Immer wieder geraten besondere Vereine in tiefe Krisen, stürzen ab und die Fußballwelt fragt sich: Wie konnte es dazu kommen? In Deutschland geht es vielen Traditionsvereinen so. Doch darüber wird an vielen Stellen schon ausführlich diskutiert. Hier auf FanLeben.de schauen wir deswegen ins Ausland und widmen uns in detaillierten Recherchen der bitteren Realität von Vereinen, die wir im internationalen Fußball heute vermissen. Im ersten Teil der Serie ging es um Vitesse Arnheim, im zweiten Teil folgte Bursaspor, im dritten der FC Malaga, im vierten Wacker Innsbruck und im fünften um Sheffield Wednesday. Heute geht es um einen australischen Klub – mit kürzerer Geschichte, aber viel Bedeutung für seine Stadt.
Interesannt wird dieses Thema, weil ein deutscher Verein profitiert: Schalke 04. Die Knappen werden sich aller Voraussicht nach das wohl spannendeste Defensivtalent Australiens sichern: Dylan Leonard. Der Zweitligist hat ihn bislang vorwiegend per Video gescoutet. Und weil sein bisheriger Klub Western United aus Melbourne aufgrund finanzieller Probleme die Lizenz für die australische A-League entzogen bekommen hat, könnte Schalke Innenverteidiger Leonard jetzt wahrscheinlich sogar ablösefrei verfplichten. Vom Alter her wäre der 18-Jährige noch für die U 19 spielberechtigt, allerdings verzeichnete Leonard in Australien schon 25 Erstliga-Einsätze. Viele gehen davon aus, dass Dylan Leonard sofort sogar in der zweiten Liga helfen könnte.
Aber was ist bei Wetern United passiert? Wieso ist der Klub abgestürzt und wie geht es in Melbourne nun weiter?
Zuerst die Fakten: Der Ligaverband Football Australia hat Western United in der letzten Woche die Lizenz für die A-League entzogen. Die Entscheidung, die der Verband am Freitag als „bedauerlich“ bezeichnete, begründete er damit, dass der Club die notwendigen Kriterien für den Verbleib in der Profiliga nicht erfülle. Konkret kämpft Western United bereits seit dem Meistertitel der A-League-Saison 2021/22 mit erheblichen finanziellen Problemen. Anfang dieses Jahres erhielt der Verein Verwarnungen wegen ausstehender Löhne und nicht gezahlter Rentenbeiträge.
Western United wurde zwar erst 2018 gegründet, konnte aber, aufgrund des Franchise-Systems der australischen Liga, direkt in der höchsten Spielklasse antreten. Der Klub repräsentiert den Westen des australischen Territoriums Victorias und den Westteil der Stadt Melburne. Das Frauen-Team wurde 2022 Vizemiesterin und auch im Nachwuchsbereich erlangte der Klub mit strukturierter Jugendförderung, siehe Dylan Leonard, viel Anerkennung. Der Klub trägt seine Heimspiele in den Vororten von Melbourne aus. Um den Verein herum sind darum viele soziale Initiativen entstanden. Hoffnungen vielen Menschen fußen auf der Existenz dieses Vereins. All das macht, beziheungsweise machte, Western United zu einem der besondereren Vereine Australiens.
Western United kündigte nun erst einmal an, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen. Sollte dieser Einspruch scheitern, würden sowohl die Männer- als auch die Frauenteams von Western United aus der A-League ausgeschlossen werden. Das wiederum bedeutete da Ende der Existenz dieses Vereins.
