Nicht nur in Europa wird Fußball gespielt – klar. Dieser Sport ist überall auf der Welt zu Hause. Und auch das macht ihn so unfassbar spannend. FanLeben.de beginnt darum heute eine neue Reihe und stellt internationale Mannschaften, Strukturen und Wettbewerbe vor, die irgendwo auf der Welt im Rampenlicht stehen. Den Anfang macht heute der amtierende afrikanische CAF Champions League: Pyramids FC.

Gegründet wurde der Verein 2008 von dem Geschäftsmann Mahmoud Assiouty im oberägyptischen Assiut. Allerdings unter dem Namen Al Assiouty Sport. So sollte ein moderner Klub entstehen, der jungen Talenten aus der Region eine professionelle Plattform bietet. Assiouty investierte in die Infrastruktur und setzte früh auf eine klare Organisation – ungewöhnlich für einen so jungen Verein in einer eher fußballfernen Provinz. Doch der Weg war erfolgreich: Bereits 2014, nur sechs Jahre nach seiner Gründung, feierte der Klub den erstmaligen Aufstieg in die ägyptische Premier League. Ein Jahr später folgte zwar der direkte Wiederabstieg, doch wiederum nur ein Jahr später kehrte man erneut in die Erstklassigkeit zurück. Klingt bis hierhin noch recht normal? Stimmt.

Aber jetzt kommen wir zum entscheidenden Wendepunkt: Denn 2018 übernahm der saudische Politiker und Unternehmer Turki Al-Sheikh, damals enger Berater im königlichen Hof und Vorsitzender der saudischen Sportbehörde, den Klub. Mit dem Einstieg wollte Al-Sheikh nicht nur in den afrikanischen Vereinsfußball investieren, sondern auch ein Prestigeprojekt schaffen, das den etablierten Großklubs Al Ahly und Zamalek Konkurrenz machen konnte. Sein erklärtes Ziel: den ägyptischen Fußball moderner, professioneller und international konkurrenzfähiger zu gestalten – und zugleich Saudi-Arabiens Einfluss im Sportbereich zu unterstreichen. Soweit nicht besonders ungewöhnlich, ambitionierte Investoren gibt es im Fußball ja auch überall auf der Welt.

Doch Al-Sheikh gehört zu den besonders schmerzfreien Klubbossen, denn mit der Übernahme kamen tiefgreifende Veränderungen: Der Verein erhielt nicht nur den neuen Namen Pyramids FC und änderte die Vereinsfarben, das Wappen und die Außendarstellung. Nein, der Klub zog auch von der oberägyptischen Stadt Assiut nach Kairo um und richtete sich fortan im 30.-Juni-Stadion ein. Ein kompletter Bruch mit der bisherigen Identität von Al Assiouty Sport. Was Al Assiouty Sport war, ein Provinzverein mit starker Nachwuchsarbeit und beachtlichen sportlichen Erfolgen, interessierte Al-Sheikh nicht, er will den ägyptischen Fußballverein bauen, in Kairo, mit den Pyramiden im Logo. Ein Kunst- und Prestigeobjekt.

Die Reaktionen waren gemischt. Der ägyptische Fußballverband begrüßte den frischen Kapitalzufluss und sah in dem Projekt die Chance, die heimische Liga international aufzuwerten. Unter den bisherigen Fans in Assiut überwogen jedoch Enttäuschung und Kritik: Viele fühlten sich um „ihren“ Klub gebracht, der nicht nur den Namen, sondern auch seine Heimatstadt verloren hatte.

Und auch der „neue“ Verein kämpft zumindest noch bei den Fans um Anerkennung: Denn mit der Verlegung nach Kairo spielt Pyramids FC in einer Stadt, die längst vom Al-Ahly und Zamalek geprägt ist. Während die beiden Traditionsvereine regelmäßig zehntausende Zuschauer in den größten Stadien des Landes versammeln und eine leidenschaftliche Anhängerschaft über Generationen hinweg pflegen, bleibt der Zuschauerzuspruch bei Pyramids vergleichsweise bescheiden – trotz aller sportlichen Erfolge. Werden wir konkret: Al-Ahly lockt in der Liga regelmäßig bis zu 30.000 Fans ins Stadion, beim Pyramids FC kommen gerade mal 10.000 – in der CAF Champions League, in der Liga sind es häufig nochmal weniger.

Nichtsdestotrotz: Sportlich geht der Plan von Al-Sheikh auf. Schon in den ersten Jahren nach der Umbenennung erreichte Pyramids regelmäßig die oberen Tabellenplätze der Premier League. 2019/20 schrieb der Klub internationale Schlagzeilen, als er erstmals das Finale des CAF Confederation Cup erreichte. Nur der ersehnte Titel ließ zunächst auf sich warten. Erst im nationalen Pokalwettbewerb gelang der Durchbruch: 2024 feierte der Verein mit dem Gewinn des Egypt Cup den ersten großen Titel der Vereinsgeschichte. Nur ein Jahr später jetzt dann also der Höhepunkt: 2025 krönte sich Pyramids FC zum Sieger der CAF Champions League und stieg damit – zumindest sportlich – endgültig in die erste Reihe des afrikanischen Fußballs auf.

