Nils Petersen und Christian Streich – zwei Namen, bei denen man sofort an den SC Freiburg und die Erfolgsgeschichte des Vereins in den vergangenen Jahren denken muss. Streich, der vor 14 Jahren Cheftrainer der Bundesligamannschaft der Breisgauer wurde, als das Team abgeschlagen am Tabellenende stand und auch noch der damalige Topstar Papiss Demba Chissé verkauft wurde, der trotzdem sensationell den Klassenerhalt schaffte und Europapokalausflüge ermöglichte, dabei aber immer bewusst und bescheiden blieb, beispielsweise stets mit dem Rad zum Training fuhr, weil es „doch unsinnig“ wäre, für die kurze Strecke von seiner Wohnung zum Trainingsplatz ein Auto zu nutzen und dessen Pressekonferenzen immer wieder auch in nachdenklichen Aussagen zu Politik und Weltgeschehen mündeten, weswegen der Sportclub sie stets als „Streich der Woche“ auf YouTube dokumentierte. Und Petersen, der als Torschützenkönig der zweiten Liga, übrigens noch mit Energie Cottbus, zum FC Bayern gewechselt war, sich aber dort, ebenso wenig wie im Anschluss bei Werder Bremen, durchsetzen konnte, dann nach Freiburg kam, Rekordtorschütze, wobei er Jogi Löw verdrängte, und Nationalspieler, unter Jogi Löw, wurde und selbst dann noch dem Verein verbunden blieb, als er seinen Stammplatz irgendwann verlor – aber nicht, ohne noch zum besten Joker der Bundesliga zu werden.

2023 machte Petersen als Profi Schluss, 2024 folgte Streich als Trainer. Für viele Bundesliga-Fans, auch weit über Freiburg hinaus, war das eine heftige Umstellung. Denn der bescheidene und kritische Trainer und der kluge und vereinstreue Stürmer gaben dem deutschen Spitzenfußball über Jahre eine Menge Sympathisches zurück – dringend nötig, bei all den unangenehmen Nebengeräuschen, mit denen der Profifußball ansonsten konfrontiert ist.

Aber auch für Streich und Petersen war es eine ziemlich dolle Umstellung. Und – so wie es zu den beiden eben auch einfach passt – sprachen sie darüber jetzt auch ziemlich offen. Christian Streich zum Beispiel verrät: Nach einer Fahrradreise mit einem Freund von Freiburg nach Bilbao sei es ihm schwergefallen, im Anschluss einen geregelten Tagesablauf ohne den Profifußball zu finden. „Danach kam der Alltag und meine gewohnten Arbeitsabläufe gab es nicht mehr. Da habe ich mich manchmal isoliert oder leer gefühlt“, teilt Streich seine Erfahrungen. Er führte aus: „Ich habe all die Jahre von Montag bis Sonntag immer gewusst, wo ich hingehöre. Der alltägliche Ablauf war vorgegeben. Jetzt war alles anders.“

Etwas leichter ist Nils Petersen die Umstellung gefallen: „Man bekommt jeden Sonntag den Trainingsplan, erfüllt ihn und bekommt dafür gutes Gehalt. Jetzt sind das Gehalt und die Organisation von außen weg, aber ich genieße es, selbstbestimmt zu sein.“ Sein Blick zurück fällt darum auch entsprechend differenziert aus: „Wir hatten selten zwei Tage am Stück frei. Das kommt vielleicht dreimal im Jahr vor. Ansonsten war ich wahnsinnig viel unterwegs. Am Ende des Jahres 2022 habe ich gesehen, dass ich durch den Fußball mit Bundesliga, Europa League und DFB-Pokal über 40 Mal verreist war. Das mag der eine oder andere schön finden, aber als Profi ist man dann nicht zu Hause. Auch auf Feierlichkeiten musste ich verzichten. Ich war seit 17 Jahren nicht beim Geburtstag meiner Oma. Trotzdem ist es natürlich ein privilegiertes Leben als Fußballer.“