Besonders bitter ist der Lizenzentzug darum auch für die vielen Talente, die von der guten Nachwuchsarbeit bei Western United profitiert haben. Dabei spielt vor allem die enge Anbindung des Vereins an die Communites in den westlichen Vororten Melbournes eine bedeutende Rolle. Das erklärt auch der erst 13-jährige Nachwuchskicker Lucas Playford: Er spielt für den Tarneit United Soccer Club, einen der vielen Amateurvereine in den westlichen Vororten, die Partnerschaften mit Western United pflegen. „Ich hoffe, sie bekommen ihre Lizenz zurück, damit sie wieder anfangen können, und hoffentlich kann ich dann eines Tages für sie spielen“, sagte er. Michael Jenko ist seit drei Jahren Fan von Western United, sein Sohn spielt ebenfalls für Tarneit United. Er erklärte, er sei traurig und schockiert, aber optimistisch, dass der Einspruch Erfolg haben werde: „Es ist der einzige Profifußballverein, der Spiele in den westlichen Vororten austrägt“, sagte Jenko. Für seinen Sohn wäre es „ein wahr gewordener Traum“, für Western United zu spielen. Denn: „Es gibt den Menschen in den westlichen Vororten die Chance, hohe Spielklassen zu erreichen“, so Jenko. „Es wäre eine verpasste Gelegenheit für alle Familien hier, Teil von etwas Besonderem zu sein.“
Ähnlich äußern sich andere Fans. Daniel Hoogstra, Vorsitzender der Western-United-Fangruppe, sagte, viele Fans seien „am Boden zerstört“. Wenn die Lizenz gestrichen werde, würde der Verein wahrscheinlich aufgelöst, was die Chancen für junge lokale Fußballer im Profibereich einschränken würde: „Ich denke, für die breitere Gemeinde im Westen Melbournes wird dies die Karrierewege erheblich beeinflussen – möglicherweise Profifußball für ihren Heimatverein zu spielen und später Socceroos oder Matildas zu werden.“ Sein Appell: „Rettet den Westen, rettet Western United – das ist eine Investition in die Zukunft des australischen Fußballs!“
Der Lizenzentzug für Western United wirft darüber hinaus aber auch große Fragen zur Zukunft des geplanten Stadions im Westen von Melbourne, dem Einzugsgebiet des Vereins, auf. In Tarneit sollte auf einem 63 Hektar großen Gelände entlang der Sayers Road das Wyndham Stadium Precinct entstehen – ein Sport-, Unterhaltungs-, Geschäfts- und Wohnviertel mit einem Fußballstadion für 15.000 Zuschauer als Herzstück. Das Projekt ist eine Kooperation des Wyndham City Council, der Western Melbourne Group, die Eigentümerin von Western United ist, sowie privater Investoren. Auf demselben Gelände befindet sich bereits die kürzlich fertiggestellte Anlage Ironbark Fields mit drei Spielfeldern und einer 5.000 Plätze umfassenden Tribüne, die derzeit als Heimstätte des Vereins dient.
Trotz der Unsicherheit über die A-League-Lizenz hält der Wyndham City Council am Projekt fest. Mark Rossiter, Direktor für Unternehmensdienste, bezeichnete die Entscheidung des Verbands als „enttäuschend“, betonte jedoch die langfristige Bedeutung des Vorhabens. „Wir verstehen, dass der Verein noch Einspruchsmöglichkeiten hat, und Wyndham wird diese Zeit nutzen, um zu prüfen, was das für unsere Partnerschaft mit der Western Melbourne Group bedeutet“, sagte er. „Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass es sich um eine einzigartige Initiative handelt, die außergewöhnlichen gesellschaftlichen Nutzen bringen kann, und wir bleiben entschlossen, diese Vision zu verwirklichen.“
Rossiter unterstrich zudem, dass Steuerzahler durch die bestehenden Verträge abgesichert seien: „Das für das Wyndham Stadium Precinct vorgesehene Land – einschließlich Ironbark Fields – ist vollständig im Besitz des Wyndham City Council. Kein Grundstück wurde der Western Melbourne Group im Rahmen dieser Partnerschaft geschenkt oder verkauft.“
Parallel dazu steht auch die Eigentümerstruktur von Western United im Fokus. Zwar wurde im Mai eine Vereinbarung mit KAM Melbourne, einer Tochterfirma der US-amerikanischen KAM Sports, über eine Mehrheitsübernahme getroffen – finalisiert ist der Deal bislang jedoch nicht.
Ob Western United eine Zukunft hat, das wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Den vielen Menschen, den der Klub so viel bedeutet, wäre es wirklich von Herzen zu wünschen.