Immer wieder geraten besondere Vereine in tiefe Krisen, stürzen ab und die Fußballwelt fragt sich: Wie konnte es dazu kommen? In Deutschland geht es vielen Traditionsvereinen so. Doch darüber wird an vielen Stellen schon ausführlich diskutiert. Hier auf FanLeben.de schauen wir deswegen ins Ausland und widmen uns in detaillierten Recherchen der bitteren Realität von Vereinen, die wir im internationalen Fußball heute vermissen. Im ersten Teil der Serie ging es um Vitesse Arnheimim zweiten Teil folgte Bursasporim dritten der FC Malaga, im vierten Wacker Innsbruck, im fünften Sheffield Wednesdayim sechsten die Western City Wanderers, im siebten die Bolten Wanderers, im achten beschäftigten wir uns mit Manchester United und im neunten ging es um einen Verein, der nur aufgrund eines schlimmen Unfalls Teil dieser Rubrik wurde: Chapecoense. Heute wiederum geht es nach Polen – und jetzt los mit dem Text!

Fragt man Menschen auf der Straße, was ihnen als erstes zu Lukas Podolski einfällt, dann werden viele ziemlich sicher das antworten: 1. FC Köln. Der Jugendverein Podolskis, von dem aus er zu den Bayern wechselte und zurückkehre, von dem aus er später erst zu Arsenal London, dann zu Inter Mailand, Galatasaray Istanbul, Antalyaspor und Vissel Kobe aufbrach. Der Verein, dem Podolski, so sagte er immer wieder, sein Herz gehört, dem, in welcher Funktion auch immer, zu helfen, er immer wieder angeboten hat, aber meist ziemlich robust abgewiesen wurde, der ihm aber im letzten Jahr immerhin schon sein sportliches Abschiedsspiel schenkte – während Poldi selbst noch als Fußballprofi auf dem Platz steht. In Polen.

Seit 2021 läuft Lukas Podolski, ja in Polen geboren, für Gornik Zabrze auf, erste polnische Liga. Zehn Spiele hat er allein in dieser Saison schon absolviert, mit 40 Jahren. Spannend aber ist vor allem das: Wenn Lukas Podolski in Zukunft über „seinen“ Fußballklub sprechen wird, dann wird er eben nicht mehr den Effzeh meinen, sondern Gornik Zabrze. Denn bei Gornik ist Podolski jetzt auch als Investor, also Eigentümer, eingestiegen. Denn wie der polnische Erstligist und der Fußballer mitteilten, hat der 40-Jährige über seine Firma LP Holding GmbH insgesamt 104.611 Namensaktien der Gornik Zabrze SA gekauft. Damit hält Podolski nun 8,3% des Aktienkapitals und ist zweitgrößter Aktionär des Klubs.

Beim Verein ist man darüber regelrecht begeistert: „Der Einstieg von Lukas Podolski in die Aktionärsstruktur ist der erste formale Schritt zur Übernahme des Vereins und unterstreicht sein langjähriges und aufrichtiges Engagement für die Entwicklung von Gornik“, heißt es im offiziellen Klubstatement. Und auch der Weltmeister von 2014 freut sich, endlich auch abseits des Rasens einen wichtigen Platz im Fußball gefunden zu haben: „Gornik Zabrze ist mein Verein, meine Heimat und meine Fußballfamilie. Ich freue mich riesig, den nächsten Schritt zu gehen und mich offiziell an der Zukunft von Gornik zu beteiligen. Ich glaube an dieses Projekt und die Menschen dahinter. Ich möchte, dass sich der Verein auf einem soliden Fundament weiterentwickelt – sportlich, organisatorisch und wirtschaftlich.“

