Kommen die olympischen Sommerspiele mal wieder nach Deutschland?
Seit gestern Abend ist das zumindest etwas wahrscheinlicher. Denn die Bürger*innen Münchens, das sich neben Berlin, Hamburg und der Metropolregion Rhein-Ruhr für die Austragung der Spiele interessiert, haben bei einer verbindlichen Bürgerbefragung mehrheitlich dafür gestimmt, dass sich ihre Stadt und die bayerische Landesregierung um Olympia bemühen soll. Das Ergebnis war dabei überraschend deutlich: 62 Prozent der Münchener*innen stimmten ersten Auszählungen zufolge für die Bewerbung.
Wie kam es dazu? Zur Erinnerung: Eine Bewerbung um die Austragung der Winterspiele 2018 in München scheiterte, die Spiele gingen nach Pyeongchang (Südkorea). Eine erneute Bewerbung für 2022 kam daraufhin gar nicht mehr zu Stande, weil sich mehrere Bürgerentscheide dagegen entschieden hatten. Auch an anderen Standorten – etwa in Hamburg 2015 – hatte sich die Bevölkerung gegen Olympia entschieden.
Ein Grund dürften die European Championships sein, die vor drei Jahren im Olympiastadion und im Olympiapark ausgetragen wurden und beim Münchener Publikum sehr gut ankamen. Auch hatten dieses Mal, anders als noch vor gut fünf Jahren, mehrere Bürgerinitiativen in der ganzen Stadt für Olympia geworben. Ihr Versprechen: Das olympische Dorf soll anschließend in ein Wohnquatier umgewandelt werden und so helfen, den überhitzten Münchener Wohnungsmarkt etwas zu beruhigen. Außerdem stünden mit Olympiastadion und -park wesentliche Teile der sportlichen Infrastruktur bereits zur Verfügung, es müssten nur vergleichsweise wenig neue Sportstätten gebaut werden und die, so die Befürworter*innen, würden dann langfristig auch dem Breitensport zugutekommen.
Einer der prominentesten Gegner der Olympia-Bewerbung ist der grünen Politiker Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender im Landtag. Er sagt: „Die Kritik an den Kosten, der Nachhaltigkeit und der Transparenz bleibt weiterhin relevant. Wir werden genau beobachten, ob die Versprechen aus der Bewerbung ernst genommen werden und das Vorhaben nicht nur ein Prestigeprojekt für die Stadt wird, sondern fair und nachhaltig für alle umgesetzt wird.“
Das Quorum des Bürgerentscheids lag bei 30%. Heißt: Mindestens so viele Münchener*innen mussten teilnehmen, damit das Ergebnis verbindlich wird. Bis 15.30 Uhr lag die Wahlbeteiligung dabei schon bei insgesamt 37,8 Prozent, was einer Rekordteilnahme bei einem Bürgerentscheid in Bayern entspricht – zuvor hatte der, ebenfalls angenommene, Entscheid zum Bau der Allianz-Arena in München im Oktober 2001 mit 37,5 Prozent den Rekord gehalten. Aufgerufen und wahlberechtigt waren jetzt in Sachen Olympia-Bewerbung knapp 1,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der 1,6 Millionen Münchnerinnen und Münchnern. Knapp jede*r zweite*r ging hin.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprach von einem „guten Tag für München“. Der Chef des bayerischen Landessportverbandes, Jörg Ammon, nannte es ein „Traumergebnis“. Auch für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war das klare Resultat des Votums ein „ganz starkes Signal Jetzt starten wir durch. Jetzt ziehen wir an. Eine geile Geschichte heute.“
Innerhalb Deutschlands werden München gute Chancen auf die Bewerbung eingeräumt. Zur Erklärung: Der Deutsche Olympische Sportbund wird aus den vier Bewerber-Regionen eine auswählen, die sich dann offiziell um die Austragung der olympischen Spiele bewerben soll.
Neben München gilt in Deutschland Berlin als Favorit. Der Grund: Auch in Berlin steht die benötigte Infrastruktur, angefangen mit einem Olympia-tauglichen Leichtathletikstadion, bereits zur Verfügung. Zudem gibt es in Berlin Handball- und Basketball-Stadien sowie Schwimm-Hallen, die höchsten Standards locker genügen. Ebenso wie erprobte Marathon- und Outdoor-Schwimm-Strecken.
Das ist sowohl in Hamburg als auch in der Region Rhein-Ruhr anders. In Hamburg fehlt aktuell zum Beispiel das Leichtathletikstadion, es soll neu gebaut werden – für Olympia, aber auch unabhängig von den Spielen. Hintergrund ist, dass das Volksparkstadion, in dem der Hamburger SV seine Heimspiele austrägt, in die Jahre gekommen ist. Ein neues Stadion soll her. Dieses soll dann, zumindest provisorisch, mit Laufbahn und Co. Ausgestattet werden und als Olympiastadion fungieren, bevor die Leichtathletikanlage gegebenfalls zurückgebaut werden werden und das Stadion so zum reinen Fußballstadion werden könnte. Hamburgs Sportsenator Andy Grote (SPD) spricht in diesem Zusammenhang von der „modernsten Arena Deutschlands. Wenn die Superstars nach Deutschland kommen, dann künftig nach Hamburg. Auch ein Champions-League-Finale kann künftig hier stattfinden.“
Hamburg wirbt bei seiner Olympia-Kandidatur „Hamburg+“ vor allem mit Spielen der kurzen Wege und mit Nachhaltigkeit. Ähnlich wie Paris will die Hansestadt auf vorübergehende Sportarenen setzen – die Sportstätten bestehen schon oder werden temporär gebaut. 82 Prozent der Austragungsorte liegen in einem Umkreis von sieben Kilometern. Der Großteil der insgesamt 38 Disziplinen findet im Olympic Park City und im Olympic Park Altona statt – dort entsteht auch das Olympische Dorf. Es soll als Science City Altona sowie Wohnraum nachgenutzt werden.
