Sie überschätzen sich vollkommen selbst und träumen vom Friedensnobelpreis – Männer.
Also in diesem Fall Christian Constantin, Präsident des FC Sion aus der Schweiz.
Ein kurzer Exkurs zu Beginn: Der FC Sion wurde 1909 gegründet und gilt als einer der traditionsreichsten Vereine im Schweizer Fußball. National schrieb der Klub vor allem mit seinen zahlreichen Erfolgen im Schweizer Cup Geschichte, den er über ein Dutzend Mal gewinnen konnte, während er in der Meisterschaft zweimal den Titel holte. Bekannt ist der Klub in Deutschland auch deswegen, weil in den 1990er Jahren Uli Stielke in Wallis an der Seitenlinie stand. Zuletzt pendelte Sion zwischen erster und zweiter Liga, 2024 stieg man zum bislang letzten Mal in die höchste Spielklasse auf und sicherte sich in dieem Sommer souverän den Klassenerhalt.
Eher Mittelmaß also. Für Christian Constantin nicht hinnehmbar, der Mann will Schlagzeilen. Und wenn ihn der Sport nicht auslastet, dann macht er sich eben Gedanken über die Welt neben dem Platz.
Seine Idee: Ein schweizerisch-ukrainisch-russischer Friedensgipel in Sion in Form eines Mini-Tuniers zwischen seinem FC Sion, Dynamo Kyjiw und Zenit St. Petersburg. Constantin verrät: „Ich habe den Präsidenten von Dynamo ins Boot geholt. Die Idee war, solch ein Miniturnier vor Weihnachten auszutragen. Und zwar bei uns, weil wir über eine Rasenheizung verfügen. Doch ich habe schnell gemerkt, dass es noch zu viele Spannungen gibt.“ Spannungen? Wohl eher russische Angriffe auf ukrainische Städte – jeden Tag.
Zuerst abgelehnt – und das wird noch wichtig – hat übrigens der russische Sportminister. Constantin sagt: „Schade. Ich hatte gedacht, dass wenn es schon nicht möglich ist, die Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen, dann wenigstens um einen Ball herum.“ Denn dieses sinnlose Töten sei doch komplett verrückt. „Es muss so schnell wie möglich beendet werden.“
Hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Dann würde sie von männlicher Selbstüberschätzung oder dem Geltungsdrang des Präsidenten eines mittelmäßigen Fußballklubs handeln. Aber sie geht noch weiter. Und jetzt wird es böse.
Denn Constantins Mannschaft hat die Länderspielpause für ein besonderes Trainingslager genutzt: Seine Mannschaft ist dafür am Dienstag in Sion abgeflogen, um via Zürich und Istanbul in St. Petersburg zu landen, dort zu trainieren und am Samstag ein Spiel gegen das von Gasgigant Gazprom und damit indirekt vom russischen Staat und Kriegstreiber Wladimir Putin alimentierte Zenit zu spielen. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr, obwohl Uefa und FIFA den russischen Verband suspendiert und die russischen Mannschaften aus den internationalen Wettbewerben ausgeschlossen haben. Jeweils auf direkte Einladung aus Russland.
Sion-Präsident Constantin hält das für unpolitisch – anders als sein Friedens-Tunier, mit dem er, wir erinnern uns, ja immerhin den Krieg in der Ukraine beenden wollte. „Das Ziel ist wirklich, unser Niveau zu halten. Wir haben beim letzten Mal 2:5 verloren – mal sehen, ob wir uns verbessert haben.“ Minimal. 3:5 ging das zweite Spiel verloren. Immerhin schaffen es die Walliser dabei zweimal den Ausgleich, dank Rilind Nivokazi (23.) und Ali Kabacalman (45.). Théo Bouchlarhem traf in der 82. Minute zudem zum 3:5-Endstand.
Aber die größere Niederlage setzte es eh neben dem Platz – mit dem Spiel selbst. Finden auch Anhänger*innen des FC Sion: „Heute haben wir mit einer Spruchbandaktion auf der Place de la Planta – wo wir einst so viel zu feiern hatten – unseren Unmut darüber ausgedrückt, dass der FC Sion heute Abend zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Monaten ein Freundschaftsspiel gegen Zenit St. Petersburg in Russland durchführt“, berichtete die Ultra-Gruppe „Solo Sion“ vor dem Abflug des Teams nach Russland. Sie erinnern damit an die Gräueltaten, die im russischen Angriffskrieg verübt werden: „Ein Spiel im freundschaftlichen Rahmen, gegen einen russischen Verein, der als staatsfreundlich gilt, ist unserer Meinung nach unter Anbetracht dieser Tatsachen und im Sinne der Menschlichkeit mit aller Vehemenz zu verurteilen.“
Auch die ansonsten relativ unkritische Haltung der Fanszene, der Öffentlichkeit, Medien und ihrer eigenen Spieler prangern die Fans an: „Die öffentliche Teilnahmslosigkeit gegenüber diesen verachtenswerten Aktionen“ sei umso frustrierender und man wolle „diese Trägheit nicht weiter hinnehmen“. Darum nun die Spruchbänder als „klares Zeichen“. Damit fordern sie auch den Rücktritt von Christian Constantin.
Rücktritt statt Friedensnobelpreis? Gerecht wäre es.
Vor allem aber muss es auch sportliche Konsequenzen für den FC Sion geben. Denn Spiele wie dieses relativieren die Sanktionen gegen Russland und normalisieren das russische Regiem, das einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet, wieder. Das aber ist vollkommen inakzeptabel.