In der 59. Minute des WM-Qualifikationsspiels zwischen Portugal und Irland am 13. November beging Cristiano Ronaldo eine Tätlichkeit. Ronaldo rammte dem Iren Dara O’Sheanämlich absichtlich den Ellenbogen in den Rücken. Der Schiedsrichter nahm das erst nicht wahr, der Videoassistent schon, schickte seinen Chef raus, zur Videoanalyse, und dieser zeigte CR7 dann die rote Karte. Platzverweis für einen Superstar – kurz vor dem tatsächlichen WM-Beginn.
In der Folge entbrannte eine Diskussion um das Strafmaß. Bei einer solchen Tätlichkeit sind die FIFA-Regeln aber eigentlich klar: Mindestens drei Spiele sperre, Rolando würde so fast die gesamte Gruppenphase der anstehenden Weltmeisterschaft, vielleicht seinem letzten internationalen Turnier, verpassen. Würde Portugal da ausscheiden, würde die internationale Karriere des vielleicht besten Fußballers aller Zeiten ohne dessen Einflussmöglichkeiten enden. Und das passte Pedro Proença, Präsident des portugiesischen Fußballverbandes, gar nicht. Pikant: Proença war selbst einmal Schiedsrichter. In der Causa Ronolado-Rot argumentierte er so: O’Shea habe Ronaldo vor dessen Ellenbogenschlag festgehalten. Den Körperkontakt gab es wirklich, allerdings dürfte er auch niemanden überraschen, denn O’Shea war bei einer Flanke der direkte Gegenspieler von einem der besten Kopfballspieler aller Zeiten. Die Stimmung in Dublin sei zudem feindselig gewesen und die Stimmung gegen Cristiano Ronaldo sei darüber hinaus auch vom irischen Nationaltrainer befeuert worden, führte Proença weiter aus. Auch das müsse strafmildernd gewertet werden. Die Forderung des Verbandsbosses darum: Eine Bewährungsstrafe.
Die FIFA beharrte aber auf der Mindeststrafe von drei Spielen Sperre für eine Tätlichkeit. Doch griff bei der heute bekannt gewordenen Urteilsverkündung zu einem Trick: Zwei der drei Spiele werden nämlich zur Bewährung ausgesetzt. Im FIFA-Statement heißt es dazu: „Gemäß Artikel 27 des Disziplinarreglements der FIFA wurde die Sperre für die beiden verbleibenden Spiele unter einer einjährigen Bewährungsfrist ausgesetzt. Sollte Cristiano Ronaldo während der Bewährungszeit einen weiteren Verstoß ähnlicher Art und Schwere begehen, gilt die in der Disziplinarentscheidung festgelegte Sperre als automatisch aufgehoben und die verbleibenden zwei Spiele müssen sofort beim nächsten offiziellen Spiel bzw. bei den nächsten offiziellen Spielen der portugiesischen Nationalmannschaft verbüßt werden.“ Die Sperre von einem Spiel saß Ronaldo beim 9:1-Sieg gegen Armenien im letzten Qualifikationsspiel ab. Er ist damit ab sofort wieder spielberechtigt.
Richtig ist: Die FIFA liegt mit ihrem Urteil in ihrem selbstauferlegten Rechtsrahmen. Formal ist daran alles korrekt. Pikant wird die Geschichte deswegen: Armenien musste im Spiel gegen Portugal nämlich auch auf einen Spieler verzichten. Konkret auf Tigran Barseghyan, der seinerseits beim Spiel in Irland die Rote Karte nach einem Kopfstoß erhalten hatte. Die Strafe für diese Tätlichkeit: Drei Spiele Sperre, allerdings ohne Bewährung. Kein Einzelfall: Denn exakt dieses Strafmaß sprach die FIFA auch gegen Leroy Sané aus. Der deutsche Nationalspieler hatte nach einer Tätlichkeit im Test in Österreich die Rote Karte gesehen. Es war – wie jetzt bei Cristiano Ronaldo – seine erste und ist seine einzige in nun 72 Länderspielen. Der DFB hatte – auch das ist also mit dem CR7-Fall vergleichbar – Einspruch eingelegt, um mit Blick auf die Vorbereitung zur EM 2024 die Sperre zu reduzieren. Die Berufungskommission der FIFA lehnte das jedoch ab.
So entsteht der Eindruck, dass die FIFA mit zweierlei Maß misst und Cristiano Ronaldo, ein immenses Zugpferd in Sachen Zuschauerzahlen und Vermarktungsmöglichkeiten, bewusst schützt oder sogar besserstellt. Nochmal: Sportrechtlich ist die Strafe begründbar, aber das uneinheitliche Bewerten von eigentlich vergleichbaren Situationen irritiert. Und so muss sich die FIFA einmal mehr mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass es bei ihr nicht mit rechten Dingen zugeht. Sondern anstatt von klaren Regeln im Sinne des Spiels Geld die Regeln des Spiels bestimmen. Und allein dass es dazu – mal wieder – kommen kann, schadet dem Fußbal allgemein.