Doch Hamburg pur wäre Hamburg+ nicht: Segeln, Handball und Rugby sollen wiederum in Kiel, also in Schleswig-Holstein, ausgetragen werden. Fußball wird im gesamten Bundesgebiet gespielt, Kanuslalom wäre in Markkleeberg bei Leipzig, Schießen im thüringischen Suhl und das Vielseitigkeitsreiten in Luhmühlen bei Lüneburg beheimatet. Allerdings: Auch München, Berlin und Rhein-Ruhr würden die Segel-Wettkämpfe dezentral, wohl in Rostock-Warnemünde, austragen.
Besonders am Hamburger-Vorschlag ist zudem das: Athlet*innen sollen nach ihren Wettkämpfen bei Hamburger Familien wohnen und die Spiele als Gäste weiter miterleben. So soll ein „zweites Olympia-Erlebnis“ entstehen. „Wir investieren mit unserem Konzept in ein unvergessliches olympisches Festival, das Athlet*innen und Gäste aus der ganzen Welt in einer faszinierenden Stadt zusammenführt und unmittelbar auf die Ziele der Olympischen Bewegung einzahlt“, so Grote.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sagt: „Die Hansestadt gilt als Deutschlands Tor zur Welt und hat sich als Austragungsort für internationale Sportveranstaltungen bewährt. Wir werden über die Durchführung der Olympischen Spiele in Hamburg ein Referendum durchführen und ich bin sicher, dass unsere Stadt damit ein großartiges Zeichen der Vielfalt und Weltoffenheit, für Frieden, Demokratie und Freiheit setzen kann.“Das Referendum soll allerdings erst im Mai 2026 stattfinden, unklar, ob der DOSB auch tatsächlich so lange warten möchte.
Und Rhein-Ruhr? „Nordrhein-Westfalen ist bereit für ein großes und zugleich kompaktes olympisches Fest mit neuen Zuschauerrekorden, spektakulären Sportstätten, getragen von den vielen sportbegeisterten Menschen bei uns im Land“, sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Aber was heißt das?
Die Region wirbt mit vielen bereits bestehenden Sportstätten und darüberhinaus mit der bereits gelungenen Austragung von diversen Großevents wie zuletzt den World University Games im Sommer 2025. Zu den Austragungsorten zählen weltweit Renommierte wie das Gelände des CHIO in Aachen, die Lanxess Arena in Köln oder die Multisportarenen in Düsseldorf und Gelsenkirchen, wo bis zu 60.000 Menschen Platz finden. Das sieht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst als großes Alleinstellungsmerkmal: „In dieser Breite kann kein anderer deutscher Bewerber solche Kulissen bieten.“ Eine aktuelle Umfrage geht davon aus, dass auch in NRW gut zwei Drittel der Menschen Olympia in ihrer Nachbarschaft begrüßen würden.
Das Thema Nachhaltigkeit bei der Bewerbung NRWs darum auch eine große Rolle. Laut Landessportbund NRW sind rund „95 Prozent der Wettkampforte“ bereits vorhanden. Bei Neubauten wurde Nachhaltigkeit mitgedacht. Ähnlich wie in Hamburg müssten zwar auch einige Wettbewerbe außerhalb NRW stattfinden und auch ein neues Olympiastadion für die Leichtathletik-Wettkämpfe müsste entstehen, da das Wattenscheider Lorheidestadion mit knapp über 15.000 Plätzen nicht groß genug für Olympia wäre. Das besondere am neuen Rhein-Ruhr-Stadion wäre aber das: Es soll nach den Spielen nicht als Sportstadion, sondern als Wohn- und Gewerbepark weitergenutzt werden und mitten im Olympischen Dorf entstehen. „Zusammen mit dem Dorf würde damit ein ganz neues Stadtquartier entstehen mit viel Wohnraum, der in den Großstädten sowieso dringend benötigt wird“, heißt es auf der Webseite der Olympiabewerbung Rhein-Ruhr.
Vier Standorte mit unterschiedlichen Schwerpunkten bewerben sich um Olympia. Ab 2036 könnten die Spiele nach Deutschland kommen, realistischer aber erscheinen 2040 oder 2044, da sich schon viel internationale Konkurrenz für die 2036er Spiele interessiert und das Jahr, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen in Berlin, als vorbelastet gilt.
Fakt ist: So pro-olympisch war die Stimmung in Deutschland lange nicht. Nicht nur in München. Jetzt beginnt ein spannender Wettbewerb – schon bevor es sportlich losgeht.