Ex-Trainer Streich ist inzwischen in seinem neuen Alltag angekommen. Zuletzt unternahm er eine Reise nach Südamerika, fuhr mit einem Pick-up durch Argentinien und Chile. „Wir sind einfach übers Land gefahren, haben die Anden bewundert und waren wandern.“ Zudem besuchte er ein Spiel von Spitzenklub River Plate Buenos Aires. „Großartig. Unglaublich“, kommentierte er das Erlebnis bei „Los Millonarios“, dem etwas wohlhabenderen Rivalen der Boca Juniors. Außerdem engagiert sich Christian Streich weiter politisch, vor allem gegen den Rechtsruck in Deutschland: „Jetzt kommen die Hetzer und die probieren, eine Plattform zu finden, um Macht zu erlangen“, sagte er beispielsweise Anfang 2024 im Gespräch mit RTL. Zuletzt kritisierte Streich auch CSU-Politiker Alexander Dobrindt nach dem Eklat um die Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht: „Zu viele Politiker reden Populisten nach dem Mund, statt Werte zu verteidigen.“ Außerdem stellte er auf der lit.colonge seine drei Lieblingsbücher vor, darunter das „Blutbuch“ der nicht-binären Person Kim de L’Horizon. Bei der Umstellung in den neuen Alltag hat Streich dabei besonders seine Familie geholfen: Gemeinsam habe man „daran gearbeitet, die neuen Möglichkeiten und Freiheiten zu erkennen und sie umzusetzen.“

Petersen hingegen träumte während seiner Karriere von ganz alltäglichen Dingen: „Ich hätte gerne mal das Snowboardfahren oder Surfen ausprobiert. Aber ich habe meinen Sommerurlaub immer auf Erholung ausgerichtet. Deswegen hat es uns meist nach Mallorca verschlagen, wo wir wussten, was wir bekommen. Viele Profis haben ja auch Safaris gemacht oder sind mit dem Rucksack durch Asien gewandert, aber das wollte ich nicht, weil ich wusste, dass ich die Pause optimal nutzen muss. Nicht für den Spaß, sondern für die Erholung. Das wollen wir jetzt aber ändern und haben Wochenendreisen und ein paar Städte auf der Liste, wo wir noch nie waren: Wien, Paris, Rom.“ Dafür nimmt er sich nun Zeit. Außerdem spielt er weiter Fußball – in der Kreisliga, wo ebenfalls ziemlich bodenständige Herausforderungen warteten: „Wir trainieren oft abends um halb acht. Das kannte ich so gar nicht. Also habe ich erstmal meine Mitspieler gefragt, wie sie das mit dem Abendessen machen, ob sie vor oder nach dem Training essen.“ Die Buch-Leidenschaft von Streich teilt Petersen dabei, hat seine eigene Biografie vorgelegt. Und er besucht Heimspiele des SC Freiburg – aber als Fan, weil er nicht Trainer oder Funktionär werden will, als solcher man wieder häufig umziehen müsse.

Und Christian Streich? Er wolle zwar Er wolle „für die Zukunft nichts ausschließen, einfach weil ich nichts seriös ausschließen kann, weil ich mich bislang nullkommanull damit auseinandergesetzt habe“, hat er direkt nach seinem Aus beim Sportclub gesagt. Doch inzwischen wirkt er so angekommen in seinem neuen Nach-Fußball-Leben, dass man sich ein Comeback auf der Trainerbank nur noch schwer vorstellen kann.

Schade ist das – beides. Weil Profifußball mit Christian Streich und Nils Petersen nahbarer, bodenständiger und verantwortungsbewusster ist. Aber immerhin kann man mit dem heutigen Abstand zu ihrem Karriereende auch festhalten: Wirklich gut, dass sie auch so weiter sichtbar und hörbar geblieben sind.

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Von admin