Gesellschaftlich nehmen diesen Platz aber immer noch andere Mannschaften ein – allen voran Al-Ahly: Der Verein, übrigens Mitglieder- und nicht Investoren-kontrolliert, auch wenn die Mitgliedsbeiträge so hoch sind, dass sie sich normale Fans kaum leisten können, gilt nicht nur als erfolgreichster Fußballklub Ägyptens, sondern auch als Symbol für Identität, Stolz und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gegründet 1907 als „Klub der Nation“, verstand er sich von Anfang an als Verein für Studenten und junge Ägypter, die sich gegen koloniale Strukturen behaupten wollten. Damit wurde Al-Ahly früh zu einem politischen wie kulturellen Symbol des Widerstands gegen die britische Besatzung – eine Rolle, die bis heute nachwirkt. Gesellschaftlich ist der Verein nämlich fest in allen Schichten verankert. Er steht für die „breite Nation“, während Zamalek traditionell eher mit den wohlhabenderen Milieus in Verbindung gebracht wird. Millionen Fans im ganzen Land identifizieren sich mit Al-Ahly, oft über Generationen hinweg. Das Tragen des roten Trikots ist für viele mehr als Sport – es ist Ausdruck von Zugehörigkeit und Stolz.

Die „Ultras Ahlawy“, die bekannteste und größte Fanorganisation des Vereins, haben sich seit ihrer Gründung darum auch nicht nur auf Choreografien und Stadionstimmung beschränkt. Vor allem nach dem Massaker von Port Said 2012, bei der 74 Al-Ahly-Anhänger ums Leben kamen, organisierten sie Hilfsaktionen für die Hinterbliebenen, Spendensammlungen und Gedenkveranstaltungen. Bis heute halten sich Vermutungen, wonach die Gewaltexesse in Port Said von der ägyptischen Militärjunta, die auf Präsident Mubarak gefolgt war, forciert wurden, einerseits um die Ultras von Al-Ahly, die wesentlich am Sturz des Mubarak-Regimes beteiligt waren, einzuschüchtern, andererseits, um die eigene Machtposition zu stärken, da Militärregierungen von mangelnder Sicherheit im Land profitieren. Belegt aber ist das nicht. Auch in sozialen Krisen – etwa während der Revolution 2011 – stellten Fans ihre Netzwerke für Hilfsarbeit und Protestorganisation zur Verfügung. Regelmäßig gibt es Fanaktionen, bei denen Lebensmittel, Kleidung oder Geld für Bedürftige gesammelt werden. Besonders im Ramadan organisieren Al-Ahly-Fans Verteilaktionen in ärmeren Vierteln Kairos. Diese Aktivitäten sind meist selbstorganisiert und unabhängig vom Klub. Darüber hinaus engagieren sich Al-Ahly-Anhänger bei Bildungsprojekten, Fußballschulen für Kinder oder lokalen Initiativen. Das Ziel ist oft, Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen eine Alternative und ein Gemeinschaftsgefühl zu bieten. Politisch gelten die „Ulras Ahlawy“ dabei als anti-autoritär und staatskritisch, nicht aber als islamistisch.

Eine Frage drängt sich darum immer mehr auf: Was soll das, dieser neue Klub? Investor Al-Sheikh sagt, er wolle zeigen, wie viel Potenzial im afrikanischen Fußball steckt. Aber dafür hätte es ja nun wirklich kein Kunstprojekt gebraucht, wenn es doch schon tatsächlich bedeutende Vereine gibt – übrigens natürlich nicht nur in Ägypten. Fakt ist, dass Saudi-Arabien sich mit dem Engagement seines bedeutenden Sportfunktionärs Al-Sheikh vor allem eine Vormachtstellung im afrikanischen Fußball sichern will, Zugriff auf aufstrebende Talente. Und das ist nun wirklich das Gegenteil das vorgegebenen, formulierten Ziels, denn wer kommt, um den lokalen Fußball auszubeuten, will nicht seine Stärke zeigen, sondern ihn unterwerfen. Es ist ein Raubzug am Fußball, der, gerade in Afrika, Selbstbestimmung und Teilhabe bedeutet.

Und was sagen die Rivalen nun zum neuen sportlichen Shootingstar des afrikanischen Fußballs? Al-Ahly-Funktionäre kritisieren offen die aggressive Transferpolitik und werfen dem neuen Konkurrenten vor, den Wettbewerb durch überhöhte Spielergehälter zu verzerren. Auch auf den Rängen nahmen viele Al-Ahly-Anhänger*innen eine ablehnende Haltung ein: Für sie verkörpert Pyramids keinen „echten“ Fußballverein, sondern ein Projekt ohne Wurzeln.

Man kann sie verstehen. Es ist immer schade, wenn ein Kunstprojekt Tradition, Leidenschaft und gesellschaftliche Verantwortung verdrängt.

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Von admin