Besonders spannend: Bislang war Gornik Zabrze ein städtischer Klub. Die Stadt Zabrze war also Alleineigentümerin des 1948 gegründeten Vereins, in dem neben Fußball auch professionell Handball gespielt wird. Viele ältere Fans erinnern sich noch an die erfolgreichste Zeit des Klubs, die bis in die späten 80er Jahre reichte und in der Partien im Europapokal wie gegen Austria Wien oder der AS Rom vor über 100.000 Zuschauer*innen ausgetragen wurden. Zwischen 1957 und 1988 wurde Zabrze auch stolze 14 Mal polnischer Meister (1957, 1959, 1961, 1963, 1964, 1965, 1966, 1967, 1971, 1972, 1985, 1986, 1987 und 1988), einmal fünfmal und einmal viermal in Serie, sechs Mal konnte zudem der polnische Pokal gewonnen werden (1965, 1968, 1969, 1970, 1971, 1972), auch hier: Unter anderem fünf Titel in Serie. Ab Mitte der 90er Jahre zogen sich jedoch immer mehr Sponsoren zurück, der Klub fiel zurück bis in den Abstiegskampf. Aber er verlor nicht seine Fans: Beim Abstiegskampf 2006 und 2007 pilgerten bis zu 20.000 Fans ans Ernst-Pohl-Stadion. Górnik Zabrze konnte trotz schlechter Leistung somit zeitweise weiter den höchsten Zuschauerzuspruch in der Region verzeichnen. 2007 stieg auch deswegen ein Versicherungsunternehmen als Mitgesellschafter beim Verein ein, doch auch das half nichts. 2009 stieg man ab, 2010 zwar wieder auf, trotzdem schieden alle externen Investoren in dieser Zeit aus und die Stadt übernahm, wie erwähnt, die Verantwortung für den Klub. Seit 2011 firmiert der Klub zwar als Aktiengesellschaft, aber eben allein von der Stadt Zabrze kontrolliert. Das aber begrenzt natürlich auch weiter die finanziellen Möglichkeit des Klubs. Zwischenzeitlich stieg man wieder ab und auf. Inzwischen hat man sich zwar sportlich etwas konsolidiert. Aber die Stadt hat trotzdem beschlossen, Górnik Zabrze zu privatisieren. Lukas Podolski ist dabei nur der erste externe Investor weitere sollen folgen. Eigentlich schade, denn so verschwindet der einzige demokratisch-verwaltete Fußballverein in Polens erster Liga. Übrigens: Auch bei Hajduk Split in Kroatien stieg die Stadt ein, als sich der Klub in einer finanziellen Krise befand. Hier fand man aber eine andere Lösung als die spätere Reprivatisierung. Über sie hat FanLeben.de hier berichtet.

Nichtsdestoweniger gewinnt Górnik Zabrze mit Lukas Podolski nicht nur einen schillernden Fußballstar, sondern auch einen erfahrenen Unternehmer als Gesellschafter hinzu. Podolski ist Eigentümer einer Eisdielen und einer expandierenden Dönerladen-Kette, ist zudem an einem Kölner Brauhaus beteiligt und gemeinsam mit Mats Hummels Gründer des Hallenfußballevents Baller League. Außerdem betreibt er ein eigenes Modelabel mit Flagshiffstore in der Kölner Innenstadt und veranstaltet mit Markus Krampe das „Glücksgefühle Musikfestival“, zu dem 2023 über 100.000 Besucher*innen kamen. Nicht zuletzt unterhält er im Carlswerk in Köln-Mülheim die „Straßenkicker Base“ mit einer Zweigstelle seines Dönerimbiss‘, einem weiteren Bekleidungsgeschäft, einer Sportsbar und einer Fußballhalle mit insgesamt sieben Kleinspielfeldern. All das läuft überdies ziemlich erfolgreich.

Nur mit dem 1. FC Köln arbeitet Lukas Podolski geschäftlich nicht zusammen, dafür jetzt also mit seinem neuen Klub Górnik Zabrze. Man darf gespannt sein, wohin dieser Weg ihn und den Klub führt.

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Von admin