Nicht nur in Europa wird Fußball gespielt – klar. Dieser Sport ist überall auf der Welt zu Hause. Und auch das macht ihn so unfassbar spannend. FanLeben.de beginnt darum heute eine neue Reihe und stellt internationale Mannschaften, Strukturen und Wettbewerbe vor, die irgendwo auf der Welt im Rampenlicht stehen. Den Anfang machten der amtierende afrikanische CAF Champions League: Pyramids FC und einer der politisch bedeutendsten Vereine im Weltfußball: Corinthians Sao Paulo. Heute schauen wir auf eines der größten und langandauernden Duelle im Weltfußball – und schauen dafür nach Uruguay.

Beginnen wir – wie so oft – historisch. Die Geschichte der beiden uruguayischen Fußballvereine Club Atlético Peñarol und Club Nacional de Football ist eng mit der Entwicklung des Fußballs in Südamerika verknüpft. Beide Klubs stammen aus Montevideo, prägen seit über einem Jahrhundert die nationale Liga und zählen zu den erfolgreichsten Vereinen des Kontinents. Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten unterscheiden sie sich in Herkunft, Identität und Struktur.

Peñarol geht auf den Central Uruguay Railway Cricket Club (CURCC) zurück, der 1891 von britischen Eisenbahnarbeitern gegründet wurde. Der Verein nahm ab 1892 am organisierten Fußballbetrieb teil und gilt nach offizieller Lesart Peñarols als Ursprung des heutigen Klubs, der 1913 unter dem Namen Club Atlético Peñarol weitergeführt wurde. Nacional wurde 1899 von Studenten und Akademikern kreolischer Herkunft gegründet, die einen Verein schaffen wollten, der sich von den bis dahin vorherrschenden britischen Teams absetzte. Diese unterschiedlichen Gründungsumfelder prägen bis heute die kulturelle Identität beider Klubs. Während Peñarol als Verein der Arbeiterklasse gilt, wird Nacional häufig mit der Mittelschicht und akademischen Kreisen in Verbindung gebracht.

Uruguay – das ist vielleicht wichtig zu erwähnen – hatte bereits 1828 im Zuge britischer Vermittlung zwischen Brasilien und Argentinien seine Unabhängigkeit erlangt. Politisch befand sich das Land im späten 19. Jahrhundert jedoch in einer Phase der staatlichen Konsolidierung nach Jahrzehnten innerer Konflikte zwischen den beiden dominierenden Parteien, den konservativen Blancos und den liberalen Colorados. Diese Auseinandersetzungen prägten das politische Klima, führten aber im letzten Drittel des Jahrhunderts zu wachsender Stabilität und Modernisierung. Während Uruguay formal unabhängig war, spielte das Britische Empire wirtschaftlich und infrastrukturell eine zentrale Rolle. Großbritannien investierte stark in den Ausbau des Eisenbahnnetzes, des Hafens von Montevideo und in den Exporthandel, insbesondere mit Fleisch und Wolle. Britische Unternehmen betrieben die wichtigsten Eisenbahngesellschaften, darunter die Central Uruguay Railway Company, die später zur Keimzelle des Fußballvereins Peñarol wurde. In diesem Umfeld entstanden auch britische Arbeitergemeinschaften, die ihre eigenen Sport- und Kulturvereine gründeten. Die Existenz britischer Arbeiter und Angestellter in Uruguay erklärt die frühe Gründung von Gewerkschaften nach britischem Vorbild, noch bevor eine organisierte uruguayische Arbeiterbewegung flächendeckend entstand. Diese waren dabei jedoch auch offen für Einheimische. Diese Gewerkschaftsbewegung hat Uruguay übrigens nachhaltig geprägt, das Land verfügt heute über einen ausgeprägten Sozialstaat und gilt außerdem als eine der stabilsten Demokratien weltweit. Aber zurück zum Fußball.

