA FC Müller dann Cincianatti doch noch wegschnappen? Das geht verhältnismäßig einfach: Steht ein Spieler auf der Discovery List von Klub A, kann kein anderer MLS-Klub ihn direkt verpflichten. Sollte ein Klub B dennoch Interesse haben, muss er zunächst die Rechte an dem Spieler dem Klub A abkaufen. Langwierige Verhandlungen drohen da aber nicht. Meist genügt eine von der Liga festgelegte Summe, derzeit sind das ca. 50.000 US-Dollar in sogenanntem General Allocation Money. Die „Rechte“ betreffen dabei natürlich nicht den Spieler selbst, sondern lediglich die Berechtigung, ihn innerhalb der Liga zu verpflichten. Klub B muss sich dann erst mit dem Wunschspieler einigen, gelingt das nicht, hat er die Rechte vergeblich gekauft. Noch steht die Einigung zwischen dem Los Angeles FC und dem FC Cincianatti aus, doch es wird damit gerechnet, dass bald Vollzug gemeldet werden kann. Transfers scheitern nämlich eigentlich nie am Discovery Right.
Dafür aber manchmal am Gehalt. Denn statt unbegrenzter Gehälter herrscht in der nordamerikanischen Liga ein striktes System: der Salary Cap. Jeder Klub darf nur ein festgelegtes Budget für Spielergehälter ausgeben. 2025 liegt dieser sogenannte Cap bei rund 5,5 Millionen US-Dollar pro Team. Aber es gibt einige Ausnahmeregeln, die das System etwas durchlässiger machen: Allen voran das Designated Player Rule. Sie erlaubt es jedem Klub, bis zu drei Spieler mit einem Gehalt oberhalb des Salary Cap zu verpflichten. Die Differenz zahlt der Klub aus eigener Tasche. So hat mit Oliver Giroud gerade erst ein sogenannter Designated Player den LA FC verlassen und damit Platz für Thomas Müller auf der Gehaltsliste geschaffen. Aber auch das gerade erwähnte General Allovation Money spielt hier eine Rolle: Geld, das so verdient wird, also zum Beispiel durch das verkaufen von Discovery Rights, erhöht nämlich das erlaubte Kaderbudget. Das Salary-Cap-System der MLS ist also kein striktes Limit, sondern eher ein reguliertes Spielfeld – mit ein paar Schlupflöchern, aber einer klaren Grundidee: Chancengleichheit statt Finanzduell.
Insbesondere das Salary-Cap-System wird darum auch in Europa als Alternative zum bisherigen Financial Fair Play diskutiert. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin äußerte, dass die Einführung eines solchen Gehaltsdeckels langfristig „die Lösung“ sein könnte, um die Wettbewerbsbalance in europäischen Ligen zu stärken. Ex-Bayern-Boss Karl-Heinz Rumenigge regte ebenfalls an, über eine Deckelung der Kaderkosten oder einzelner Spielergehälter nachzudenken, nicht zuletzt, um das Betriebsklima in Mannschaften zu verbessern und übertriebene Einkommensunterschiede zu begrenzen. Doch inwiefern entsprechende Vorschläge mit europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar wären, darf bezweifelt werden. Hinzu kommt, dass die Ungleichheit zwischen den Ligen damit nicht verringert, die europäischen Wettbewerbe damit also nicht ausgeglichener werden würden. Aber oft führen Diskussionen ja zu Lösungen, die man am Anfang der Diskussion noch nicht er- oder bedacht hatte. Insofern ein trotzdem sicher spannender (Gesprächs-)Ansatz.
Das sind aber nicht die einzige Besonderheiten bei Wechseln in der MLS. Denn wenn ein Spieler erst einmal bei einem MLS-Klub unter Vertrag steht, greift zudem das Right of First Refusal, meist Matching Right genannt, seines neuen Vereins. Dabei handelt es sich um ein exklusives Mitspracherecht eines MLS-Klubs bei ablösefreien Spielern, selbst wenn dieser gar nicht mehr für den Klub spielt. Konkret bedeutet das: Wenn ein Spieler mit auslaufenden Vertrag bei einem anderen Verein innerhalb der MLS unterschreiben möchte, kann ein Klub, der ihn früher unter Vertrag hatte, das Angebot „matchen“, also materiell gleichziehen. Voraussetzung: Der Klub hatte den Spieler vorschriftsmäßig von seiner Gehaltsliste abgemeldet, dabei aber seine „MLS-Rechte“ behalten. Damit soll verhindert werden, dass kleinere Vereine, die darauf angewiesen sind, Talente auszubilden, diese später ablösefrei an große Klubs verlieren können, so wie es in Europa ja oft passiert. Allein in diesen Sommer hat der FC Bayern mit Jonathan Tah und Tom Bischoff immerhin zwei deutsche Nationalspieler mit dem Auslaufen ihres Vertrages ablösefrei verpflichtet.
Zugegeben: Das Matching-Right wird bei Müller und Reus kaum relevant werden. Thomas Müller hat vor seinem US-Wechsel immerhin 25 Jahre beim FC Bayern gespielt, ist also ausgesprochen vereinstreu. Und auch Marco Reus betont immer wieder, wie viel Spaß es ihm bei LA Galaxy und vor allem in Hollywood macht: „Bis auf den Verkehr ist wirklich alles großartig. Die Leute sind freundlich und natürlich auch das Wetter: Es ist wirklich schön, wenn du morgens aufstehst und die Sonne scheint. Da beginnst du den Tag ganz anders.“

Und irgendwie ist es doch schön, dass die mehr als zehn Jahre andauernde sportliche Rivalität zwischen Marco Reus, dem langjährigen Gesicht von Borussia Dortmund, und der modernen FC Bayern-Legende Thomas Müller jetzt auf einem anderen Kontinent weitergeht. Funfact: Müller gewann zwar insgesamt 33 Titel mit den Münchenern, Reus „nur“ einmal den DFB-Pokal mit den Schwarz-Gelben. Dafür ist Reus in den USA Müller einen Titel voraus: Direkt in seiner Premierensaison gewann er mit LA Galaxy nämlich die Meisterschaft.
Es wird also spannend.