Die Geschichte von Fußballern, die immer schon in der Bettwäsche des Vereins geschlafen haben wollen, zu dem sie gerade wechseln, ist eigentlich auserzählt – spätestens seit Nick Woltemade seinen Wechsel von Werder Bremen zum VfB Stuttgart damit begründete, schon als Kind in der Werder-Kabine VfB-Lieder gesungen zu haben und dafür sogar manchmal richtig Ärger bekommen zu haben, nur um dann ein Jahr später erst dolle mit dem FC Bayern zu flirten und anschließend zu Newcastle United zu wechseln, einem Klub, der von Saudi-Arabien kontrolliert wird. Naja.

Erzählen wir trotzdem noch einmal so eine Geschichte. Auch weil ihr Protagonist Younes Ebnoutalib, gar nicht behauptet, als Kind ein riesen Eintracht-Frankfurt-Fan gewesen zu sein. Glaubhaft, dass gestern trotzdem ein Kindheitstraum für Ebnutalib in Erfüllung gegangen ist, ist es aber trotzdem. Aber der Reihe nach.

Danach, dass der aktuell führende der Zweitliga-Torschützenliste einmal überhaupt im Profifußball landen würde, sah es nämlich lange nicht aus. Richtig lange, um genau zu sein. Erst mit 14 Jahren trat Ebnoutalib einem Verein bei, in der Jugend kickte er für den SV 07 Heddernheim und Rot-Weiß Frankfurt. Klassisches Eintracht-Einzugsgebiet und ohne Frage ein ordentliches Niveau, aber bei weitem eben auch nicht das allerhöchste Level, auf dem sich die richtig großen Talente sonst in den Nachwuchsleistungszentren messen. 2022 folgte dann ein ziemlich überraschender Wechsel in die U19 von AS Perugia nach Italien. Einige Spiele machte Ebnutalib sowohl für Perugias A-Jugend, auch für die unterklassige erste Mannschaft des Vereins spielte er – sich allerdings nicht in den Fokus größerer Mannschaft. Und so bleib es ein glückloses Kapitel, das nach einem Jahr auch schon wieder beendet war. Nach einem Mittelfußbruch wurde der Vertrag in Perugia aufgelöst, Ebnoutalib war ein halbes Jahr vereinslos. Die Karriere des Younes Ebnoutalib schien vorbei, bevor sie richtig begonnen hatte.

Denkste. Denn nach einem halben Jahr meldete sich der FC Gießen, damals ein Regionalligist, beim Stürmer. Und in Gießen präsentierte sich Ebnoutalib professionell, engagierte gar einen Personal Trainer. „Er war immer sehr diszipliniert und fokussiert“, erinnert sich Michel Magel, Geschäftsführer des FC Gießen. Mit dem Ergebnis, dass Ebnoutalib schnell das Interesse höherklassiger Vereine auf sich zog. In 19 Regionalliga-Spielen traf Ebnoutalib sechs Mal, das ist ordentlich, aber auch nicht spektakulär. Trotzdem wurde der SV Elversberg auf ihn aufmerksam und zahlte sogar 50.000€ Ablöse für ihn. Warum?

Weil Ebnoutalib ein spannendes Profil mitbringt. Mit 1,91 Metern ist er ein echter Sturmtank, stark in der Ballbehauptung und mit ordentlich Durchsetzungsvermögen. Für die SV Elversberg erzielte Ebnoutalib alle seine 12 Saisontore aus dem Strafraum heraus, in der Box hat er überdurchschnittlich viele Ballkontakte und Torabschlüsse. Ein klassischer Mittelstürmer – gibt es nicht mehr viele von. „Dass in Younes jede Menge Potenzial steckt, haben wir früh erkannt“, blickt deswegen SVE-Sportvorstand Ole Book auch zufrieden zurück. „Er hat das vergangene Jahr genutzt, akribisch an sich gearbeitet und sich auf hohem Niveau bewiesen. Er hat sich den Schritt in die 1. Bundesliga verdient. Wir bedanken uns bei Younes für die kurze, aber sehr positive gemeinsame Zeit und wünschen ihm auf seinem weiteren Karriereweg nur das Beste.“

Acht Millionen Euro Ablöse zahlt Eintracht Frankfurt jetzt nämlich für die Dienste des Wunschstürmers. Für den SV Eleversberg viel Geld – für die Hessen? Naja. Vor zwei Jahren hatte die SGE ebenso 8 Mio. Euro für Angreifer Jean-Mattéo Bahoya gezahlt. Im letzten Januar stellte man mit Stürmer Elye Wahi, der 26 Millionen Euro kostete, einen neuen Klubrekord im Winter auf. Sportvorstand Markus Krösche erklärt den Transfer deswegen auch mit ziemlich nüchternder Zuversicht: „Younes ist ein sehr torgefährlicher Spieler mit einer sehr guten Physis. In den letzten Monaten konnte er in Elversberg die nächsten Schritte in seiner Entwicklung machen, die wir weiter gemeinsam vorantreiben möchten. Wir sind überzeugt, dass er uns mit seinen Fähigkeiten schnell helfen kann, zumal er alle athletischen Voraussetzungen mitbringt. Klar ist aber auch, dass wir Younes die notwendige Eingewöhnungszeit bei der Eintracht geben. Als gebürtiger Frankfurter wird er aber ohnehin keine Schwierigkeiten haben, sich wieder in seiner Heimatstadt einzuleben.“

Aber im letzten Satz steckt die Würze: Ein gebürtiger Frankfurter, der es nie ins Nachwuchsleistungszentrum geschafft hat und jetzt kurz davor steht, über Umwege den Weg in den Verein seiner Stadt zu schaffen – Younes Ebnoutalib muss gar nicht in Eintracht-Bettwäsche geschlafen haben, damit das eine schöne Geschichte ist.

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Von admin