Da steht neben dem Sport bis heute die Frage im Mittelpunkt der Rivalität beider Vereine, welcher von ihnen denn nun der ältere ist. Nacional beansprucht den Titel des ältesten rein uruguayischen Fußballvereins, während Peñarol seine Wurzeln im CURCC sieht und auf die Kontinuität von 1891 verweist. Die richtige Antwort? Hängt wahrscheinlich wirklich vom Trikot an, das man trägt. Peñarol spielt übrigens seit Ende des 19. Jahrhunderts in schwarz-gelben und längsgestreiften Trikots, während Nacional zuhause in weiß, auswärts in rot und alternativ in blauen Trikots aufläuft. Das blau-weiß gestreifte Wappen Nacionals ist dabei, wie sollte es anders sein, der Flagge Uruguays nachempfunden.

Peñarol und Nacional dominieren den uruguayischen Fußball nahezu vollständig. Gemeinsam haben sie mehr als 90 nationale Meisterschaften gewonnen und waren auch international erfolgreich. Beide konnten jeweils dreimal die Copa Libertadores sowie den Weltpokal für sich entscheiden. Damit gehören beide auch weltweit zu den erfolgreichsten Vereinen aller Zeiten. Der „Clásico del Fútbol Uruguayo“ zwischen beiden Mannschaften zählt zu den ältesten Vereinsduellen der Welt und spiegelt nicht nur sportliche, sondern auch die sozialen und kulturellen Gegensätze wider. Übertroffen wird es von seiner Strahlkraft vielleicht vom Duell zwischen den Boca Juniors und River Plate in Buenos Aires – aber sonst?

Peñarol fiel in seiner Geschichte mehrfach durch Innovationen auf. Bereits 1933 organisierte der Verein ein Frauenfußballspiel, was in einer Zeit ohne etablierte Frauenligen eine Besonderheit darstellte. In den 1950er Jahren führte Peñarol zudem als weltweit erster Verein Trikotwerbung ein und nutzte damit früh eine Einnahmequelle, die heute im Profifußball selbstverständlich ist. Auch in der Modernisierung der Infrastruktur setzte der Klub Akzente: 2016 eröffnete Peñarol mit dem Estadio Campeón del Siglo ein eigenes, modernes Stadion.

Nacional gilt dagegen als Verein mit starkem Fokus auf Nachwuchsarbeit und institutioneller Stabilität. Aus seiner Jugendabteilung stammen zahlreiche internationale Spieler, darunter Luis Suárez, Diego Godín und Darwin Núñez. Der Verein trägt seine Heimspiele im Gran Parque Central aus, das als eine der ältesten noch genutzten Fußballstätten der Welt gilt. Nacional ist zudem eng mit der Geschichte der uruguayischen Nationalmannschaft verbunden. Viele Spieler, die an den Olympiasiegen von 1924 und 1928 sowie am ersten Weltmeistertitel 1930 beteiligt waren, stammten aus dem Klub. Nacional stellte jeweils die meisten. Darunter José Nasazzi, der bei allen drei Turnieren Kapitän gewesen ist, Héctor Scarone und Pablo Dorado, der das erste Tor jemals in einem WM-Finale erzielte. Immerhin: In der Nachwuchsarbeit holte Peñarol zuletzt auf, mit Federico Valverde von Real Madrid, wurde der aktuell wohl beste Spieler Uruguays in schwarz-gelb ausgebildet. Auch Diego Forlan kommt hierher. Die Ausbildungsphilosophie unterscheidet sich dabei wie folgt: Nacional setzt in der Jugend vor allem auf Technik, Spielintelligenz und Taktik, versucht „komplette Spieler“ auszubilden, die dann in Europa ihren weiteren Weg gehen sollen, während Peñarol den Fokus auf Mentalität, Physis und Intensität legt und die Talente damit auf eine weitere Karriere in den USA oder Südamerika vorbereiten möchte. Mit Real Madrid (Peñarol) und dem FC Barcelona (Nacional) wird die Rivalität auch durch die internationalen Kooperationspartner beider Vereine gelebt.

Apropos: Beide, sowohl Peñarol als auch Nacional, sind tatsächlich Vereine, also Mitgliedervereine mit demokratischen Strukturen, wie wir sie auch in Deutschland kennen. Präsident und Vorstand werden entsprechend regelmäßig durch die Mitglieder gewählt. Und das, obwohl es in Uruguay keine 50+1-Regel gibt. Das zeigt einmal mehr: Demokratie und sportlicher Erfolg schließen sich nicht aus – im Gegenteil, wie dieser Faktencheck von FanLeben.de im übrigen dokumentiert.

Aber zum Sport. Während Peñarol in den vergangenen Jahren den Meistertitel zurückeroberte, 2023 und 2024 gewann man diesen zuletzt, bemüht sich Nacional um den Anschluss an die Spitze und eine Verjüngung des Kaders. Unter Trainer Diego Aguirre setzte der Klub auf eine ausgewogene Mischung aus erfahrenen Spielern und Eigengewächsen. Die Mannschaft präsentierte sich defensiv gefestigt und effizient im Abschluss, profitierte jedoch auch von einer schwankenden Konkurrenz. In der Copa Libertadores 2024 erreichte Peñarol die Gruppenphase, schied dort jedoch trotz einzelner überzeugender Auftritte vorzeitig aus. Die Leistungen im internationalen Wettbewerb zeigen, dass der Klub national dominant, aber auf kontinentaler Ebene noch nicht auf Augenhöhe mit den führenden Vereinen aus Brasilien und Argentinien agiert.

Sportlich orientiert sich Peñarol an einem pragmatischen Ansatz mit stabiler Viererkette und hohem Arbeitstempo im Mittelfeld. Jüngere Spieler wie Matías Arezo und Agustín Álvarez Martínez werden schrittweise integriert, während Routiniers wie Walter Gargano oder Hernán Menosse für Erfahrung sorgen. Die sportliche Leitung verfolgt eine Strategie der gezielten Nachwuchsförderung kombiniert mit punktuellen Verstärkungen, um Transfererlöse zu sichern und gleichzeitig konkurrenzfähig zu bleiben.

Nacional beendete die Saison 2024 als Vizemeister und arbeitet derzeit an einer Neuausrichtung unter einem jüngeren Trainerteam. Der Verein setzt verstärkt auf Talente aus der eigenen Akademie „Los Céspedes“ und auf Rückkehrer aus dem Ausland. Nach dem Abgang mehrerer Leistungsträger in Richtung Europa befindet sich der Kader im Umbau. In der Copa Libertadores blieb Nacional ebenfalls in der Gruppenphase hängen, zeigte aber mit einer offensiv ausgerichteten Spielweise Phasen spielerischer Entwicklung. Die sportliche Leitung bewertet die Saison als Übergangsjahr, in dem die Integration einer neuen Generation Vorrang vor kurzfristigem Erfolg hat.

Taktisch bevorzugt Nacional eine kontrollierte Spielweise mit höherem Ballbesitzanteil und flexiblen Mittelfeldstrukturen. Trainer Álvaro Recoba, selbst Vereinsikone, verfolgt einen langfristigen Aufbauplan, der auf Kontinuität in der Nachwuchsarbeit und einer klaren sportlichen Linie basiert. Perspektivisch soll der Verein wieder regelmäßig das Halbfinale der kontinentalen Wettbewerbe erreichen, ein Ziel, das zuletzt vor über einem Jahrzehnt gelungen war. In der laufenden Saison 2025 muss man jedoch wohl erst einmal erneut Peñarol den Fortritt lassen.

65.000 eingetragene Mitglieder bei Peñarol, über 70.000 bei Nacional und jeweils rund eineinhalb Millionen Fans allein in Uruguay – wobei Peñarol hier die Nase leicht vorn hat. Das sind beeindruckende Zahlen bei doch insgesamt nur 3,5 Millionen Menschen, die aktuell in Uruguay leben.

Der Fußball ist eben groß.

Und – das zeigt diese Rivalität besonders – oft auch ein Abbild der Gesellschaft.

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Von admin